Die Organklage der NPD gegen Bundesfamilienministerin Schwesig ist unbegründet. Außerdem in der Presseschau: das umstrittene Mautgesetz soll heute beschlossen werden, BSG zum Opferentschädigungsanspruch, Strafanzeigen wegen CIA-Folter, Chinas Anwälte fürchten die neue Strafreform, und eine homogene Anwaltschaft. Oder etwa nicht?
Thema des Tages
BVerfG - Organklage gegen Schwesig: Die Organklage der NPD gegen die Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) wurde am gestrigen Dienstag vom Bundesverfassungsgericht als unbegründet zurückgewiesen. Die NPD monierte die Aussage: "Ziel Nummer 1 muss sein, dass die NPD nicht in den Landtag kommt." Aus Sicht der NPD verstieß die Ministerin damit gegen das Neutralitätsgebot. Die Partei sah sich in ihrem Recht auf Chancengleichheit aus Artikel 21 Grundgesetz verletzt. Die Verfassungsrichter hingegen sind der Ansicht, die Bundesfamilienministerin habe in diesem konkreten Fall nicht die Autorität ihres Regierungsamts in Anspruch genommen. Es handele sich um eine Aussage im politischen Meinungskampf als Parteipolitikerin der SPD. Daher liege kein Verstoß gegen das Neutralitätsgebot und keine Verletzung des Rechts auf Chancengleichheit vor. Dies berichten der Tagesspiegel (Ursula Knapp), die taz (Christian Rath) und die FAZ (Helene Bubrowski). Auch die SZ (Wolfgang Janisch) setzt sich mit dem Urteil auseinander und sucht Antworten auf die Frage, wann ein Minister als Parteipolitiker und wann als Regierungsvertreter auftritt.
Christian Bommarius (BerlZ) hält die Aussage Schwesigs für "aller Ehren wert". Er begrüßt das Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Wolfgang Janisch (SZ) heißt es gut, dass das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil auch daran erinnert, dass Abgeordnete, welche ausdrücklich als Regierungsmitglied auftreten, sich an das Neutralitätsgebot zu halten haben. Verstießen sie gegen diese Pflicht, könnten weitere Klagen in Karlsruhe zu erwarten sein. Reinhard Müller (FAZ) befürwortet das Urteil, moniert jedoch praktische Schwierigkeiten bei der geforderten strikten Trennung von Wahlkampf und der Inanspruchnahme von Amtsautorität.
Rechtspolitik
Mautgesetz: Am heutigen Mittwoch soll der Gesetzentwurf zur Maut beschlossen werden. Es sei noch ein Passus gestrichen worden, welcher, laut SPD, eine Mehrbelastung für deutsche Autofahrer ermöglicht hätte. Dies berichtet zeit.de und weist darauf hin, dass die SPD weiterhin der Ansicht ist, der geplante Entwurf verstoße gegen EU-Recht. Auch die FAZ (Kerstin Schwenn) informiert über die Maut und etwaige Mehrbelastungen deutscher Pkw-Fahrer.
Bundesverkehrminister Alexander Dobrindt (CSU) reagiert auf den Brief der EU-Verkehrskommissarin Violeta Bulc, in welchem diese die EU-Rechtswidrigkeit des geplanten Mautgesetzes beanstandete. Ein Kurzgutachten des Staatsrechtlers Christian Hillhuber widerlege einen Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot. Darüber informiert jetzt auch die SZ (Daniela Kuhr).
Dokumentationspflicht bei Mindestlohn: Am heutigen Mittwoch soll eine Verordnung zur Dokumentationspflicht beim Mindestlohn beschlossen werden. Arbeitgeber sollen künftig Beginn und Ende der Arbeitszeit von allen Arbeitnehmern, welche bis zu 2.958 Euro verdienen, dokumentieren. Der Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände Ingo Kramer halte diese Grenze für zu hoch, da sie mit einer durch den Mindestlohn vergüteten Arbeit nicht zu erreichen sei. Dies berichtet die SZ (Thomas Öchsner).
Datenschutz: Schützt das bestehende Recht unsere Daten ausreichend? Mit dieser Frage beschäftigt sich die SZ (Karl-Heinz Büschemann) und präsentiert die Problemstellung sowie verschiedene Rechtsauffassungen. So ist der Anwalt Ulrich Baumgartner der Ansicht, das heutige Datenschutzrecht gehe an der Realität vorbei. Die Professorin für Informationsrecht Indra Spieker genannt Döhmann hingegen hält die bestehenden Regelungen gegen den Missbrauch von Daten für adäquat, es gebe vielmehr "ein starkes Vollzugsdefizit".
Justiz
BSG zu Opferentschädigung: Eine Bankangestellte leidet nach einem bewaffneten Überfall an Angstzuständen. Das Bundessozialgericht entschied nun, dass sie keinen Anspruch auf Opferentschädigung wegen der psychischen Folgen habe. Das Gericht sei der Ansicht, die "bloße Drohung mit einer, wenn auch erheblichen, Gewaltanwendung oder Schädigung" sei noch kein tätlicher Angriff und legitimiere daher noch keinen Opferentschädigungsanspruch. Dies meldet spiegel.de.
LG München II zu Hoeneß-Erpresser: Der Erpresser von Uli Hoeneß, "Mister X", wurde am gestrigen Dienstag vom Landgericht München II zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten wegen versuchter Erpressung verurteilt. Er hatte Hoeneß mit der Drohung eines "unruhigen Haftverlaufs" zur Zahlung von 215.000 Euro nötigen wollen. Aufgrund des Geständnisses vom Montag bestehe "kein Zweifel an der Täterschaft des Angeklagten". Dies melden spiegel.de und die Welt.
BVerfG - Erbschaftsteuer: Am heutigen Mittwoch wird das Bundesverfassungsgericht darüber entscheiden, ob Erben und Beschenkte von Unternehmensvermögen durch Steuerbefreiungen privilegiert werden dürfen. Es sei zu erwarten, dass die Richter die Regelung zumindest teilweise als verfassungswidrig einstufen. Das Gesetz sei dann zu korrigieren. Mit dem zu erwartenden Urteil und dem zugrundeliegenden Problem befassen sich die FAZ (Manfred Schäfers) und die SZ (Mbe). Die Parlamentskorrespondentin Donata Riedel bezieht für das Handelsblatt Position und hofft auf strikte Vorgaben aus Karlsruhe.
BGH - Buchungsgebühren: Der Bundesgerichshof wird darüber entscheiden, ob Banken für Barein- und auszahlungen Gebühren verlangen dürfen. Am gestrigen Dienstag gab es eine abschließende Verhandlung, das Urteil sei am 27. Januar 2015 zu erwarten. Ursprünglich geklagt hatte die Schutzgemeinschaft für Bankkunden gegen die Vereinigten Raiffeisenbanken Gräfenberg Forchheim in Mittelfranken. Die Beklagten berechneten 35 Cent für jede Barein- und auszahlung. Es wird erwartet, dass dem Urteil eine grundsätzliche Bedeutung für Bankgebühren im Allgemeinen zukommt. Die SZ (Harald Freiberger) befasst sich zudem mit der Auslegung der EU-Zahlungsdienstrichtlinie und der – aus Verbrauchersicht kritischen – Gebührenpraxis der Banken.
OLG München - NSU: Am gestrigen Dienstag wurde der Zeuge Michael P. im NSU-Prozess vernommen. Der Fokus lag dabei auf dem Netzwerk "Blood and Honour", welches wohl von ihm und seiner Freundin Antje B. unterstützt wurde. Das Netzwerk steht unter dem Verdacht Geld für das NSU-Trio gesammelt zu haben. Antje B. habe, laut dem Zeugen, eine untergeordnete Rolle gespielt. Der Angeklagte Wohlleben bleibe weiterhin in Untersuchungshaft. Das berichtet spiegel.de (Gisela Friedrichsen).
Laut der taz wird das Verfahren länger dauern als geplant. Der Prozess werde sich wohl bis ins Jahr 2016 ziehen.
LG Lüneburg - SS-Wachmann: Das Landgericht Lüneburg hat eine Anklage gegen den früheren SS-Wachmann Oskar G. zugelassen, so die taz (Andreas Speit). Der Angeklagte solle in mindestens 300.000 Fällen Beihilfe zum Mord geleistet haben. Er habe "die Spuren der Massentötung für nachfolgende Häftlinge verwischt". Der Prozess werde im Frühjahr 2015 beginnen.
StA Frankfurt - Merowe-Staudamm: Die taz (Hannes Koch) informiert über die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Frankfurt gegen die Verantwortlichen des Ingenieurkonzerns Lahmeyer. Ihnen wird die Herbeiführung einer Überschwemmung vorgeworfen. Das Bauunternehmen habe im Jahre 2008 den sudanesischen Merowe-Staudamm geschlossen, was zur Überschwemmung mehrerer Felder und Dörfer geführt habe. Infolgedessen mussten circa 4.700 Bauernfamilien ihr Land ohne einen Großteil ihres Eigentums verlassen. Das Europäische Zentrum für Verfassungs- und Menschenrechte hatte 2010 Anzeige gegen die Verantwortlichen erstattet.
AG Dresden - Ramelow: Das Amtsgericht Dresden hatte am 3. Dezember die Aufhebung der Immunität des neuen Ministerpräsidenten in Thüringen Bodo Ramelow (Die Linke) beantragt. Der wissenschaftliche Mitarbeiter Christoph Smets erläutert für lto.de, weshalb die Vorwürfe eines absurden "Verfolgungsdrangs" gegen die Justiz in Dresden unbegründet sind.
Rentenversicherung für Syndizi: Rechtsanwalt Jochen Leßmann erläutert für das Handelsblatt-Rechtsboard jetzt auch die Mitteilung der Deutschen Rentenversicherung zur Versicherungspflicht für Syndizi und geht dabei auch auf die zugrunde liegenden Urteile des Bundessozialgerichts ein. Er schildert die "dem Rechtsfrieden dienende Lösung" der DRV.
Strafanzeigen gegen CIA-Mitarbeiter: spiegel.de (vek/sev) liegt ein Brief von Gregor Gysi (Die Linke) an den Generalbundesanwalt Harald Range vor, in welchem der Abgeordnete Strafanzeigen gegen CIA-Mitarbeiter, Politiker und unbekannt wegen der Foltervorwürfe stellt. Die Anzeigen richteten sich unter anderem gegen George W. Bush, den früheren US-Vizepräsideten Dick Cheney und gegen den Ex-CIA-Chef George Tenet. Range sei nach wie vor bei der Prüfung des CIA-Berichts, so ein Sprecher des Bundesjustizministeriums. Dies meldet auch die SZ.
Recht in der Welt
USA - Diren Dede: Am gestrigen Dienstag wurden die Schlussplädoyers im Strafprozess gegen Markus Kaarma abgeschlossen. Dieser hat im April den Austauschschüler Diren Dede in seiner Garage erschossen. Die Staatsanwaltschaft wirft Kaarma vorsätzliche Tötung vor. Laut der Verteidigung habe der Angeklagte aus Notwehr gehandelt. Die Entscheidung der Geschworenen werde nun erwartet. Dies meldet spiegel.de.
Österreich - BayernLB: Die Bayrische Landesbank hat den Schadensersatzprozess wegen arglistiger Täuschung gegen die Hypo Alpe Adria verloren. Dies entschied das Handelsgericht Wien. Die BayernLB sei zwar getäuscht worden, die Täuschung sei jedoch nicht kausal für den Kauf der Kärntner Bank gewesen. Von dem Verfahren berichtet die SZ (OK).
Türkei - Anklage gegen Fußballfans: Bei den regierungskritischen Gezi-Protesten im Sommer 2013 sollen 35 Mitglieder des Fanklubs "Carsi" versucht haben, die Regierung zu stürzen. Deswegen erhob die Staatsanwaltschaft in Istanbul am gestrigen Dienstag Anklage und fordert wohl lebenslange Haftstrafen. Die Verteidigung ist der Ansicht, der Prozess diene dazu, Kritiker zum Schweigen zu bringen. Dies berichten die SZ (Christiane Schlötzer) und zeit.de.
China - Strafreform: In China sollen Anwälte künftig mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren bestraft werden können, wenn diese "das Gericht oder Gerichtsangestellte beleidigen, bedrohen oder diffamieren, die Ordnung bei Gericht ernstlich stören oder "durch öffentliche Versammlungen das Gericht herausfordern". Einen entsprechenden Entwurf beschloss der Nationale Volkskongress. Die geplante Strafreform, entsprechende Kritik und den Status des chinesischen Anwalts stellt die FAZ (Petra Kolonko) dar.
Belgien - Personenfreizügigkeit in der Schweiz: Die EU-Außenminister schlossen am gestrigen Dienstag eine Verhandlung über die bilateralen Verträge zur Personenfreizügigkeit mit der Schweiz aus. Als Grundprinzip der EU sei diese nicht zu beschränken. Die Schweizer hatten sich im Februar in einem Volksentscheid gegen "Masseneinwanderung" ausgesprochen. Darüber informiert die FAZ (Werner Mussler/Johannes Ritter).
Frankreich - Laizität: Das Verwaltungsgericht Nantes verbot das Aufstellen einer Krippe im Amtsgebäude des Départementrates der Vendée. In öffentlichen Einrichtungen seien religiöse Bekenntnisse grundsätzlich wegen des geltenden Laizitätgebots in Frankreich verboten. Die FAZ (Michaela Wiegel) berichtet jetzt auch über die dadurch ausgelöste Debatte.
Das Letzte zum Schluss
Der Feld-Wald-und-Wiesenanwalt: Nach Ansicht der Bundesrechtsanwaltskammer ist die Anwaltschaft homogen. Etwas anders sieht das der Anwalt Christoph Nebgen und schreibt eine witzige Liste der verschiedenen Anwaltstypen: Staranwälte, Feld-Wald-und-Wiesenanwälte, den Provinzfürsten...
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Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/vb
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 17. Dezember 2014: NPD scheitert mit Organklage – BVerfG und Erbschaftsteuer – Strafanzeigen gegen CIA-Mitarbeiter . In: Legal Tribune Online, 17.12.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/14132/ (abgerufen am: 02.05.2024 )
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