Der BGH hat das Völkermord-Urteil des OLG Frankfurt gekippt. Außerdem in der Presseschau: Das Tarifeinheitsgesetz kommt, Klagen wegen "Gefällt mir"-Button und Lottogewinn lockt Betrüger.
BGH – Völkermord-Prozess: Der Bundesgerichtshof hat das Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Frankfurt am Main gegen den ehemaligen ruandischen Hutu-Bürgermeister Onesphore R. teilweise aufgehoben und den Fall zurückverwiesen. Das OLG hatte R. zu einer 14-jährigen Freiheitsstrafe wegen Beihilfe zum Völkermord verurteilt, da er sich an einem Kirchenmassaker an Tutsi im Jahr 1994 beteiligt hatte. Die Bundesrichter sehen R. nun als Täter an. Er habe bereits am Vortag des Massakers bei der Vorbereitung mitgeholfen, die Angreifer mit "seiner Autorität als Bürgermeister" aufgefordert zu beginnen und somit Tatherrschaft gehabt. Ebenso beruhe die Annahme des OLG, R. habe ohne den Vorsatz, die Tutsi als ethnische Gruppe zu zerstören, gehandelt, auf einer rechtsfehlerhaften Beweiswürdigung, urteilten die Richter. Das OLG wird nun erneut R.'s Vorsatz und dessen etwaige Mittäterschaft prüfen müssen. Den ehemaligen Bürgermeister könnte eine lebenslange Haftstrafe erwarten. Die taz (Dominic Johnson), die SZ (Wolfgang Janisch) und der Tagesspiegel (Ursula Knapp) berichten von dem ersten Verfahren des Bundesgerichtshofs wegen des Völkermords in Ruanda.
Rechtspolitik
Tarifeinheitsgesetz: Am heutigen Freitag will der Bundestag das Tarifeinheitsgesetz beschließen. Im Fall einer Tarifkollision soll künftig der Tarifvertrag der Gewerkschaft gelten, die mehr Mitglieder im Betrieb vorweisen kann. Dann würden Arbeitsgerichte Streiks der Minderheitsgewerkschaften als unverhältnismäßig untersagen, heißt es in der Gesetzesbegründung. Die taz (Christian Rath) erklärt dagegen anhand des GDL-Streiks, warum es "völlig offen" sei, wie das Tarifeinheitsgesetz wirken werde. Das Handelsblatt (Frank Specht) schreibt, es gehe um ein geplantes Gesetz, "hinter dem kaum noch jemand steht, das verfassungsrechtlich bedenklich ist, den Arbeitsgerichten eine Menge Arbeit beschert und trotzdem wenig bringt."
Legalisierung von Cannabis: Guido Bohsem (SZ) hält ein kurzes Plädoyer dafür, dass Cannabis legalisiert werden sollte – allerdings nicht für Kinder und Jugendliche. Cannabis sei nicht gesundheitsschädlicher als Alkohol; auch könnten die Ressourcen der Strafjustiz sinnvoller eingesetzt werden, würde der Umgang mit Cannabis entkriminalisiert. Die Legalisierung ermögliche sogar einen besseren Schutz für Jugendliche, da Dealer auch härtere Drogen anbieten.
Vorratsdatenspeicherung: Der Referendar Jakob Dalby setzt sich für telemedicus.info dezidiert mit den geplanten Regelungen der Vorratsdatenspeicherung auseinander. Fazit: "inkonsequent, systemwidrig, unzulässig – mangelhaft!". Dalby legt ausführlich dar, welche geplanten Regelungen "berechtigte Zweifel an der handwerklichen Qualität des Entwurfs" schürten.
Justiz
OLG München – NSU-Prozess: Das Oberlandesgericht München wird sich im Juni erneut mit dem Mord an einem Kasseler Caféinhaber befassen. Dazu hat das Gericht den Verfassungsschutzbeamten Andreas T., welcher sich zur Tatzeit am Tatort aufhielt, als Zeugen geladen. Auch mehrere Mitarbeiter des hessischen Verfassungsschutzes, welche Kontakt zu T. hatten, sollen verhört werden. welt.de (Per Hinrichs) fasst die Ungereimtheiten um T.'s Aufenthalt im Internetcafé zusammen.
Klagen wegen Facebooks "Gefällt mir"-Button: Die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen hat wegen des "Gefällt mir"-Buttons von Facebook Klage gegen die Konzerne Peek und Cloppenburg sowie Payback vor den Landgerichten Düsseldorf und München eingereicht. Sie fordert, "diese Schaltfläche datenschutzkonform umzustellen", denn bereits bei Besuch der Unternehmenswebseiten empfange Facebook ohne ausdrückliche Einwilligung der Kunden Daten über deren Surfverhalten. Dies meldet faz.net.
Ein StA weigert sich, Gregor Gysi anzuklagen: Ein Hamburger Staatsanwalt hatte gegen Gregor Gysi (Die Linke) wegen falscher Versicherung an Eides statt ermittelt und mangels hinreichenden Tatverdachts keine Anklage erhoben. Der zuständige Generalstaatsanwalt hatte ihn daraufhin angewiesen, Gysi anzuklagen. Der Staatsanwalt kam dieser, seines Erachtens nach rechtswidrigen Weisung, nicht nach. faz.net (Alexander Haneke/Guido Franke) berichtet jetzt über diese so genannte Remonstration des Staatsanwalts und den zugrundeliegenden Vorwurf gegen Gysi. Die Hamburger Justizverwaltung könne sich an keinen entsprechenden Fall einer Beschwerde erinnern. Heribert Prantl (SZ) konstatiert, der Fall Gysi werde "eine Generalblamage" für den zuständigen Generalstaatsanwalt. Die Reaktion des Staatsanwalts halte er für "mutig", sie sei allerdings ein "GAU" für den Generalstaatsanwalt – gegebenenfalls auch ein Anzeichen für dessen mangelnde Eignung.
StA Bochum – Thomas Middelhoff: Die SZ (Uwe Ritzer/Georg Wellmann) erläutert, weshalb sich der Verdacht, Thomas Middelhoff habe Vermögenswerte vor seinen Gläubigern in Sicherheit bringen wollen, zu erhärten scheint. Der vorläufige Insolvenzverwalter werde bestimmte Zahlungen in insgesamt siebenstelligem Bereich zurückfordern. Auch die FAZ (Joachim Jahn) schreibt über für das Insolvenzverfahren möglicherweise relevante Vermögensverfügungen Middelhoffs. Die Staatsanwaltschaft Bochum gehe nun auch dem Verdacht nach, dass der Beschuldigte nicht vollständig über seine Vermögensverhältnisse informiert habe.
BAW – geheimdienstliche Agententätigkeit: Die Bundesanwaltschaft hat drei Männer wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit angeklagt. Sie sind verdächtig, in Deutschland Kritiker des Staatspräsidenten Erdogan sowie Kundgebungen kurdischer Aktivisten für einen türkischen Geheimdienst ausspioniert zu haben. Dies meldet die SZ.
Recht in der Welt
USA – keine Todesstrafe in Nebraska: Der US-Bundesstaat Nebraska ersetzte am vergangenen Mittwoch die Todesstrafe durch lebenslängliche Freiheitsstrafe. Nebraska ist damit der 19. Bundesstaat, der die Todesstrafe abgeschafft hat. Dies meldet unter anderem spiegel.de.
Irland – Referendum zu Homo-Ehe: Am heutigen Freitag werden die Iren über Einführung und verfassungsrechtliche Gleichstellung der Homo-Ehe abstimmen. Die derzeit geltende eingetragene gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaft ließe, laut Unterstützern der Homo-Ehe, rechtliche Fragen offen. Die FAZ (Jochen Buchsteiner) informiert über die anstehende Volksabstimmung – die erste zur Einführung der gleichgeschlechtlichen Ehe weltweit.
Sonstiges
Datenschutz im Arbeitsverhältnis: In einem Urteil vom Dezember vergangenen Jahres entschied das Bundesarbeitsgericht, dass Arbeitnehmer in die Verarbeitung ihrer Daten durch den Arbeitgeber einwilligen können. Der Datenschutzrechtler Marc Störing befasst sich für lto.de mit der Entscheidung. Er erklärt insbesondere, was Arbeitgeber berücksichtigen müssen, um eine freiwillige Einwilligung am Arbeitsplatz zu gewährleisten.
Edathy-Untersuchungsausschuss: Im Untersuchungsausschuss des Bundestags zum Fall Edathy sagten am gestrigen Donnerstag die Oberstaatsanwälte Thomas Klinge und Jörg Fröhlich als Zeugen aus. Beide erklärten, weshalb sie davon ausgehen, Edathy sei über die Ermittlungen informiert gewesen. focus.de schildert die Aussagen.
Das Letzte zum Schluss
Lottogewinn lockt Betrüger: Ein Tscheche hat 90 Millionen Euro im Eurojackpot gewonnen. Die Lottogesellschaft sehe sich nun mit dreisten Betrugsversuchen konfrontiert. "Dutzende Anrufer" hätten angeblich ihren Tippschein verloren – ein Gewinnlos sei sogar vom Hund gefressen worden. Besondere Draufgänger boten der Gesellschaft sogar an, halbe-halbe zu machen. Der tatsächliche Gewinner habe allerdings noch nichts von sicher hören lassen. Dies meldet die SZ.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Am Dienstag erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/vb
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 22. Mai 2015: BGH kippt Völkermord-Urteil – Tarifeinheit kommt – Klagen wegen "Gefällt mir"-Button . In: Legal Tribune Online, 22.05.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/15624/ (abgerufen am: 04.05.2024 )
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