Das BVerfG gibt den Ländern die Möglichkeit, mehr freie Samstage für ihre Verkäufer einzuführen. Außerdem in der heutigen Presseschau: Plädoyer für "TTIP-Gerichtshof", Senat in Utah plant Todesstrafe durch Erschießen, Verteidigerplädoyer im Fall Achenbach, Ecstasy in Irland schon wieder illegal und was man beim Diebstahl eines Smartphones im Hinterkopf behalten sollte.
Thema des Tages
BVerfG zu Thüringer Samstagarbeit: Die Regelung des Thüringer Ladenöffnungsgesetzes, nach der Arbeitnehmer im Einzelhandel in der Regel mindestens zwei Samstage im Monat nicht beschäftigt werden dürfen, ist mit dem Grundgesetz vereinbar. Einen entsprechenden Beschluss vom Januar veröffentlichte das Bundesverfassungsgericht am gestrigen Mittwoch. Insbesondere stellten die Richter fest, dass Thüringen mit der Regelung nicht gegen die konkurrierende Gesetzgebung verstoßen hat. Dies war im Hinblick auf das Ladenschlussgesetz des Bundes zu prüfen, welches nur einen arbeitsfreien Samstag vorsieht. Besagte Vorschrift des Bundes sei allerdings nicht als abschließend zu werten. Damit hat das Gericht den Ländern ausdrücklich die Möglichkeit eröffnet, Beschäftigten im Einzelhandel in den Gesetzen zur Ladenöffnung mehr freie Samstage einzuräumen. Die SZ (Wolfgang Janisch) geht auch auf weitere Aspekte der Entscheidung und kurz auf ein Sondervotum ein. verfassungsblog.de (Maximilian Steinbeis) berichtet ebenso und spekuliert zudem über die Folgen des Urteils für den deutschen Föderalismus. Eine Meldung zum Urteil findet sich ebenso in der FAZ (Joachim Jahn).
Rechtspolitik
Dopinggesetz: Der Strafrechtsprofessor Wolfgang Schild erklärt in der SZ in einem Gastbeitrag, weshalb seiner Ansicht nach die geplante Strafbestimmung gegen Selbstdoping "untauglich" ist, um den den Schutzzweck der "Fairness und Chancengleichheit des sportlichen Wettkampfs" zu gewährleisten. Kritisch sei unter anderem die unzulässige Vorverlegung der Strafbarkeit in die Vorbereitungsphase, dies verstieße gegen das "rechtsstaatliche Tatstrafrecht".
Europäische Armee: Die FAZ (Reinhard Müller) betont, dass die Beteiligung Deutschlands an einer Europäischen Armee nur mit Zustimmung des Bundestags möglich ist, denn nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gilt der Parlamentsvorbehalt auch für den Auslandseinsatz der Bundeswehr. Der deutsche Vertreter im Rat der Europäischen Union wäre demnach dazu verpflichtet, eine Beschlussvorlage abzulehnen, die gegen den Parlamentsvorbehalt verstieße oder diesen umginge.
"TTIP-Gerichtshof": Der Völkerrechtler Till Patrik Holterhus erklärt auf verfassungsblog.de ausführlich, weshalb die Einführung eines echten Investitionsschutzgerichtes, eines "TTIP-Gerichtshofs", bei konsequenter Umsetzung "die vorgebrachten institutionellen und verfahrensrechtlichen Bedenken" im Hinblick auf den Investitionsschutz beseitigen könnte. Die SPD und insbesondere Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel haben einen entsprechenden Vorschlag vorgebracht.
Justiz
EuGH zu Produkthaftung: Der Europäische Gerichtshof entschied vergangene Woche aufgrund einer Vorlage des Bundesgerichtshofs, dass Hersteller von Produkten mit besonders hohen Sicherheitsanforderungen und -erwartungen auch haften, wenn im Einzelfall kein Fehler festgestellt wurde. "Der Sicherheitsmangel dieser Produkte, der die Haftung des Herstellers auslöse, bestehe in der anormalen Potenzialität des Personenschadens". Der Rechtsanwalt Marcus Sacré erläutert für lto.de das Urteil und weist auf dessen Bedeutung für die nationale Rechtsprechung hin – Folgen seien auch für Haftungsfragen in anderen Branchen zu erwarten.
OLG München – NSU-Prozess: Im gestrigen Verhandlungstag des NSU-Prozesses sagte der Zeuge D., ein ehemaliger Anführer der Thüringer "Blood and Honour"-Sektion, aus, er sei kein V-Mann des Thüringer Verfassungsschutzes gewesen. Verfassungsschützer hingegen hatten angegeben, D. sei eine "verlässliche Quelle" des Landesamts gewesen. Ansonsten zeigte sich D. unwissend hinsichtlich der Fragen des Richters Manfred Götzl, insbesondere eine Erklärung für die "unbeschränkte Aussagengenehmigung" durch das thüringische Innenministerium blieb aus. spiegel.de (Gisela Friedrichsen) behandelt zudem die Aussage des Zeugen Stefan H., welcher über die "Weiße Bruderschaft Erzgebirge" informierte.
Die SZ (Annette Ramelsberger/Tanjev Schultz) stellt die Umstände dar, welche wohl zu den derzeitigen gesundheitlichen Problemen Beate Zschäpes beitragen. So verbringe die Untersuchungsgefangene beispielsweise die Verhandlungspausen in einer Zelle im Keller des Oberlandesgerichts München, statt "an der frischen Luft". Das Gericht hatte im Hinblick auf die Gesundheit der Angeklagten die wöchentlichen Prozesstage reduziert.
Der NSU-Untersuchungsausschuss des hessischen Landtags befasst sich unter anderem mit der "zentralen Frage" der Verstrickung des Verfassungsschutzes in den Mordfall Halit Yozgat. Die taz (Astrid Geisler/Sabine am Orde) wertet die bisher bekannten Informationen um den Aufenthalt des Verfassungsschutzbeamten Andreas T. am Tatort sowie zu dessen V-Mann aus. Der Beitrag hinterfragt die Stellungnahme T.s zu dem Vorgang und weist auf bestehende Informationsdefizite und Unklarheiten hin.
LG Essen – Achenbach: Am gestrigen Mittwoch plädierte der Verteidiger im Betrugsprozess um Helge Achenbach dafür, "deutlich" unter dem Strafantrag der Staatsanwaltschaft zu bleiben – diese hatte eine Freiheitsstrafe von sieben Jahren gefordert. Als Begründung führte er unter anderem an, dem Aldi-Erben Berthold Albrecht sei kein Vermögensschaden entstanden, da die vermittelten Autos und Kunstwerke heute mehr wert seien als bei der Anschaffung. Die SZ (Bernd Dörries) legt die Argumentation des Verteidigers dar – das Urteil wird für Montag erwartet.
LG Kiel – Schüsse auf Finanzbeamten: Am gestrigen Mittwoch begann vor dem Landgericht Kiel das Strafverfahren gegen einen Steuerberater wegen Mordes an einem Finanzamtsabteilungsleiter in Rendsburg im September vergangenen Jahres. Der Angeklagte gestand, den Finanzbeamten erschossen zu haben, könne sich aber an Details seiner Tat nicht erinnern, da er unter starken Medikamenten gestanden habe. Ebenso habe er nicht den Plan gehabt, sein Opfer zu erschießen, seine Waffe habe er nur versehentlich dabei gehabt. spiegel.de berichtet, entscheidende Bedeutung werde dem psychiatrischen Gutachten über Persönlichkeit und Schuldfähigkeit zukommen.
StA Erfurt – Mike Mohring: Die Staatsanwaltschaft Erfurt ermittelt gegen den Thüringer CDU-Chef Mike Mohring wegen des Verdachts des Betrugs – die Abgeordnetenimmunität sei aufgehoben worden. Mohring soll, laut einer anonymen Anzeige, die Zahlen des CDU-Mitgliederverzeichnisses in seinem Wahlkreis Weimarer Land manipuliert haben, um höhere Zuschüsse zu erhalten. Er bestreitet die Vorwürfe, meldet zeit.de.
LG Heidelberg – Wolfgang Fürniß: Am gestrigen Mittwoch begann das Strafverfahren gegen den ehemaligen Wirtschaftsminister Brandenburgs, Wolfgang Fürniß, vor dem Landgericht Heidelberg wegen des Verdachts des gewerbsmäßigen Betrugs. Der Angeklagte gestand, er habe Freunde und Bekannte um fast 500.000 Euro betrogen. Der Tagesspiegel (Ursula Knapp) weist auf das Verfahren hin und resümiert kurz die Vita des ehemaligen Politikers.
Justizbarometer: Das Justizbarometer der EU versucht, die "Justizsysteme der Mitgliedsstaaten hinsichtlich ihrer Effizienz, Qualität und Unabhängigkeit zu beurteilen". lto.de (Constantin Baron van Lijnden) erläutert, wie das Justizbarometer zu verstehen ist und beschreibt die Beurteilung der deutschen Justiz – diese biete ein "gemischtes Bild".
Recht in der Welt
USA – Utah für Exekution durch Erschießen: Der Senat des US-Bundesstaats Utah plant, die Todesstrafe durch Erschießen wieder einzuführen. Nach dem Gesetzentwurf soll diese Form der Hinrichtung erlaubt sein, sofern kein Gift verfügbar ist. Die Bestände der entsprechenden Medikamente gingen unter anderem deswegen zurück, weil die EU wegen Verstoßes gegen die Anti-Folter-Konvention die Mittel nicht mehr liefere. Der Gouverneur von Utah muss dem Gesetzentwurf noch zustimmen, so spiegel.de.
Italien – Berlusconi: Das Kassationsgericht in Rom sprach den ehemaligen Regierungschef Silvio Berlusconi im Fall "Ruby" frei. Ihm wurde vorgeworfen, Sex mit einer Minderjährigen gehabt und seine Amtsmacht missbraucht zu haben, um die Freilassung der jungen Frau nach einer Verhaftung wegen Diebstahls zu bewirken. Die SZ (Oliver Meiler) informiert neben dem Freispruch auch über weitere Ermittlungen gegen Berlusconi, es bestehe der Verdacht, dass er Schweigegeld an die Besucherinnen seiner Partys gezahlt habe.
Frankreich – Impfpflicht: Das französische Verfassungsgericht wird am 20. März darüber entscheiden, ob die gesetzliche Impfpflicht gegen die Verfassung verstößt. Ein Elternpaar hatte das Gericht mit einer "vorrangigen Frage zur Verfassungsmäßigkeit" angerufen, da es der Ansicht ist, die Impfpflicht verstoße gegen das "Recht auf Gesundheit". Eltern müssen in Frankreich mit einer Geldstrafe bis zu 30.000 Euro oder mit einer Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren rechnen, wenn sie ihre Kinder nicht impfen lassen, schreibt die FAZ (Michaela Wiegel).
Irland – Ecstasy wieder verboten: Ecstasy, Ketamine und andere Drogen sind ab dem heutigen Donnerstag in Irland wieder verboten – am vergangenen Dienstag hatte ein Berufungsgericht die entsprechende Verbotsnorm für nichtig erklärt und somit für eine kurzzeitige Legalisierung einiger Drogen gesorgt. Dies meldet die FR.
Sonstiges
Forderungen von Griechenland: Die Badische Zeitung (Christian Rath) entwirrt die Forderungen von Griechenland an Deutschland – es sei zu unterscheiden zwischen Reparationen, der Rückzahlung einer Zwangsanleihe sowie persönlichen Forderungen von griechischen Opferangehörigen. Der Beitrag erläutert zudem, weshalb Deutschlands Position in allen drei Punkten juristisch "relativ stark", politisch und moralisch allerdings angreifbar sei.
Zweifel an Broken-Windows-Theorie: Die Broken-Windows-Theorie besagt, dass eine unordentliche Umgebung (Müll, Graffiti) zu einer Zunahme von Kriminalität führt, da die Unordnung ein Zeichen dafür sei, dass niemand sich für "Recht und Ordnung" einsetzt. Aufgrund dieser Theorie verfolgt beispielsweise die Polizei in New York ihre Null-Toleranz-Politik. Die SZ (Sebastian Herrmann) beschreibt im Ressort Wissen neue wissenschaftliche Erkenntnisse, welche die Broken-Windows-Theorie in Frage stellen.
Das Letzte zum Schluss
iPhone-Dieb geortet: Ein 22-Jähriger soll in Stuttgart am gestrigen Dienstag ein iPhone gestohlen haben. Der mutmaßliche Täter konnte sich allerdings nicht lange an dem Smartphone freuen, denn dank der iCloud-Funktion konnten die Ermittler das Gerät und dessen Besitzer zügig orten. Unabhängig davon, ob der junge Mann sich tatsächlich als Gesetzesbrecher entpuppt, zeigt der Fall zumindest, dass sich Diebe zwei Mal überlegen sollten, ob sie ein Smartphone stehlen wollen. Wie das schlaue Handy zu seinem Eigentümer zurück fand, meldet stuttgarter-nachrichten.de.
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Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/vb
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 12. März 2015: BVerfG zu Samstagsarbeit – Kritik an Dopinggesetz – Utah für Erschießungskommando . In: Legal Tribune Online, 12.03.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/14922/ (abgerufen am: 04.05.2024 )
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