Das BVerwG erlaubt keine doppelte Entschädigung für Vermögensverluste von NS-Opfern. Außerdem in der heutigen Presseschau: Tipps für Erblasser nach der EU-Erbrechtsverordnung, Bedingungen für Vorratsdatenspeicherung, Middelhoff bleibt in U-Haft, das Strafgesetzbuch in den Augen Thomas Fischers und weshalb man kriminelle Aktivitäten gerade im Suff lieber lassen sollte.
Thema des Tages
BVerwG zu Entschädigung für NS-Verfolgte: Das Bundesverwaltungsgericht entschied am gestrigen Dienstag, dass im Nationalsozialismus Verfolgte keinen Anspruch auf eine Entschädigung haben, wenn sie für denselben Vermögensverlust schon einmal entschädigt worden sind. Im vorliegenden Fall hatte die Conference on Jewish Material Claims against Germany versucht, höhere Entschädigungssummen für jüdische Opfer des Nationalsozialismus zu erwirken. Jüdische Verfolgte, die zur NS-Zeit auf dem Gebiet der früheren DDR gelebt hatten, seien laut JCC von der Bundesrepublik später nicht ausreichend entschädigt worden. welt.de (Sven Eichstädt) erläutert die Hintergründe der Entscheidung und insbesondere die Argumentation der JCC.
Rechtspolitik
EU-Erbrechtsverordnung: Ab dem 17. August wird die Europäische Erbrechtsverordnung gelten. Dann wird nicht mehr die Staatsbürgerschaft über das anzuwendende Erbrecht entscheiden, sondern der gewöhnliche Aufenthaltsort zum Zeitpunkt des Todes eines EU-Bürgers. Die FAZ (Joachim Jahn) erläutert die Folgen der Verordnung für die Erbrechtsanwendung und die neuen Möglichkeiten für Erblasser. So sei beispielsweise ein Umzug nach Florida ratsam, um einen "unliebsamen Verwandten" zu enterben, denn das Erbrecht in Florida sehe keinen Pflichtteil vor.
Vorratsdatenspeicherung: Die taz (Christian Rath) gibt einen Überblick über mögliche Einschränkungen der Vorratsdatenspeicherung. So müssten die etwaigen Regelungen den Vorgaben aus Karlsruhe und Luxemburg entsprechen, einen Richtervorbehalt vorsehen und Ausnahmen für Anwälte, Ärzte und Journalisten berücksichtigen. Bundesjustizminister Heiko Maaß (SPD) erklärte allerdings am gestrigen Dienstag, dass noch nicht entschieden sei, ob die Vorratsdatenspeicherung überhaupt wieder eingeführt werde.
Erbschaftsteuer: Am morgigen Donnerstag wird die CDU/CSU-Fraktion im Bundestag mit Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) und Vertretern führender Wirtschaftsverbände über die Reform der Erbschaftsteuer beraten, so die FAZ (Joachim Jahn). Diese Beratung sei nötig, da die Union die Pläne Schäubles nicht unterstütze und Änderungen fordere. Die FAZ beschreibt die geplante Regelung Schäubles und verschiedene Kritikpunkte. So sei beispielsweise die Schwelle für die "Bedürftigkeitsprüfung" mit 20 Millionen Euro zu niedrig angesetzt.
Justiz
BVerfG zu Kopftuch-Verbot: Im Interview mit der FR (Joachim Frank) spricht sich der ehemalige Präsident des nordrhein-westfälischen Verfassungsgerichts Michael Bertrams gegen den am vergangenen Freitag ergangenen Kopftuch-Beschluss des Bundesverfassungsgerichts aus. Er moniert, der Beschluss sei "kein Zeichen von Toleranz, sondern von höchstrichterlicher Ignoranz" – die Richter hätten den ideologischen Bedeutungsgehalt des Kopftuchs unzureichend berücksichtigt. Dieser beschränke sich nicht nur auf religiöse Symbolik, sondern könne sich ebenso auf die Abgrenzung von der westlichen Kultur erstrecken.
Reinhard Müller (FAZ) erläutert, weshalb das Tragen eines Kopftuchs durch eine Lehrerin dazu geeignet sei, in das grundrechtlich garantierte Erziehungsrecht der Eltern und in die Religionsfreiheit der Schüler einzugreifen. "Das Klassenzimmer ist nicht der Ort zur freien Entfaltung der persönlichen Bekenntnisse der Lehrkraft. Sie repräsentiert vielmehr den auf Neutralität verpflichteten Staat." Auch Staatsdiener müssten, wie Privatangestellte, Einschränkungen in Kauf nehmen – Lehrer wüssten zudem, worauf sie sich einlassen.
BGH zu Juwi: Der Bundesgerichtshof bestätigte am Dienstag das Urteil des Landgerichts Meiningen gegen den ehemaligen Innenminister Thüringens, Christian Köckert, wegen Vorteilsnahme und Abgeordnetenbestechung. Es bestehe allerdings ein "Wertungsfehler" bei der Strafbemessung, welcher korrigiert werden müsse – Köckert erhielt eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten auf Bewährung, weil er Schmiergelder des Windparkbauers Juwi angenommen hatte. Die SZ (Markus Balser/Wolfgang Janisch) informiert zudem darüber, dass das Landgericht Meinigen nun das Urteil des BGH prüfe, um dann über die Zulassung der Anklage gegen den Juwi-Co-Chef Willenbacher wegen Vorteilsgewährung zu entscheiden.
LG Frankfurt a.M. zu Zuhälterei: Am Dienstag hat das Landgericht Frankfurt am Main einen Mann und zwei Frauen zu Freiheitsstrafen wegen Zuhälterei verurteilt. Ihnen wird vorgeworfen, mindestens vier Frauen aus Afrika mit der Anwendung von Voodoo-Zaubersprüchen eingeschüchtert und dann zur Prostitution gezwungen zu haben. Dies meldet spiegel.de.
StA Stuttgart zu Mappus: Die Staatsanwaltschaft Stuttgart hat ihre Ermittlungen gegen den ehemaligen baden-württembergischen Ministerpräsidenten Stefan Mappus (CDU) wegen des Verdachts der uneidlichen Falschaussage eingestellt. Es hätte nicht erwiesen werden können, dass Mappus den Einsatz eines Großbaggers im Stuttgarter Schlossgarten im Zuge von Stuttgart 21 oder den Einsatz im Jahr 2010 als solchen beeinflusst hätte. Dies meldet die FAZ (Rüdiger Soldt).
Bundesanwaltschaft – Terrorismus: Die Bundesanwaltschaft erhob am gestrigen Dienstag Anklage gegen ein mutmaßliches Mitglied des IS wegen Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung und der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat. Der 22-jährige Angeklagte soll sich im vergangenem Jahr an Kämpfen des IS beteiligt haben. Dies meldet spiegel.de (mxw).
Derzeit führt die Bundesanwaltschaft 68 Ermittlungs- und Strafverfahren gegen 106 mutmaßliche Terroristen – die Zahl sei steigend, so Generalbundesanwalt Harald Range. Anfang 2014 seien es erst acht Beschuldigte gewesen. Häufig liege der Verdacht der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat vor. Die SZ (Wolfgang Janisch) beschreibt das Vorgehen der Bundesanwaltschaft und der Strafverfolgungsbehörden der Länder bei der Terrorismusbekämpfung und geht auch auf aktuelle Verfahren ein.
OLG Hamm – Middelhoff: Der frühere Arcandor-Chef Thomas Middelhoff bleibt weiterhin in Untersuchungshaft. Das Oberlandesgericht Hamm hat eine Haftbeschwerde Middelhoffs abgewiesen, es bestehe nach wie vor Fluchtgefahr. Die angebotene Kaution von 900.000 Euro sah das Gericht als zu gering an. Die FAZ (Joachim Jahn) erläutert kurz die Begründung des Gerichts.
AG Augsburg – Georg Schmid: Am heutigen Mittwoch wird die Entscheidung im Strafverfahren gegen den ehemaligen CSU-Fraktionschef Georg Schmid erwartet. Ihm wird Sozialbetrug und Steuerhinterziehung vorgeworfen, er soll seine Ehefrau als "Scheinselbstständige" beschäftigt und so fast eine halbe Million Euro an Lohnsteuer und Sozialabgaben hinterzogen haben. Die Staatsanwaltschaft plädierte auf eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren zur Bewährung und auf eine Geldauflage in Höhe von 150.000 Euro. Schmids Verteidiger hingegen forderte Freispruch, da Schmids Frau selbstständig gewesen sei, meldet die taz (Lisa Schnell).
Recht in der Welt
EuGH zu Leiharbeitsrichtlinie: Artikel 4 der Leiharbeitsrichtlinie richtet sich lediglich an die zuständigen Behörden der Mitgliedsstaaten, nicht jedoch an die nationalen Gerichte. Dies entschied der Europäische Gerichtshof am Dienstag auf Vorlage eines finnisches Arbeitsgerichts. So obliege den Behörden die Überprüfung, ob nationale Verbote oder Einschränkungen der Leiharbeit gerechtfertigt sind. Nationale Gerichte hingegen dürfen entsprechende Regelungen nicht unmittelbar an Artikel 4 Absatz 1 messen und auch nicht unangewendet lassen, wenn ihrer Ansicht nach kein rechtfertigendes Allgemeininteresse im Sinne besagten Artikels vorliegt. Der Fachanwalt für Arbeitsrecht André Zimmermann erklärt auf lto.de den zugrundeliegenden Fall, die Folgen der Entscheidung und die konträre Stellungnahme des Generalanwalts.
Ägypten – Todesurteil gegen Badie: Muhammed Badie, Vorsitzender der Muslimbruderschaft, ist am Dienstag in einem Gericht in Gizeh zum Tode verurteilt worden. Auch gegen weitere Muslimbrüder erging das gleiche Urteil – sie sollen zusammen nach dem Sturz Mursis im Jahr 2013 Angriffe angeordnet haben, um "Chaos zu verbreiten". Ein Verteidiger moniert, die Urteile seien "absurd", die Anwälte hätten nicht einmal ihre Abschlussplädoyers vorbringen dürfen. Dies meldet die FAZ (Markus Bickel).
USA – Utah für Exekution durch Erschießen: Der Senat des US-Bundesstaats Utah stimmte vergangene Woche für die Wiedereinführung der Exekution durch Erschießen. Die FAZ (Christiane Heil) weist, anlässlich dieser Bestrebungen, darauf hin, dass auch weitere US-Bundesstaaten nach Alternativen für die Giftspritze suchten. Sowohl europäische Pharmaunternehmen, als auch ein US-amerikanischer Konzern hatten vor einigen Jahren mit der Lieferung der für die Hinrichtung nötigen Medikamente aufgehört; die Bestände der Justizbehörden gehen nun zur Neige.
Sonstiges
Das Strafgesetzbuch nach Fischer: In seiner Kolumne auf zeit.de befasst sich Thomas Fischer, Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof, ausführlich mit dem Strafgesetzbuch und klärt über dessen Inhalt und die auslegungsbedürftige Fachsprache auf. Er erläutert die Rolle des Gesetzgebers und der Bürokratie bei den Änderungen des sich stetig wandelnden Gesetzes und geht zudem auf den rechtsstaatlichen Grundsatz des Strafrechts, "nulla poena sine lege", ein.
Das Letzte zum Schluss
Besoffene Einbrecher: Zwei junge Männer brachen in ein Schuhgeschäft in Gießen ein und hatten schon ihr Diebesgut zusammen gesammelt, als sich die Schwachstelle ihres Plans zeigte. Die beiden waren so betrunken, dass sie nicht mehr aus dem verwinkelten Keller des Geschäfts heraus fanden. Zum Glück kam die Polizei, ihr Freund und Helfer, und befreite die beiden aus ihrer misslichen Lage. Allerdings nur, um sie dann gleich wieder einzusperren. Dies meldet spiegel.de.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/vb
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 18. März 2015: BVerwG zu Entschädigung für NS-Opfer – Tipps für Erblasser – Betrunkene Einbrecher . In: Legal Tribune Online, 18.03.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/14978/ (abgerufen am: 05.05.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag