Heiko Maas will mit neuen Normen im StGB gegen Korruption im Gesundheitssektor vorgehen. Außerdem in der Presseschau: BVerwG zu Legasthenie-Hinweis, keine Ermittlungen gegen Zschäpe-Verteidiger und Arbeitsverbot für Flüchtlinge in Bayern.
Thema des Tages
Korruption im Gesundheitswesen: Justizminister Heiko Maas (SPD) will mit neuen Vorschriften im Strafgesetzbuch gegen Korruption im Gesundheitswesen vorgehen. Ärzte, Apotheker und weitere Dienstleister im Gesundheitsbereich machen sich künftig strafbar, wenn sie gegen Bestechungen Aufträge vergeben oder Schmiergelder zahlen. Damit werden etwa Geldleistungen von Pharmaunternehmen an niedergelassene Ärzte strafbar, die im Gegenzug Medikamente des Unternehmens verschreiben. Der Bundesgerichtshof hatte 2012 entschieden, dass freiberufliche Ärzte weder Amtsträger noch Beauftragte der gesetzlichen Krankenkassen sind, sodass die Bestechungsparagrafen auf sie keine Anwendung finden. Diese Gesetzeslücke soll nun durch die neuen §§ 299 a und b geschlossen werden. Die FAZ (Joachim Jahn), die taz (Christian Rath) und die SZ (Guido Bohsem) stellen den Gesetzentwurf vor. Die taz (Heike Haarhoff) fasst die Reaktionen zum Gesetzentwurf zusammen.
Guido Bohsem (SZ) begrüßt den Gesetzentwurf, da er eine Gleichbehandlung zwischen freiberuflichen und angestellten Ärzten herstelle.
Rechtspolitik
Suizidhilfe: Ende dieses Jahres will der Bundestag ein Gesetz zur Regelung der bisher straflosen Suizidhilfe verabschieden. Mehrere Gesetzentwürfe werden derzeit diskutiert, die von einem weitreichenden Verbot mit Ausnahme für Angehörige bis zu einer Erlaubnis der Suizidhilfe für Ärzte unter strengen Auflagen reichen. Die Zeit (Elisabeth Niejahr) stellt die Positionen noch einmal dar und schildert die Geschichte des Kriminalautors Volker Schnell, der seinem Vater beim Selbstmord half.
Erbschaftsteuer: Die FAZ (Manfred Schäfers) fasst die Reaktionen auf die Kritik des hessischen Finanzministers Thomas Schäfer am Gesetzentwurf zur Erbschaftsteuer zusammen. SPD-Politiker sehen in der neuen Regelung keine Gefahr für Familienunternehmen, während Hermann Otto Solms (FDP) die Erbschaftsteuer grundsätzlich überdenken will. Die Erbschaftsteuer könnte auf einen einheitlichen Satz von 10 Prozent festgelegt oder gegen Erhöhung anderer Steuern gänzlich abgeschafft werden. Rechtsprofessorin Johanna Hey spricht sich im Handelsblatt für eine Senkung der Erbschaftsteuer auf 6 bis 8 Prozent aus.
Gleichstellungspolitik: Das Handelsblatt (Barbara Gillmann) spricht mit der Fraktionsvorsitzenden der Grünen Katrin Göring-Eckart über aktuelle gleichstellungspolitische Maßnahmen. Themen sind unter anderem der Gesetzentwurf der Grünen zur Entgeltgleichheit, flexible Arbeitszeiten für Eltern und eine familiengerechte Umgestaltung des Ehegattensplittings.
Zustimmung bei Rüstungsaufträgen: Verteidigungsministerin Ursula von Leyen (CDU) hat vorgeschlagen den Schwellenwert für die Zustimmung des Haushaltsausschusses des Bundestages für neuen Rüstungsaufträge von 25 Millionen auf 50 Millionen Euro anzuheben. Damit sei sie auf Ablehnung in der SPD gestoßen, berichtet das Handelsblatt (Till Hoppe).
Umsetzung des BVerfG-Kopftuchurteils: Die FAZ (Heike Schmoll) stellt zusammen, wie die einzelnen Bundesländer mit dem Bundesverfassungsgerichts-Urteil zum Kopftuchverbot umgehen. Länder wie Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg, die ein Kopftuchverbot und zudem ein christliches Privileg vorsahen, werden ihre Schuldgesetze überarbeiten.
Justiz
BVerwG zu Legasthenie-Vermerk: Nach einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts dürfen bayerische Abiturzeugnisse Vermerke über die gewährten Ausgleichsmaßnahmen für legasthene Schüler enthalten, wenn es sich dabei um den sogenannten Notenschutz handelt. Bei dieser Maßnahme wird die Rechtschreibleistung des Schülers bei der Benotung nicht berücksichtigt, dafür aber ein Vermerk auf den abweichenden Maßstab im Zeugnis vorgenommen. Nach Ansicht des BVerwG bedarf eine solche Maßnahme einer gesetzlichen Grundlage, die in Bayern nicht bestand; zudem habe der Schüler keinen Anspruch auf Löschung des Vermerks. Andere Maßnahmen wie Zeitzuschläge seien dagegen ohne gesetzliche Grundlage zulässig, berichtet die SZ (Wolfgang Janisch).
Matthias Kohlmaier (SZ) meint, der Vermerk über den gewährten Notenschutz habe nichts mit Diskriminierung zu tun.
OLG München – NSU-Prozess: Die Staatsanwaltschaft München I hat die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen die drei "Alt-Verteidiger" der Angeklagten Beate Zschäpe abgelehnt. spiegel.de (Wiebke Ramm) und SWR-Terrorismusblog (Holger Schmidt) berichten. Strafverteidiger Johann Schwenn zeichnet in einem Gastbeitrag in der Zeit den schon lange schwelenden Konflikt zwischen Zschäpe und den drei Verteidigern nach.
Am gestrigen Verhandlungstag wurde der ehemalige V-Mann-Führer des V-Manns "Piatto" vernommen. "Piatto" hatte in den 90er-Jahren dem Verfassungsschutz über das NSU-Trio berichtet. Den Ordner, den der Verfassungsschutzmitarbeiter wegen Erinnerungslücken mitbrachte, ließ das Gericht beschlagnahmen bis zur Entscheidung des Brandenburger Innenministeriums über die Herausgabe des Inhalts, erklärt die SZ (Annette Ramelsberger).
BGH zu Lebensversicherungen: Der Bundesgerichtshof befasste sich nun mit der Rückabwicklung von Lebens- und Rentenversicherungsverträgen, gegen die ein Widerspruch eingelegt worden ist. Der BGH hatte den Widerspruch im vergangenen Jahr wegen mangelhafter Aufklärung auch nach Jahren für zulässig erklärt. Bei der Rückabwicklung dürfen die Versicherungen lediglich die Kapitalertragssteuer und den Solidaritätszuschlag angerechnen, urteilte der BGH nun. Abschluss- und Verwaltungskosten oder Zuschläge für Ratenzahlungen dürfen nicht in Abzug gebracht werden, berichtet die Welt (Karten Seibel).
LG Essen zu korruptem Ingenieur: Das Landesgericht Essen hat einen Ingenieur zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt, der in einen Bestechungsskandal rund um den Umbau des Bergwerks Konrad in Salzgitter in ein Atomabfalllager verwickelt war. Er hatte mehreren Firmen zu Preisabsprachen geraten und diesen Aufträge in Höhe von 120 Millionen Euro beim Umbau verschafft, berichtet die taz (Reimar Paul).
BAG zu Diskriminierungsschutz in Kleinbetrieben: Über das Urteil des Bundesarbeitsgerichts zur Anwendung der Beweislastumkehr des § 22 Antidiskriminierungsgesetz auf Kleinbetriebe berichtet nun auch blog.beck.de (Christian Rolfs). Im entschiedenen Fall hatte die Klägerin Indizien für eine altersdiskriminierende Kündigung vorgetragen, die vom Arbeitgeber nicht entkräftet werden konnten.
Recht in der Welt
Mexiko – Systematische Frauenmorde: Die taz (Wolf-Dieter Vogel) berichtet im Schwerpunkt über die Verurteilung von fünf Männern zu insgesamt 697 Jahren Haft wegen Menschenhandels und der Ermordung von 11 Frauen in der mexikanischen Stadt Ciudad Juárez. Menschenrechtsorganisationen schätzen, dass in der Stadt seit 1993 zwischen 400 und mehreren Tausend Frauen durch Mitglieder der organisierten Kriminalität systematisch ermordet wurden. In Mexiko werden 95 Prozent der Morde an Frauen nicht strafrechtlich verfolgt; Frauenorganisationen sehen in dem Urteil eine historische Entscheidung.
Internationales Schiedsgericht – Slowenien/Kroatien: Nach einer Meldung von spiegel.de ist ein internationales Schiedsverfahren zur Regelung der Grenze zwischen Slowenien und Kroatien gescheitert, weil Kroatien aus dem Verfahren ausgestiegen ist. Die zwei Staaten streiten seit Jahren um den Grenzverlauf in der Piran-Bucht auf der Halbinsel Istrien.
Sonstiges
Klarnamenpflicht bei Facebook: Die FAZ (Ursula Scheer) führt ein Interview mit Hamburger Datenschutzbeauftragten Johannes Capar, der mit einer Verwaltungsanordnung gegen Facebooks Klarnamenpflicht vorgegangen ist. In Anlehnung an das Google-Urteil des Europäischen Gerichtshofs greife bei deutschen Nutzern das nationale Datenschutzrecht ein, sodass sich Facebook an die Anordnung, Nutzerprofile zu entsperren und Pseudonyme zuzulassen, halten müsse. Mit der Klarnamenpflicht verstoße Facebook gegen das Telemediengesetz und verletzte die Nutzer in ihrem Recht auf informationelle Selbstbestimmung. internet-law.de (Thomas Stadler) diskutiert, ob die Norm des Telemediengesetzes zur anonymen Nutzung von Telemedien europarechtskonform ist.
NSU-Untersuchungsausschuss BaWü: Die SZ (Josef Kelnberger) porträtiert den Vorsitzenden des Baden-Württembergischen NSU-Untersuchungsausschusses Wolfgang Drexler (SPD). Der 69-Jährige ist seit 1989 Mitglied im Landesparlament und genießt parteiübergreifend Autorität; für die akribische Ermittlungsarbeit genießt er große Anerkennung.
Arbeitsverbot für Flüchtlinge: Bayerns Innenminister Joachim Herrmann hat am 31. März 2015 bayerische Ausländerbehörden angewiesen, Flüchtlingen aus sicheren Herkunftsstaaten keine Ausbildungs- und Arbeitserlaubnis zu erteilen. Wie die SZ (Heribert Prantl) schildert, sieht der Rechtsprofessor Alexander Graser in dem Erlass einen Verstoß gegen die EU-Aufnahmerichtlinie von 2013. Diese schreibt einen Arbeitsmarktzugang für Flüchtlinge bereits nach 9 Monaten vor und ist wegen Fristablaufs nun unmittelbar anwendbar.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/ms
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 30. Juli 2015: Korruption im Gesundheitswesen – BVerwG zu Legasthenie-Vermerk – Arbeitsverbot für Flüc . In: Legal Tribune Online, 30.07.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/16433/ (abgerufen am: 03.05.2024 )
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