Das VG Berlin hat den Bundestag zur Auskunft über Lobby-Hausausweise verpflichtet. Außerdem in der heutigen Presseschau: Vertragsverletzungsverfahren wegen Maut, Beschlüsse der Justizministerkonferenz, BAG legt dem EuGH "AGG-Hopping" vor.
Thema des Tages
VG Berlin zu Hausausweis für Lobbyisten: Der Bundestag muss offen legen, an wie viele Verbandsvertreter ein Hausausweis ausgestellt wird und zu welchen Verbänden diese gehören. Dies entschied das Verwaltungsgericht Berlin. Geklagt hatte das Netzportal abgeordnetenwatch.de, nachdem die Bundestagsverwaltung einen entsprechenden Antrag auf Auskunft nach dem Informationsfreiheitsgesetz abgelehnt hatte. Als Begründung führte sie an, hier liege eine Ausnahme des IFG vor. Es handele sich bei Ausgabe und Erstellung von Hausausweisen um eine parlamentarische Angelegenheit. Das Begehren betreffe zudem mandatsbezogene Informationen und erlaube Rückschlüsse auf die natürliche Person. Das VG stellte nun klar, dass ein Anspruch auf die begehrten Auskünfte besteht. Die Ausgabe von Hausausweisen sei kein spezifisches parlamentarisches Handeln, sondern eine Verwaltungstätigkeit des Bundestages. Das Gericht hat die Berufung zugelassen. Dies berichten der Tagesspiegel (Jost Müller-Neuhof), lto.de und süddeutsche.de.
Rechtspolitik
Justizministerkonferenz: Die Konferenz der Landesjustizminister hat beschlossen, dass Urteile der obersten Gerichte grundsätzlich in den Medien übertragen werden können und bittet Justizminister Heiko Maas (SPD) um die Umsetzung dieses Entwurfs. Für Journalisten soll künftig bei Prozessen mit großem Medieninteresse eine Tonübertragung in einen Nebenraum erfolgen. Dies meldet die SZ. taz.de (Christian Rath) schildert einen weiteren Beschluss der Minister: Solange Strafverfolgungsaufgaben anfallen, wird die "Zentrale Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen" in Ludwigsburg in ihrer bisherigen Form weitergeführt. Bislang gebe es pro Jahr 30 Ermittlungsverfahren. Der Beitrag beschreibt die derzeitige Arbeit der Zentralen Stelle und ihre mögliche Zukunft. Die FAZ (Rüdiger Soldt) meldet, die Minister lehnten ein Sondergefängnis für islamistische Straftäter ab, begrüßten die Einführung digitaler Vertragstypen ins Bürgerliche Gesetzbuch und befassten sich mit Betreuungsrecht.
Annette Ramelsberger (SZ) befürwortet das Vorhaben der Justizminister, Urteile der obersten Gerichte öffentlich zu übertragen. Sie hält Transparenz für sinnvoll. Die Befürchtung, es werde "Recht nur für das Medienpublikum gesprochen", sei unbegründet. Die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts werden bereits im Fernsehen übertragen, ohne dass das Gericht einem entsprechenden Vorwurf ausgesetzt war. Christian Rath (taz.de) meint, der Beschluss der Justizminister sei "zwar halbherzig, aber immerhin ein Aufbruchsignal". Er betont mit Blick auf aktuelle Verfahren, wie wichtig die Öffentlichkeit für rechtsstaatliche Verfahren ist. "Die Öffentlichkeit steht dafür, dass die Justiz transparent ist, dass Richter nachvollziehbare Urteile sprechen." Zur modernen Öffentlichkeit zählten auch Bild- und Tonübertragungen. Daher sei es unzeitgemäß, diese Medien auszuschließen.
Vorratsdatenspeicherung: Unter dem Titel "ein Opfer für Sigmar Gabriel" entlarvt Christian Rath (taz) die Argumente des SPD-Chefs, mit denen er die Einführung der Vorratsdatenspeicherung in einem "verhängnisvollen Alleingang" forciert hatte, als Aussagen eines "Schwadroneurs". Rath moniert zudem, das anlasslose Speichern von Daten aller Bürger entspringe der Denke in einem "Überwachungsstaat". Die Vorratsdatenspeicherung sei ein "Musterbeispiel für unverhältnismäßige Kriminalpolitik".
Justiz
BVerwG zu pädophilen Polizisten: Polizisten, die zu privaten Zwecken Kinderpornographie besitzen oder verbreiten, können deswegen aus dem Dienst entlassen werden. Dies entschied das Bundesverwaltungsgericht. Das für die Ausübung des Berufs notwendige Vertrauen werde beeinträchtigt, wenn Beamte erhebliche Straftaten begehen; allerdings sei der Einzelfall zu betrachten. In den vorliegenden Fällen, handelte es sich um drei Polizisten aus Thüringen, Brandenburg und Berlin. Über die Entscheidung informiert welt.de (Sven Eichstädt).
LAG Bremen zu "Druckkündigung": Arbeitgeber können einem verurteilten Sexualstraftäter, welcher seine Strafe verbüßt hat, kündigen, wenn der Betriebsfrieden gestört ist und nicht auf eine andere Weise wieder herzustellen ist. Das Landesarbeitsgericht Bremen entschied, eine sogenannte "Druckkündigung" sei in diesem Fall gerechtfertigt. spiegel.de schildert den Fall.
BAG legt "AGG-Hopping" dem EuGH vor: Der Europäische Gerichtshof wird entscheiden müssen, ob Unternehmen auch an mutmaßliche Scheinbewerber eine Entschädigung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz zahlen müssen. Das Bundesarbeitsgericht hat den Luxemburger Richtern einen entsprechenden Fall des "AGG-Hoppings" zur Vorabentscheidung vorgelegt. Es sei zu klären, ob das Unionsrecht dahingehend auszulegen sei, dass Bewerber, aus deren Bewerbung hervorgehe, dass sie lediglich am Bewerbungsverfahren teilnehmen, um einen Entschädigungsanspruch geltend zu machen, "Zugang zur Beschäftigung oder zur abhängigen Erwerbstätigkeit" suchen. Dies meldet die FAZ (Joachim Jahn).
Vertragsverletzungsverfahren gegen Maut: Die EU-Kommission hat ein Vertragsverletzungsverfahren wegen der Pkw-Maut eröffnet – sie ist der Ansicht, das Gesetz verstoße gegen das unionsrechtliche Diskriminierungsverbot. Die Kommission hat der Bundesregierung ein Mahnschreiben zukommen lassen. Die Frist für ihre Stellungnahme beträgt zwei Monate. Sollte eine Einigung nicht möglich sein, werde der Europäische Gerichtshof im Verfahren entscheiden müssen. Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) verschob die Umsetzung des Mautgesetzes aus einem "Akt des Respekts" und wartet ein Urteil des EuGH hab. Er betonte allerdings, die Maut sei unionsrechtskonform, so unter anderem SZ (Michael Bauchmüller/Alexander Mühlauer), FAZ (Kerstin Schwenn) und taz (Richard Rother).
Kerstin Schwenn (FAZ) vermutet, dass dies nicht das Ende der Pkw-Maut sein wird und hofft auf eine "verlässliche Verkehrswegefinanzierung über Nutzergebühren", die "Vielfahrer viel und Gelegenheitsfahrer wenig" belastet. Oliver Stock (Handelsblatt) meint, man möchte verlautbaren: "Danke, verehrte Kommission! In deiner unermesslichen Weisheit hast du richtig gehandelt." Für Alexander Dobrindt hat er kein Verständnis: "Wenn ein Verkehrsminister sich derart verfährt, sollte ihm der Führerschein abgenommen werden." Die Welt (Christoph B. Schiltz) sieht in dem Verfahren einen "Sieg europäischen Rechts über bayerischen Provinzialismus" und hofft darauf, dass die gescheiterte Maut als "Wegbereiter einer ganz neuen, einheitlichen EU-Maut" wirkt.
In einem separaten Beitrag erklärt die SZ (Alexander Mühlauer) die Grundsätze des Vertragsverletzungsverfahrens gemäß Artikel 258 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union.
Staatsanwaltschaft Marseille – Germanwings: Die Staatsanwaltschaft in Marseille ermittelt wegen des Absturzes der Germanwings-Maschine seit drei Monaten gegen Unbekannt. Es bestehe der Verdacht der fahrlässigen Tötung. Die Ermittlungen richteten sich auch gegen den Arbeitgeber Germanwings sowie die Lufthansa, welche möglicherweise bei den medizinischen Kontrollen des Piloten Fehler begangen haben könnten. Dies meldet die FAZ (Michaela Wiegel).
Vertragsverletzungsverfahren Gebühren-VO: Die EU-Kommission ist der Ansicht, die Gebührenverordnungen von Architekten, Ingenieuren und Steuerberatern seien EU-rechtswidrig und hat ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet. Die Bundesregierung solle die Mindestsätze der drei Berufsgruppen abschaffen, denn diese dienten nicht dazu, hohe Qualitätsstandards zu sichern, sondern behinderten den Wettbewerb und verteuerten daher die Leistungen für Verbraucher unnötigerweise. Die Bundesregierung wird innerhalb der nächsten zwei Monate zum Verfahren Stellung nehmen müssen. Eine befürchtete Änderung der Rechtsform von Kanzleien hingegen fordere die EU-Kommission nicht, weiß die FAZ (Hendrik Kafsack).
Recht in der Welt
Kritik am IStGH: Funktioniert der Internationale Strafgerichtshof? Mit dieser Frage befasst sich der Menschenrechtsanwalt Wolfgang Kaleck auf blog.zeit.de. Er übt Kritik am Gericht, "oft landen auf der Anklagebank des IStGH nur Bauernopfer", erklärt allerdings auch, warum die Tatsache, dass Omar Al-Bashir trotz Haftbefehls nach wie vor in Freiheit ist, nicht zwingend als Misserfolg des Gerichts anzusehen sei.
China – Wahlreform in Hongkong: Das Parlament in Hongkong hat die geplante Wahlreform abgelehnt. Der Entwurf sah vor, dass die Bürger Hongkongs künftig direkt den Regierungschef wählen dürfen – die wählbaren Kandidaten sollten allerdings von Peking bestimmt werden. Dies berichtet die SZ (Kai Strittmatter).
Kai Strittmatter (SZ) sieht in der unterbliebenen Wahlreform "nur Verlierer". Der Entwurf sei eine "Farce", ein "Etikettenschwindel" im Hinblick auf demokratische Prinzipien gewesen – der "offene Widerspruch" dagegen sei allerdings kein Triumph, denn Peking werde wohl "mit mehr Härte reagieren".
Sonstiges
Sonderbeauftragter/Selektorenliste: Der NSA-Untersuchungsausschuss hat, durch die Mehrheit der großen Koalition, die Entscheidung der Bundesregierung angenommen, nur einem Sonderbeauftragten Einsicht in die Selektorenliste zu gewähren, so die SZ (Thorsten Denkler). Die Opposition plane, gegen das Verfahren zu klagen. Der Ausschuss solle eine Vertrauensperson vorschlagen können, die Bundesregierung wolle diese allerdings bestimmen. Dies könne dazu führen, dass der Sonderbeauftragte eine Aussagegenehmigung des Bundeskanzleramts benötigt, um dem Ausschuss Bericht zu erstatten – diese sei bisher immer "sehr beschränkt" gewesen. Auch die taz (Astrid Geisler) berichtet.
Kai Biermann (zeit.de) meint, die Entscheidung der Bundesregierung sei "ein Ausdruck tiefen Misstrauens gegenüber den gewählten Abgeordneten des Bundestages". In der Öffentlichkeit werde nur "ein winziger Bruchteil des Geheimdienst-Wissens" ankommen – damit werde wohl auch Wissen über etwaige "Fehler, Versäumnisse und Vergehen" verschlossen bleiben.
Bundeskartellamt – illegale Preisabsprachen: Das Bundeskartellamt hat Bußgelder in Höhe von insgesamt 151,6 Millionen Euro wegen illegaler Preisabsprachen zwischen mehreren Handelsunternehmen und Lebensmittelherstellern verhängt. Die Bescheide seien weitestgehend rechtskräftig. Die SZ (Kirsten Bialdiga), die Welt (Michael Gassmann) und das Handelsblatt (Florian Kolf/Christoph Kapalschinski) informieren.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Am Montag erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/vb
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 19. Juni 2015: Transparenz für Lobbyliste – Maut auf Eis – "AGG-Hopping" vor EuGH . In: Legal Tribune Online, 19.06.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/15930/ (abgerufen am: 17.05.2024 )
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