Die Verfassungsrichter Peter M. Huber und Peter Müller im FAZ-Doppelinterview. Außerdem in der Presseschau: Gerüchte um ein Scheitern des NPD-Parteiverbots, Affenrechte in Argentinien, Verfassungsschutz-Maßstäbe bei Rechtspopulisten.
Thema des Tages
Peter M. Huber und Peter Müller über Demokratie: Die Montags-FAZ (Reinhard Müller - faz.net-Zusammenfassung) interviewte die beiden konservativen Verfassungsrichter Peter M. Huber und Peter Müller. Beide fordern klare und einfache Kompetenzregeln, damit Bürger wissen, wer verantwortlich ist. Sie äußern sich freundlich über direkte Demokratie, über die EU und über die Zukunft der Nationalstaaten. Mit Blick auf Polen erklärte Huber, "dass autoritäre Umgestaltungen freiheitlicher Verfassungsstaaten ein zivilisatorischer Rückschritt sind und dafür in Europa kein Platz sein kann".
Rechtspolitik
EU-Japan-Freihandel: Die WamS (Andre Tauber - welt.de-Zusammenfassung) macht darauf aufmerksam, dass die Verhandlungen um ein Freihandelsabkommen der EU mit Japan weit fortgeschritten seien, "scheinbar unbemerkt von der Öffentlichkeit". Noch sei der Inhalt des geplanten Vertrags geheim, auch welche Regeln zum Investorenschutz gelten sollen.
Desinformation: Der Rechtsdozent Florian Albrecht kritisiert auf lto.de das vom Bundesinnenministerium vorgeschlagene Zentrum gegen Desinformation: Ein Staat sei nur dann freiheitlich, wenn er keinen Anspruch auf die Festlegung der Wahrheit erhebe.
Justiz
BVerfG – NPD-Verbot: Die Bundesregierung geht in einer internen Einschätzung laut bild.de davon aus, dass das Bundesverfassungsgericht bei seiner Urteilsverkündung am 17. Januar den Antrag des Bundesrats auf ein NPD-Verbot ablehnen werde, weil die NPD in ihrem politischen Wirken und durch ihre ausbleibenden Wahlerfolge "nicht die Schwelle zur Gefährdung überschritten" habe.
BVerfG – Abschiebungen: Das Bundesverfassungsgericht werde Abschiebungen nach Afghanistan wohl nicht generell verbieten, sondern nur ausreichenden fachgerichtlichen Rechtsschutz einfordern. Davon geht die Montags-taz (Christian Rath) aus. Das BVerfG hatte am 14. Dezember die Abschiebung von zwei Afghanen per einstweiliger Anordnung gestoppt.
BVerfG – digitale Pressearchive: Das Bundesverfassungsgericht will im Jahr 2017 entscheiden, ob Straftäter – nach einigen Jahren – verlangen können, dass digitale Pressearchive ihren Namen aus den Original-Artikeln beseitigen müssen. Konkret geht es um Spiegel-Berichte über den Mord auf der Hochsee-Yacht "Apollonia" im Jahr 1981, berichtet die Montags-taz (Christian Rath).
VG Wiesbaden – CDU-Wahl: Das Verwaltungsgericht Wiesbaden hat die Klage eines Anwaltsehepaars, das auch in Bayern die CDU wählen will, als offensichtlich unbegründet abgelehnt. Der Klage gegen den Bundeswahlleiter fehle es an einer Rechtsgrundlage, so lto.de und spiegel.de. Der Bundeswahlleiter führe das Bundeswahlgesetz nur aus und entscheide nicht über dessen Inhalt.
VG Cottbus – Alkoholverbot: Das Verwaltungsgericht Cottbus hat eine Verordnung der Stadt Forst (Lausitz), mit der der öffentliche Alkoholkonsum in bestimmten Straßen verboten wurde, im Eilverfahren trotz gesetzlicher Grundlage als rechtswidrig eingestuft. Den Richtern fehlte laut lto.de der Nachweis einer abstrakten Gefahr.
VG Berlin – Böhmermann-Auskunft: Das Verwaltungsgericht Berlin hat in einem Eilverfahren das Auswärtige Amt verpflichtet, der Zeitung "Tagesspiegel" mitzuteilen, warum es das Erdogan-Schmähgedicht von Jan Böhmermann zunächst als strafbar einschätzte. Böhmermann hatte die Klage unterstützt, berichtet in eigener Sache der Tsp (Jost Müller-Neuhof). Die Bundesregierung hat inzwischen allerdings Rechtsmittel eingelegt.
LG Berlin – Balkonanbau: Ein Mieter muss es dulden, wenn der Vermieter im Rahmen einer Modernisierungsmaßnahme einen Balkon anbaut. Dies hat das Landgericht Berlin laut Montags-Welt bereits im August beschlossen. Es sei dem Mieter auch zuzumuten, dass hierfür die Handwerker drei Wochen lang seine Wohnung betreten.
AG München – Tabledancebar: Eine Tabledancebar, die einem Besucher 1.790 Euro von seiner Kreditkarte abgebucht hatte, muss 1.575 Euro zurückzahlen, berichtet die Samstags-FAZ. Das Amtsgericht München glaubte einem Besucher, der zum ersten Mal in einer derartigen Einrichtung war und sich deshalb genau an die genossenen Getränke und Dienstleistungen erinnerte.
Legal-Tech: Die Samstags-FAZ (Marcus Jung) stellt Legal-Tech-Angebote wie geblitzt.de vor, die online kostenlose Rechtsauskünfte in einfachen Fällen geben. Die Rechtsberatung werde künftig ortsunabhängiger. Auch werde Rechtsberatung im Abo zu einer Option. Bei Wirtschaftskanzleien werde zukünftig erwartet, dass sie für einfachere Arbeiten technische Lösungen nutzten – und dafür keine dreistelligen Stundensätze mehr abrechneten.
Recht in der Welt
Belgien – Abschiebung nach Deutschland: Der belgische nationale Rat für Ausländerstreitsachen hat die Abschiebung einer Afghanin und ihrer fünf Kinder nach Deutschland untersagt. Es sei nicht ausreichend sichergestellt, dass die Familie hier eine menschenwürdige Unterbringung erhalte, meldet die Samstags-SZ. Die Frau hatte zunächst in Deutschland einen Asylantrag gestellt.
Türkei – Verfassungsentwurf: Die Rechtsprofessorin İştar Gözaydın und der wissenschaftliche Mitarbeiter Ahmet Erdi Öztürk stellen auf verfassungsblog.de den von AKP und MHP eingebrachten Entwurf einer neuen türkischen Verfassung vor, die vor allem die Rechte des Präsidenten stärken soll. Der Entwurf erinnere an die erste türkische Verfassung von 1876, als der Sultan noch die zentrale Stellung innehatte.
Schweiz – Menschenhandel: Die Montags-SZ (Charlotte Theile) berichtet über Menschenhandelsermittlungen im Schweizer Kanton Solothurn. Dort würden die Zeuginnen nicht von der Polizei, sondern ausschließlich von Staatsanwälten befragt, was zu konkreteren Aussagen führe. Daraufhin seien die Beschuldigten oft zu Geständnissen bereit, was Deal-artige, verkürzte Verfahren ermögliche und den Zeuginnen neue Aussagen vor Gericht erspare.
Chile – Colonia Dignidad: Der oberste chilenische Gerichtshof hat die drei Deutschen Kurt Schnellenkamp, Gerhard Mücke und Karl van den Berg wegen ihrer Führungsrolle in der Sektensiedlung Colonia Dignidad zu Freiheitstrafen von je fünf Jahren verurteilt. Die Sekte wurde dabei als kriminelle Vereinigung eingestuft, so spiegel.de.
Argentinien – Affenrechte: Die Rechtswissenschaftlerin Saskia Stucki stellt auf verfassungsblog.de die Entscheidung eines argentinischen Richters vor, der zum ersten Mal in der Rechtsgeschichte einem Menschenaffen – der Schimpansin Cecilia – Grundrechte zubilligte. Bisherige Habeas-Corpus-Klagen seien stets gescheitert.
Brasilien – Korruption: Die Montags-FAZ (David Klaubert) stellt ausführlich den Richter Sérgio Moro und seine zentrale Rolle im brasilianischen Petrobas-Korruptions-Skandal vor.
USA – Begnadigung und Strafrecht: Kein US-Präsident der jüngsten Zeit habe so viele Häftlinge begnadigt wie Barack Obama, berichtet die FAS (Patrick Bahners). Allerdings sei dies nur Symbolik, weil die von Obama angestrebte Korrektur des überharten und im Ergebnis rassistischen Strafrechts nicht gelungen sei.
USA – Rollstuhlfahrer: Der Fahrer eines Elektrorollstuhls kann nicht wegen Trunkenheit am Steuer verurteilt werden, entschied ein US-Berufungsgericht in Oregon. Rechtlich sei der Fahrer als Fußgänger einzustufen, weshalb für ihn kein Alkoholverbote gelte, so spiegel.de.
Sonstiges
Verfassungsschutz und Rechtspopulismus: Im Interview mit der Montags-taz (Christian Rath) erklärt die Präsidentin des Stuttgarter Landesamts für Verfassungsschutz, Beate Bube, nach welchen Maßstäben eine rechtspopulistische Partei oder Bewegung zum Beobachtungsobjekt erklärt wird.
Ausländerkriminalität: Ein BKA-Bericht, den das Innenministerium in dieser Woche vorstellen will, stellt fest, dass die Ausländerkriminalität vom 1. Quartal 2016 zum 3. Quartal 2016 um 23 Prozent zurückgegangen ist. Es berichten die Samstags-SZ und spiegel.de.
Facebook-Fahndung: Der Fahndungsaufruf der Hamburger Polizei bezüglich des IS-Attentäters Anis Amri konnte erst mit zwölfstündiger Verspätung über Facebook verbreitet werden, weil Hamburgs Justizsenator Till Steffen (Grüne) erst eine Sondergenehmigung erteilen musste, berichtet die Samstags-FAZ (Frank Pergande). Steffen sei skeptisch gegenüber der Zusammenarbeit mit Facebook, weil dort Hasskommentare und Lynch-Aufrufe zu langsam gelöscht würden.
Videoüberwachung und Auswertung: Die FAS (Morten Freidel) stellt eine britische Sondereinheit aus "Super-Recognisern" vor, die besonderes Talent im (Wieder-) Erkennen von Gesichtern haben, was insbesondere bei der Auswertung von Bildern aus Videokameras genutzt werde.
Abmahn-Beantworter: Die Anwältin Beata Hubrig erläutert im Interview mit netzpolitik.org (Ingo Dachwitz) ihren Abmahnbeantworter. Zunächst sei er nur ein Werkzeug gewesen, um ohne Anwalt alle relevanten Fakten für ein erstes Zurückweisen einer unberechtigten Forderung an die Abmahnkanzlei zu kommunizieren. Wenn aber die erhobene Forderung von der Abmahnkanzlei binnen der gesetzten Frist nicht zurückgenommen werde, solle der Betroffene einen Anwalt beauftragten, der nun seinerseits gegen die Abmahnkanzlei vorgeht und dort seine Kosten in Rechnung stellt.
Das Letzte zum Schluss
Vogelspinne: Ein Mann aus Braunschweig schenkte seiner Freundin zu Weihnachten eine Vogelspinne. Das führte zu Streit. Am Ende warf die Frau die Vogelspinne nach ihm. Er holte die Polizei, die die Spinne einfing und ins Tierheim brachte. Nach Auskunft der Polizei hätte sich die Frau nur strafbar gemacht, wenn der Spinne etwas passiert wäre, meldet die Montags-FAZ.
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Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/chr
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 31. Dezember 2016 bis 2. Januar 2017: Verfassungsrichter über Demokratie / Scheitert NPD-Verbot? / Verfassungsschutz und Rechtspopulismus . In: Legal Tribune Online, 02.01.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/21679/ (abgerufen am: 26.04.2024 )
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