Im Prozess um den Transplantationsskandal sprach das LG Göttingen den Arzt Aiman O. frei. Außerdem in der Presseschau: Warum das Mautgesetz noch scheitern könnte, Ermittlungen gegen mutmaßliche rechtsextreme Terroristen, Kritik an Nedopils Gutachten über Zschäpe und weshalb man seine Handbremse anziehen sollte.
Thema des Tages
LG Göttingen zu Transplantationsskandal: Das Landgericht Göttingen sprach den ehemaligen Transplantationsarzt Aiman O. wegen versuchten Totschlags und Körperverletzung mit Todesfolge frei. Es war laut Gericht nicht nachweisbar, dass die Manipulationen tatsächlich zum Tod anderer Menschen führten und O. hatte "berechtigten Anlass zu glauben, dass die anderen Patienten nicht sterben". Die Manipulationen seien zur Tatzeit auch nicht strafbar gewesen. Insbesondere könne O. nicht vorgeworfen werden, dass er Alkoholkranken ohne sechsmonatige Abstinenz eine Leber transplantierte. Das Gericht teilte hier die Auffassung der Verteidigung, die Richtlinien der Bundesärztekammer, welche eine Alkoholkarenz von sechs Monaten für einen Wartelistenplatz voraussetzen, seien verfassungswidrig. Die Staatsanwaltschaft kündigte bereits eine Revision gegen das Urteil an – sie hatte eine achtjährige Haftstrafe gefordert. Dies berichtet die FAZ (Andreas Nefzger). Mit der Entscheidung befassen sich ebenso spiegel.de (Antje Windmann), die Badische Zeitung (Christian Rath) und die SZ (Christina Berndt).
Christina Berndt (SZ) rechnet es der Staatsanwaltschaft hoch an, "dass sie mit großem Engagement dafür gekämpft hat und noch dafür kämpft, die Verantwortlichen zu bestrafen". Angesichts des schwierigen Konstrukts des versuchten Totschlags im vorliegenden Fall sei das Urteil "schmerzhaft, aber nachvollziehbar". Tröstlich sei, dass solche Manipulationen seit 2013 nun strafbar sind. Dennoch sei das Transplantationssystem nach wie vor "willkürlich und undurchsichtig". Es sei daher zu begrüßen, dass das Gericht die Verfassungswidrigkeit mancher Regeln feststellte.
Rechtspolitik
Mautgesetz: Das Mautgesetz könnte noch scheitern, konstatieren die wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen Judith Schamell und Julia Wittig auf verfassungsblog.de und stellen mögliche Hürden des geplanten Gesetzes vor. Unter anderem könnte der Bundespräsident die Ausfertigung des Gesetzes wegen Verstoßes gegen das unionsrechtliche Diskriminierungsverbot verweigern – denn sein Prüfungsrecht umfasse auch EU-Recht.
TTIP und Schiedsgerichte: Am heutigen Donnerstag will die EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström ihren Vorschlag für das Schiedsgerichtsverfahren im TTIP mit den Wirtschaftsministern der EU-Länder besprechen. Die taz (Julia Amberger) beschreibt die Rolle der Schiedsgerichte, vergleicht den Vorschlag Malmströms mit dem von Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) und resümiert die Kritik am Schiedsgerichtsverfahren.
"Unrealistisches Wunschkonzert" und "Akt der Verzweiflung" tituliert der Europarechtler Andreas Fischer-Lescano in der taz die Idee der Einführung eines Investitionsschiedsgerichtshofs von Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD). Besonders schwerwiegend sei, dass sich der Entwurf nicht damit auseinandersetze, dass ein derartiges Gericht vom Europäischen Gerichtshof nicht akzeptiert werden würde. Fischer-Lescano fordert die SPD dazu auf sich realpolitisch machbare Ziele für "eine gerechte und soziale Weltwirschaftsordnung" zu setzen.
Justiz
BVerwG zu Ausstrahlungsverbot der UFC: Die Tochtergesellschaft der amerikanischen Kampfsportorganisation Ultimate Fighting Championship (UFC) ist befugt, Klage gegen eine medienrechtliche Verfügung der Bayrischen Landesmedienanstalt (BLM) zu erheben. Dies entschied das Bundesverwaltungsgericht. Die BLM hatte dem Sender Sport 1 die Ausstrahlung von UFC-Inhalten verboten. lto.de (Constantin Baron van Lijnden) beschreibt die "Klage auf das Recht zu klagen".
OLG Köln zu Helmut Kohl: Jost Müller-Neuhof (Tagesspiegel) erklärt, warum mehr "Mit-, als Rechtsgefühl" für die Entscheidung des Oberlandesgerichts Kölns im Fall der Kohl-Zitate verantwortlich sei. Das Gericht hatte das Urteil des Landgerichts Köln bestätigt und damit die Weiterverbreitung der Zitate unterbunden.
OLG München – NSU: Auch zeit.de (Tom Sundermann) beschäftigt sich nun ausführlich mit den Gründen für Zschäpes Schweigen im NSU-Prozess. Der Beitrag geht auch auf das psychiatrische Gutachten Norbert Nedopils und auf die Rolle Zschäpes im Verfahren ein. Im Fall NSU sei "eine einzige Person der Schlüssel zu fast allen offenen Fragen".
Der Strafverteidiger Gerhard Strate legt in der Zeit ausführlich seine Kritik am Gutachten Norbert Nedopils dar. Strate spricht bei den Ratschlägen des Psychiaters an die Verteidiger Zschäpes von einer "unberufenen Intervention in die Sphäre der Verteidigung". Zudem sei die "Gutachterei" Nedopils ein "gefährliches Spiel", wenn seine "psychiatrischen Vermutungen" (wie jetzt) öffentlich werden – denn Zschäpe könnte sich möglicherweise von ihren Verteidigern abwenden. Würde deren Beiordnung aufgehoben, wäre der Prozess geplatzt.
LG Lüneburg – Auschwitz-Prozess: Die Berliner Zeitung (Christian Bommarius) gibt ausführlich die Aussage von Elaine Kalman Naves im Auschwitz-Prozess wieder. Sie erzählte von ihrer Schwester, die in Auschwitz ermordet wurde.
Recht in der Welt
USA – Handyortung ohne Richtervorbehalt: Die Handyortung von Tatverdächtigen durch die Auswertung von Funkzellendaten steht nicht unter Richtervorbehalt, urteilte das für den elften US-Gerichtsbezirk zuständige Berufungsgericht. Es handele sich bei den zur Ortung benötigten Daten um Geschäftsunterlagen Dritter. Daher seien sie nicht vom vierten Verfassungszusatz geschützt, welcher entsprechende Maßnahmen einem Richter vorbehält. spiegel.de weist kurz auf die Entscheidung hin.
Sonstiges
GBA – Rechtsextreme Terroristen: Die Bundesanwaltschaft nahm am gestrigen Mittwoch vier mutmaßliche Terroristen fest – sie sollen die rechtsextreme Organisation "Oldschool Society" gegründet und unter anderem Anschläge auf Moscheen und Asylbewerberunterkünfte geplant haben. Sie werden der Gründung einer terroristischen Vereinigung verdächtigt. Die SZ (Wolfgang Janisch) berichtet über den derzeitigen Ermittlungsstand. Die FAZ (Reiner Burger) zeichnet den Gang der Ermittlungen nach und beschreibt Hinweise für die Rechtsextremität der Organisation "Oldschool Society". Auch die taz (Sabine am Orde/Konrad Litschko/Andreas Speit) informiert.
In einem weiteren Beitrag behandelt die SZ (Wolfgang Janisch/Tanjev Schultz) ebenso Anhaltspunkte für die Rechtsextremität der "OSS" sowie rechtsextreme Bewegungen in Deutschland generell. Aus der Polizeilichen Kriminalstatistik 2014 ergebe sich ein Anstieg rechtsextrem motivierter Gewalttaten. Die erfolgreichen Ermittlungen im vorliegenden Fall seien Resultat "einer geschärften Aufmerksamkeit" und verbesserter Zusammenarbeit der Behörden.
U-Ausschuss zu Edathy: Ein Kriminalkommissar, welcher bei der Durchsuchung von Edathys Wohnung beteiligt war, geht davon aus, Edathy sei vor der bevorstehenden Ermittlungsmaßnahme gewarnt worden. Die Wohnung habe ausgesehen, als hätte eine "überhastete Flucht" stattgefunden, teilte der Polizist dem Untersuchungsausschuss des Bundestags mit. Dies meldet spiegel.de.
Fahrgastrechte beim Bahnstreik: Der Reiserechtler Ernst Führich schildert auf lto.de ausführlich, für welche Schäden Bahnreisende wegen eines Streiks Ersatz verlangen können.
Das Letzte zum Schluss
Diebstahl, oder etwa nicht? Eine Frau in Unterfranken hatte der Polizei den Diebstahl ihres Wagens gemeldet. Sie hatte sogar selbst gesehen, wie ihr KfZ davon fuhr. Meinte sie jedenfalls. Denn die Ermittler stellten fest, dass nicht etwa ein ruchloser Dieb für die nächtliche Spritztour verantwortlich war – sondern eine nicht angezogene Handbremse. Laut Polizeibericht hatte sich das Auto "hinter der Hecke an einer Hausmauer versteckt". Dies meldet sueddeutsche.de.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/vb
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage .
Die juristische Presseschau vom 7. Mai 2015: Freispruch für Transplantationsarzt – Hürden des Mautgesetzes – Handyortung ohne Richtervorbehalt . In: Legal Tribune Online, 07.05.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/15471/ (abgerufen am: 06.05.2024 )
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