Der EGMR sieht die Privatsphäre von Günther Jauch durch die Veröffentlichung von Hochzeitsfotos nicht verletzt. Außerdem in der Presseschau: Debatte um eine Wachpolizei und Bundesanwaltschaft fordert lebenslänglich für Reker-Attentäter.
Thema des Tages
EGMR zu Günther Jauch: Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat eine Klage von Günther Jauch als offensichtlich unbegründet abgewiesen, berichtet unter anderem der Tsp (Jost-Müller-Neuhof). Der Fernsehmoderator hatte Schmerzensgeld wegen der Veröffentlichung von Hochzeitsfotos durch die "Bunte" verlangt und war damit vor den nationalen Gerichten gescheitert. Dabei sei sorgfältig zwischen Privatsphäre und Pressefreiheit abgewogen worden, so der EGMR.
Wolfgang Janisch (SZ) begrüßt die Entscheidung. Sie zeuge von gewachsener Zurückhaltung gegenüber der deutschen Justiz, öffne aber nicht die Schleusen für Berichte aus dem Privatleben von Prominenten.
Rechtspolitik
"Sichere Herkunftsstaaten": Der Bundesrat wird laut spiegel.de (Jan Friedmann/Annett Meiritz) seine Entscheidung über die Einstufung von Algerien, Marokko und Tunesien als "sichere Herkunftsstaaten" vertagen. Zuvor hatte die Bundesregierung erfolglos mit den Landesregierungen verhandelt, um eine Mehrheit im Bundesrat zu erreichen. Wie das Hbl (Heike Anger) berichtet, sind sich auch Juristenverbände uneins über die Reform. Während der Bund Deutscher Verwaltungsrichter die Änderung als Entlastung des Justizwesens würdigt, ruft der Deutsche Anwaltverein den Bundesrat dazu auf, dem Gesetz die Zustimmung zu verweigern.
Sexualstrafrecht: Nach einem Bericht der SZ (Constanze von Bullion) haben sich die Regierungsfraktionen auf eine Verschärfung des Sexualstrafrechts nach dem Motto "Nein heißt Nein" geeinigt. Danach soll zukünftig die erkennbare Ablehnung von sexuellen Handlungen für eine Strafbarkeit ausreichen.
Hilfspolizisten: Bundesinnenminister Thomas de Maizière schlägt vor, dass die Länder nach säschsischem Vorbild eine Wachpolizie einführen, mit Kräften, die über eine Kurzausbildung verfügen und begrenzte Befugnisse haben, aber Uniform und Waffe tragen. spiegel.de (Britta Kollenbroich) beleuchtet den Vorschlag und erläutert, wo bereits jetzt Hilfspolizisten eingesetzt werden und welche Befugnisse sie haben.
Heribert Prantl (SZ) kritisiert an dem Vorschlag, dass das staatliche Gewaltmonopol "verramscht" werde und schlägt zehn Punkte gegen Wohnungseinbrüche vor. Unter anderem solle das Bauordnungsrecht auch für Einbruchsschutz zuständig sein. Reinhard Müller (FAZ) warnt hingegen vor einer vorschnellen Ablehnung des Vorschlags.
Kameras im Gerichtssaal: Die studentische Hilfskraft Danya He beschäftigt sich auf lhr-law.de mit der Bildberichterstattung aus Gerichtssälen. Dabei geht sie auf die geltende Rechtslage, die geplanten Änderungen sowie die Argumente für und gegen laufende Kameras in Gerichtssälen ein.
Liberale Prinzipien: Rechtsprofessor Daniel Zimmer stellt in der FAZ "fünf Prinzipien für gute Politik" vor. Die nicht als abschließend zu verstehende Liste beinhaltet die Vertragsfreiheit, Anreizkompatibilität, Eigenverantwortung, Wettbewerb und die Subsidiarität staatlicher Wirtschaftstätigkeit. Eine Prinzipienorientierung der Politik könne einen Schutz vor willkürlichem Handeln und vor einer Überforderung des Staates bieten.
Justiz
OLG Düsseldorf – Reker-Attentat: Die Bundesanwaltschaft fordert für Frank S., der Henriette Reker vor ihrer Wahl zur Kölner Oberbürgermeisterin niedergestochen hat, lebenslange Freiheitsstrafe. Die SZ (Annette Ramelsberger) schildert in einer Reportage, wie sich der Täter vor Gericht als Opfer inszeniert. lawblog.de (Udo Vetter) setzt sich mit der hohen Strafforderung auseinander. Lebenslange Freiheitsstrafe sei zwar nach dem Gesetz auch beim bloßen Versuch des Mordes möglich, jedoch "übertrieben ambitioniert".
OLG München – TKP/ML: Am heutigen Freitag beginnt am Oberlandesgericht München ein Prozess gegen zehn mutmaßliche Unterstützer der "Kommunistische Partei der Türkei/Marxistisch-Leninistisch (TKP/ML)", die von der Bundesregierung als Terrororganisation eingestuft wurde. Die Verteidigung spricht gegenüber der SZ (Annette Ramelsberger) von einer "Auftragsarbeit für Erdoğan".
OLG München – NSU: Vor dem Oberlandesgericht München ist ein V-Mann-Führer des Verfassungsschutzes vernommen worden. Dabei ging es unter anderem um ein Grußwort an den NSU, das 2002 in einer rechten Postille veröffentlicht wurde. Die Nebenklagevertreter folgern daraus, dass der Verfassungsschutz schon 2002 von der Existenz der Gruppe gewusst haben muss, und beantragten die Ladung von zwei weiteren Zeugen sowie die Beiziehung von Unterlagen des Verfassungsschutzes. spiegel.de (Wiebke Ramm) berichtet.
LG Frankfurt – Teufelsaustreibung: Die Frankfurter Staatsanwaltschaft hat laut FR (Hanning Voigts) Anklage gegen fünf Personen erhoben, denen vorgeworfen wird, bei einer Teufelsaustreibung eine 41-jährige Südkoreanerin gequält und getötet zu haben. Die Angeklagten, die alle mit dem Opfer verwandt sind, müssen sich nun vor dem Frankfurter Landgericht behaupten.
AG Augsburg – Ursula Hermann: Vor dem Amtsgericht Augsburg wird möglicherweise der Fall der vor 35 Jahren getötet Ursula Hermann neu aufgerollt. Ursula Hermann war vor 35 Jahren entführt und getötet worden. 27 Jahre später wurde ein Verdächtiger festgenommen und vom Landgericht Augsburg verurteilt. Der Bruder der Verstorbenen zweifelt jedoch an dessen Alleintäterschaft und will in einem zivilrechtlichen Verfahren um Schmerzensgeld für einen erlittenen Tinnitus den Fall neu aufrollen. Die taz (Dominik Baur) bringt eine Reportage vom ersten Prozesstag. Auch Karin Truscheit (FAZ) schildert den Fall.
VG Hamburg zu Flüchtlingsunterkunft: Der Bau eines umstrittenen Flüchtlingswohnheims im Hamburger Nobelviertel Blankenese ist vorerst durch das Verwaltungsgericht Hamburg gestoppt worden, wie spiegel.de (Michaela Schießl) berichtet. Die Stadt habe die Baugenehmigung ohne Umweltverträglichkeitsgutachten erteilt. Dies stelle einen beachtlichen Verfahrensfehler dar, so das Gericht.
VG Gelsenkirchen zu Abschiebung: Ein ehemaliger Leibwächter von Osama Bin Laden darf nicht nach Tunesien abgeschoben werden, weil ihm dort Folter droht. Das hat das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen entschieden, wie die Welt meldet. Zuvor hatte das Oberverwaltungsgericht Münster festgestellt, dass von dem Mann eine "akute erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit" ausgehe.
ArbG Berlin – Günther Lachmann: Die Tageszeitung "Welt" hat sich vor dem Berliner Arbeitsgericht mit ihrem gekündigten Redakteur Günther Lachmann auf eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses geeinigt. Die Welt hatte Lachmann gekündigt, nachdem bekannt geworden war, dass der Journalist der AfD Konzeptpapiere angeboten hat. Ob Lachmann eine Bezahlung gefordert hatte, konnte vor Gericht nicht geklärt werden. Der Tsp (Jost Müller-Neuhof) schildert den Fall.
Recht in der Welt
USA – VW-Abgasskandal: Ein US-Richter hat VW eine Woche Aufschub gewährt, um einen Kompromissvorschlag für die Entschädigung von Autobesitzern vorzulegen. Die Entscheidung wird unter anderem mit den "schwierigen technischen Problemen" begründet, die bei einer Einigung zu bewältigen seien, schreibt spiegel.de.
China – Diskriminierendes Schulbuch: Ein Gericht in Peking hat die Klage einer lesbischen Studentin angenommen, die sich gegen ein Schulbuch wehrt, in dem Homosexualität als "psychische Störung" dargestellt wird, meldet die FAZ (Petra Kolonko).
Großbritannien – Brexit: Der Rechtsprofessor Neil Walker befasst sich in einem englischsprachigen Beitrag auf verfassungsblog.de mit dem anstehenden Referendum über den Austritt Großbritanniens aus der EU. Die Reduzierung des Themas auf eine "Ja-oder-Nein"-Frage hält er für unangemessen.
Rechtsprofessor Mark Dawson bezweifelt in einem Gastbeitrag für zeit.de, dass die Abstimmung den Konflikt beilegen werde. Stattdessen sieht er ein "Neverendum".
Werner Mussler (FAZ) erläutert, welche Konsequenzen ein Votum der Briten für einen Verbleib in der EU auf die Unionsgesetzgebung hätte. Premierminister David Cameron hatte mit dem Rest der Union zahlreiche Zugeständnisse ausgehandelt.
Österreich – Wahlanfechtung: Ab kommenden Montag verhandelt der österreichische Verfassungsgerichtshof über die Anfechtung der Präsidentenwahl durch die FPÖ. Verfassungsrechtler räumen der Klage gewisse Erfolgsaussichten ein, schreibt spiegel.de (Björn Hengst).
Sonstiges
BND: lto.de (Pia Lorenz) spricht mit Rechtsanwalt und Honorarprofessor Niko Härting über Auskunftsansprüche gegenüber dem BND und eine wirksame Kontrolle des Geheimdienstes.
Mindestlohn für Lkw-Fahrer: Die EU-Kommission hat Deutschland erneut aufgefordert, die Anwendung des Mindestlohns auf Fahrer, die Deutschland nur durchqueren, zu rechtfertigen. Sie verzichtet damit zunächst darauf, Deutschland vor dem Europäischen Gerichtshof zu verklagen, meldet die FAZ (Manfred Schäfers).
Das Letzte zum Schluss
Rechenfehler: Wegen eines Rechenfehlers hat der BGH ein Urteil des Kölner Landgerichts aufgehoben. Das Gericht hatte einen Mann wegen Mordes und Totschlags zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt, anschließend jedoch das Urteil nicht rechtzeitig mit Unterschrift und Stempel den Akten zugeführt. Grund für die Fristversäumung war ein Rechenfehler der zuständigen Kammer, schreibt die FAZ.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Am Montag erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/dw
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 17. Juni 2016: EGMR zu Jauch / de Maizière für Hilfspolizisten / Lebenslänglich für Reker-Attentat? . In: Legal Tribune Online, 17.06.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/19697/ (abgerufen am: 27.04.2024 )
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