Der Bundestag stimmt mit großer Mehrheit für den gesetzlichen Mindestlohn. Außerdem in der Presseschau: Gesetz zu neuen "sicheren Herkunftsstaaten", deutscher Student von NSA überwacht, PC- und Druckerhersteller müssen an VG Wort zahlen, EGMR verurteilt Russland wegen Abschiebung und warum Kinder nicht Waldmeister heißen dürfen.
Thema des Tages
Mindestlohn: Am gestrigen Donnerstag ist das Mindestlohngesetz vom Bundestag verabschiedet worden. Die SZ (Thomas Öchsner), FAZ (Dietrich Creutzburg), die taz (Barbara Dribbusch) und die Welt (Stefan von Borstel) stellen die Regelungen des gesetzlichen Mindestlohns noch einmal vor und fassen die Reaktionen von Politikern und Verbänden zusammen. Die Lohnuntergrenze soll 8,50 Euro betragen und ab 2015 bundesweit und flächendeckend für Beschäftigte ab 18 Jahren gelten. Ausnahmen bestehen für Zeitungszusteller, Saisonarbeiter, Langzeitarbeitslose, Praktikanten und für gültige Tarifverträge mit geringerer Untergrenze. Des Weiteren soll es eine Mindestlohnkommission geben, die alle zwei Jahre über die Höhe entscheidet.
In einem Interview mit der SZ (Stefan Braun) kritisiert der FDP-Parteivorsitzende Christian Lindner den gesetzlichen Mindestlohn, "weil er Menschen aus dem Arbeitsmarkt drängt, statt sie hineinzuführen." Laut Holger Steltzner (FAZ) habe das Gesetz der Tarifautonomie geschadet. Janko Tietz (spiegel.de) begrüßt die Einführung des Mindestlohns: "Er gibt der Arbeit wieder einen Wert und er gibt den Menschen, die für diesen Stundensatz arbeiten, wieder ein wenig ihrer Würde zurück".
Rechtspolitik
EU-Erbrecht: Die SZ (Heribert Prantl) berichtet von der Europäischen Erbrechtsverordnung, die nach einer Übergangsfrist von drei Jahren im August 2015 in Kraft treten wird. Danach gilt für Erbfälle mit Auslandsbezug das Recht des "gewöhnlichen Aufenthalts" des Verstorbenen und nicht das Staatsangehörigkeitsprinzip. Man könne allerdings die Anwendung deutschen Rechts ausdrücklich im Testament festlegen.
Sichere Herkunftsstaaten und Staatsangehörigkeit: Wie spiegel.de (Annett Meiritz) darstellt, hat der Bundestag am gestrigen Donnerstag ein Gesetz verabschiedet, das die Länder Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina zu sicheren Herkunftsländern nach dem Asylverfahrensgesetz erklärt, um die Bearbeitung von Asylanträgen aus diesen Ländern zu beschleunigen. Gleichzeitig wurde im Staatsangehörigkeitsgesetz die Optionspflicht für "in Deutschland geborene und aufgewachsene Kinder ausländischer Eltern" abgeschafft. Heribert Prantl (SZ) hält die Doppelpassregelung für "kleinlich" und die Flüchtlingspolitik für "kaltherzig".
Recht auf Daten: Der Rechtsprofessor Wolfgang Kilian analysiert in einem Gastbeitrag in der FAZ, wie das Recht auf eigene Daten staatlich geschützt werden kann. Nach Darstellung der aktuellen Vermarktungsstrategien personenbezogener Daten durch private Unternehmen, betrachtet der Autor die datenschutzrechtlichen Bestimmungen und kommt zu dem Schluss, dass sich aus der Zusammenschau eine vermögenswerte Rechtsposition an personenbezogenen Daten ergebe. Ein effizienter Einsatz dieser Rechte könne sich einstellen, wenn auf dem Markt mehr Konkurrenz bestünde, etwa durch kostenpflichtige Anbieter, die auf eine weitgehende Vermarktung der Daten verzichten.
Hochschulfinanzierung: Laut der FAZ (Heike Schmoll) und dem Handelsblatt (Barbara Gillmann) hat die Deutsche Forschungsgemeinschaft Kritik an der geplanten Grundgesetzänderung zur Abschaffung des Kooperationsverbots im Art. 91 b des Grundgesetzes und damit zu einer leichteren Finanzierung von Hochschulprojekten durch den Bund geäußert. Problematisch sei, dass die erleichterte Möglichkeit, universitäre Vorhaben zu unterstützen, der Zustimmung aller Länder bedürfe, was die Realisierung von Projekten erschweren könnte.
Justiz
NSA-Überwachung: Ein konkreter Fall von Überwachung durch den US-Auslandsgeheimdienst NSA wurde durch die Recherchen von NDR und WDR bekannt, berichten unter anderem die SZ (Andrian Kreye), die FR(Jonas Rest) und spiegel.de (Ole Reißmann). Der deutsche Student Sebastian Hahn stehe auf der Liste des Geheimdienstes, weil er wegen seines Engagements für das Anonymisierungsnetzwerk Tor vom Spionage-Programm XKeycore erfasst wurde. SPD-Politiker hätten bereits den Generalbundesanwalt Range zum Handeln aufgefordert, weil nun ein konkreter Tatverdacht vorliegen würde. Auch Christian Rath (taz) kommt zu dem Schluss, der Generalbundesanwalt müsse ein zweites Ermittlungsverfahren einleiten.
BGH zur PC- und Drucker-Abgabe: Nach einer mehrjährigen Auseinandersetzung von PC- und Druckerherstellern mit der Verwertungsgesellschaft Wort, hat der Bundesgerichtshof (BGH) nun entschieden, dass PCs und Drucker zu den vergütungspflichtigen Vervielfältigungsgeräten nach der alten Fassung des Urheberrechtsgesetzes gehören und die Hersteller eine Abgabe leisten müssen, deren Höhe von der Vorinstanz noch bestimmt werden muss. Damit folgte der BGH dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom Juni letzten Jahres, der die Vergütungspflicht bejaht hatte. lto.de und die FAZ (Joachim Jahn) berichten.
BGH zu Vermieterhaftung: Rechtsanwalt Dominik Schüller stellt auf lto.de ein Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) von Mittwoch vor, das die Inanspruchnahme des Vermieters im Falle nicht gezahlter Stromrechnungen durch den Pächter bzw. Mieter verneinte. Im konkreten Fall hatte ein Pächter Strom verbraucht, ohne einen schriftlichen Vertrag mit dem Anbieter abgeschlossen zu haben; der Versorger wandte sich an den Eigentümer. Laut BGH kam ein konkludenter Vertrag aber mit dem Pächter zustande, weil er die tatsächliche Verfügungsgewalt über den Anschluss ausgeübt habe.
OLG Zweibrücken zu Foto-Nutzungsrechten: Laut internet-law.de (Thomas Stadler) hat das Oberlandesgerichts Celle entschieden, dass die Nutzungsrechte an Fotografien für die zusätzliche Verwendung in der E-Paper-Ausgabe einer Zeitung stillschweigend übergehen, wenn der Urheber die Rechte für die Printausgabe bereits eingeräumt hat.
StA Berlin – Michael Hartmann: Gegen den Bundestagsabgeordneten Michael Hartmann (SPD) laufen Ermittlungen wegen des Verdachts eines Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz, weshalb er am Mittwoch von einigen Posten zurückgetreten sei, berichten unter anderem spiegel.de (Florian Gathmann und andere), FR (Karl Doemens) und die Welt (Manuel Bewarder und andere). Eine Durchsuchung der Wohnung habe den Verdacht bisher nicht bestätigen können. Der Abgeordnete ist unter anderem Mitglied der G-10-Kommission, die für die Überwachung von Nachrichtendiensten zuständig ist.
Betrogene Anleger: Die SZ (Alexander Hagelüken) führt ein Interview mit dem Anwalt Peter Mattil, der Anleger vertritt, die Opfer eines Betrugs geworden sind. Er gibt Auskunft über das Vorgehen der Finanzinverstoren und kritisiert die langsame Reaktion der deutschen Justiz auf die Betrugsfälle.
VGH Mannheim – Tantra-Massage: Seit Donnerstag streitet vor dem Verwaltungsgerichtshof Mannheim eine Tantramasseurin gegen die Stadt Stuttgart, weil diese ihre Tätigkeit als sexuelle Dienstleistung einstuft und die Entrichtung einer Vergnügungssteuer verlangt. Das Gericht muss nun entscheiden, ob es sich bei der Tätigkeit um ein "gezieltes Einräumen einer sexuellen Handlung" handele; dann müsste die Klägerin die Steuer entrichten. Die SZ (Max Hägler) und die FAZ (Rüdiger Soldt) berichten vom ersten Verhandlungstag.
Recht in der Welt
EuGH zum Informationsrecht: Der Europäische Gerichtshof gab am gestrigen Donnerstag der Europaparlamentarierin Sophie In't Veld Recht, die vom EU-Ministerrat Auskunft über das Bankdatenabkommmen Swift verlangt hatte, meldet die SZ. Der Ministerrat hatte die Auskunft unter Berufung auf den "Schutz internationaler Beziehungen" verweigert, was den Luxemburger Richtern als Begründung einer Gefährdung des öffentlichen Interesses nicht ausreichte. Die Entscheidung könne internationale Verhandlungen zwischen der EU und den USA transparenter machen.
EGMR zu Russland: Wie die taz (Christian Rath) darstellt, hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte Russland wegen einer Ausweisung von mehreren tausend Georgiern im Jahr 2006 verteilt. Russland habe gegen das Verbot von Massenausweisungen ohne Einzelfallprüfung verstoßen, das in einem Zusatzprotokoll der Europäischen Menschenrechtskonvention niedergelegt ist.
EGMR zum Burkaverbot: Vor dem Hintergrund des Urteils des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zum Burkaverbot in Frankreich vergleicht Ursula Rüssmann in ihrem Kommentar in der FR die Rechtslage in Frankreich und Deutschland und kommt zu dem Schluss, dass es ein "so weitreichendes Burkaverbot" hierzulande nicht geben werde. Zudem fordert sie die Abschaffung des Verbots von Kopftüchern im Öffentlichen Dienst, weil es Ausschlüsse schaffe.
Sonstiges
NSA-Untersuchungsausschuss: Vor dem NSA-Untersuchungsausschuss im Bundestag hat der ehemalige Mitarbeiter der NSA William Binney ausgesagt. Die SZ (Stefan Braun), zeit.de (Kai Biermann) und die taz (Konrad Litschko) berichten ausführlich von der Vernehmung. Binney habe dir Behörde wegen der Datensammelwut verlassen und das Vorgehen vor dem Ausschuss scharf kritisiert.
EU-Kommissionspräsident: Professor Christian Joerges und Florian Rödl beschäftigen sich auf verfassungsblog.de mit der Diskussion um die Wahl des EU-Kommissionspräsidenten. Sie bestimmen das Verhältnis der Kommission, des Europäischen Rates und des Parlaments und kritisieren die Auffassung, die demokratische Legitimation der EU könne durch eine Spitzenkandidatur gesteigert werden.
Bewerberdaten: Die Welt (Stephan Maass) geht der Frage nach, welche persönlichen Daten von Bewerbern durch Unternehmen im Bewerbungsprozess eingesetzt werden dürfen. Hierfür werden die Positionen der Anwälte Philipp Byers und Christoph Abeln dargelegt.
Das Letzte zum Schluss
Kind darf nicht Waldmeister heißen: Wie blog.beck.de (Hans-Otto Burschel) meldet, wollten Eltern in Bremen ihrem Kind den Vornamen "Waldmeister" geben, durften es aber nach dem Oberlandesgericht Bremen nicht. Das Wort "Waldmeister" werde als Bezeichnung für eine Pflanze, eine Geschmacksrichtung und einen Beruf verwendet und sei als Name überraschend. Deshalb werde der Name als lächerlich empfunden, die Namensgebung sei als verantwortungslos abzulehnen.
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Am Montag erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/ms
(Hinweis für Journalisten)
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 4. Juli 2014: Mindestlohn beschlossen – NSA überwacht deutschen Studenten – EGMR verurteilt Russland . In: Legal Tribune Online, 04.07.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/12447/ (abgerufen am: 05.05.2024 )
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