Bettina Limperg, Präsidentin des BGH, befürwortet im FAZ-Interview die Vorratsdatenspeicherung und sieht Schiedsgerichte und Leihmutterschaft kritisch. Außerdem in der Presseschau: Strafzumessungskatalog erweitert, BGH-Urteile zu Schönheitsreparaturklauseln, BGH untersagt Drohung mit Schufa und ein Urheberstreit um mystische Eingebungen.
Thema des Tages
Interview mit BGH-Präsidentin: Bettina Limperg gibt der FAZ (Helene Bubrowski/Reinhard Müller, faz.de-Zusammenfassung) das erste größere Interview seit ihrer Ernennung zur Präsidentin des Bundesgerichtshofs im Juli vergangenen Jahres. Darin befürwortet sie grundsätzlich die Vorratsdatenspeicherung; es stehe außer Frage, dass Polizei, Verfassungsschutz und Justiz Daten zur Aufklärung von Straftaten benötigen. Daneben kritisiert sie die Ausweitung von privater Schiedsgerichtbarkeit; der Gesetzgeber müsse hier "die Flucht vor staatlicher Gerichtsbarkeit einhegen". Auch die Umgehung des deutschen Verbots der Leihmutterschaft stößt auf Kritik der BGH-Richterin. Sie hält "Verträge über den Körper einer dritten Person" und insbesondere ihre Entgeltlichkeit für problematisch. Weitere Themen des Interviews sind die Wahl der ersten Teilzeit-Richterin zum BGH, die richterliche Besoldung und der mediale Einfluss auf die Justiz.
Rechtspolitik
Reformen nach NSU-Skandal: Am gestrigen Donnerstag hat der Bundestag das Gesetz zur Umsetzung von Empfehlungen des NSU-Untersuchungsausschusses verabschiedet. Wie die taz (Christian Rath) erläutert wird der Generalbundesanwalt bei länderübergreifenden Straftaten künftig leichter die Ermittlungen an sich ziehen können. Zudem werden rassistische, fremdenfeindliche und sonstige menschenverachtende Beweggründe ausdrücklich in den Katalog der Strafzumessungsumstände aufgenommen. Neben weiteren Maßnahmen zur Umsetzung der Empfehlungen des NSU-Ausschusses will Innenminister Thomas Maizière (CDU) kommenden Mittwoch einen Gesetzentwurf zur besseren Kontrolle von V-Leuten und zur Stärkung des Bundesamtes für Verfassungsschutz vorstellen, berichtet zeit.de (Lisa Caspari).
Bund-Länder-Finanzausgleich: Zur Neujustierung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen hat der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Gründe) am gestrigen Donnerstag einen Kompromissvorschlag vorgestellt. Danach soll der Soli nicht abgeschmolzen, sondern in die Einkommen- und Körperschaftsteuer einbezogen und die Länder etwa zur Hälfte an den Einnahmen beteiligt werden. Weiter enthalte der Entwurf Vorschläge zur Entflechtung und zum Abbau der kalten Progression, stellen die FAZ (Kerstin Schwenn) und die taz (Ulrich Schulte) dar.
Erbschaftsteuerreform: Laut Handelsblatt (Daniel Delhaes/Donata Riedel) wird der Entwurf von Wolfgang Schäuble (CDU) zur Erbschaftsteuerreform parteiintern kritisiert. Die geplante Bedürfnisprüfung für Unternehmen bei einem Erbe von 20 Millionen Euro und die Einbeziehung von Privatvermögen der Erben gehe dem Wirtschaftsflügel der CDU zu weit. Der Parlamentskreis Mittelstand der Unionsfraktion habe einen eigenen Entwurf ausgearbeitet. Danach sollen Kleinunternehmen nach der Zahl der Mitarbeiter einbezogen und das Privatvermögen der Erben außer Acht gelassen werden.
Justiz
BGH zu Schönheitsreparaturen: Die drei Urteile des Bundesgerichtshofs zu Schönheitsreparaturklauseln von diesem Mittwoch werden in den Medien besprochen. Zum einen kann der Mieter einer unrenovierten Wohnung nicht mehr klauselmäßig zur Renovierung verpflichtet werden. Zum anderen erklärte der BGH die Quotenabgeltungsklauseln für unwirksam, stellt der Tagesspiegel (Ursula Knapp) zusammen. Rechtsanwalt Dominik Schüller erläutert auf lto.de die Rechtslage, die bisherige Rechtsprechung zu Schönheitsreparaturklauseln und gibt einen Ausblick auf mögliche weitere Streitigkeiten rund um die Klauseln. Wolfgang Janisch (SZ) begrüßt, dass der BGH von seiner bisherigen Rechtsprechung zu den Quotenabgeltungsklauseln abgerückt ist, es sei "folgerichtig, dass der BGH diesen Klauselmonstern, die aus seiner eigenen Rechtsprechung geboren wurden, nun den Garaus gemacht hat."
BGH zu Schufa-Hinweis: Mahnt ein Schuldner seinen Gläubiger, darf er dabei nicht den Hinweis verwenden, er sei verpflichtet die unbestrittene Forderung der Schufa mitzuteilen. Das hatte Vodafone in Mahnungen an seine säumigen Kunden geschrieben und damit die Kunden in wettbewerbswidriger Weise unter Druck gesetzt, entschied der Bundesgerichtshof am gestrigen Donnerstag. Das meldet lto.de.
BAG zu Azubihaftung: Wie lto.de berichtet, hat das Bundesarbeitsgericht vergangenen Dienstag entschieden, dass Auszubildende nach denselben Voraussetzungen für Schädigungen an Kollegen haften, wie gewöhnliche Mitarbeiter – eine Berücksichtigung des jüngeren Alters findet nicht statt. Im konkreten Fall verneinte das BAG den Haftungsausschluss für einen Lehrling, der einen anderen durch den Wurf eines Autoreifens verletzt hatte.
OLG München – NSU: spiegel.de (Björn Hengst) berichtet von der gestrigen Verhandlung im NSU-Prozess vor dem Oberlandesgericht München. Zwei ehemalige Nachbarinnen von Beate Zschäpe seien vernommen worden und bestätigten mit ihrer Aussage die Argumentation der Anklage, Zschäpe sei dafür zuständig gewesen, der Terrorzelle nach Außen hin den Anschein eines bürgerlichen Lebens zu verleihen.
Entschädigung für NS-Verbrechen: Die FAZ (Reinhard Müller) befasst sich mit der Frage, ob Opfer von NS-Verbrechen heute noch Ansprüche auf Entschädigung gegen die Bundesrepublik geltend machen können. Der Autor erläutert die Rechtslage anhand der Klagen von Opfern des Distomo-Massakers, die sowohl vor deutschen Gerichten, als auch vor dem Europäischen Gerichtshof und dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag gescheitert waren. Dominik Fronert setzt sich auf juwiss.de ebenfalls mit dem Urteil des IGH im Distomo-Fall auseinander und bespricht kritisch die Forderung, die Staatsimmunität im Falle von Entschädigungsforderungen zu lockern.
Urteile zum Miet- und Werkvertragsrecht: Rechtsanwältin Veronika Thormann fasst im Immobilien-Teil der FAZ drei aktuelle Urteile zum Mietrecht zusammen. Es geht um Voraussetzungen zum Abschluss eines Maklervertrages, Berechnung der Maklerprovision und um diskriminierende Mieterhöhungen. Daneben greift Rechtsanwältin Sergia Antipa zwei Urteile zum Werkvertragsrecht auf.
Schadensersatz wegen Zuckerkartell: Lebensmittelproduzenten haben angekündigt deutsche Zuckerhersteller wegen Kartellvertößen auf Schadensersatz in Anspruch zu nehmen, berichtet das Handelsblatt (Volker Votsmeier u.a.) auf der Titelseite. Im Interview mit dem Handelsblatt (Volker Votsmeier) beantwortet Rechtsanwalt Johann Brück Fragen nach den Erfolgsaussichten der Klagen und der Schadensberechnung.
Recht in der Welt
Schiedsgerichte: Anlässlich der Diskussion um Schiedsgerichtsklauseln in internationalen Abkommen stellt die SZ (Markus Balser) im Wirtschaftsteil Verfahren vor dem Internationalen Zentrum zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten in Washington dar, die mit deutscher Beteiligung geführt worden sind oder werden. Während gegen die Bundesrepublik bisher lediglich wegen des Atomausstiegs verklagt werde, hätten deutsche Firmen bereits 30 Verfahren gegen andere Staaten angestrengt. In einem weiteren Beitrag bringt die SZ (Jannis Brühl) Zahlen zu den weltweit geführten Prozessen.
Sonstiges
NSU-Untersuchungsausschuss BW: Die taz (Lena Müssigmann) berichtet aus dem NSU-Untersuchungsausschuss in Baden-Württemberg, der Ende 2014 eingesetzt worden ist um den Mord an der Polizistin Michèle Kiesewetter aufzuklären. Die ersten acht öffentlichen Sitzungstage habe sich der Ausschuss mit dem Tod des Zeugen Florian H. befasst. Er habe behauptet zu wissen, wer für den Mord an der Polizistin verantwortlich gewesen sein soll und sei am Tag vor seiner Vernehmung verbrannt im Auto aufgefunden worden. Die Schwester des Verstorbenen habe nun Gegenstände vorgelegt, die von der Polizei im Auto übersehen worden sein sollen, unter anderem die vermissten Autoschlüssel und eine Pistole.
Rechte von Schwangeren: Rechtsanwalt Ulf Weigelt erklärt auf zeit.de, dass schwangere Mitarbeiterinnen nach dem Mutterschutzgesetz bei vollem Lohnanspruch von der Arbeit freizustellen sind, wenn sie einen Arzttermin zur schwangerschaftsbezogenen Untersuchung wahrnehmen wollen. Sie dürfen die Termine jedoch nur in Ausnahmefällen während der Arbeitszeit vereinbaren.
Das Letzte zum Schluss
Göttlicher Einfall: Der Oberste Gerichtshof Österreichs hatte es mit einer mystischen Urheberrechtsstreitigkeit zu tun. Die Klägerin hatte als "Schreibmedium" Weisheiten der Gottheit Theobald empfangen und diese gemeinsam mit ihrer Schamanen-Kollegin in einem Buch veröffentlicht. Später überlegt sie es sich dann aber anders und klagte auf Unterlassung. Das Gericht befand, die Rechte der Klägerin seien gewahrt worden, berichtet justillon.de (Stephan Weinberger).
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Am Montag erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/ms
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 20. März 2015: BGH-Präsidentin Limperg im Interview – BGH zu Schönheitsreparaturen – Karlsruher Richter zu Schufa-Hinweis . In: Legal Tribune Online, 20.03.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/15009/ (abgerufen am: 28.04.2024 )
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