Die Begünstigung von Unternehmen bei der Erbschaftsteuer soll laut einem Sondervotum von drei Verfassungsrichtern auch gegen das Sozialstaatsprinzip verstoßen. Außerdem in der Presseschau: Probleme bei der Umsetzung des Datenschutzes, Schlupflöcher beim Bestellerprinzip, Gutachten für Familiengerichte lassen zu wünschen übrig und was sich nachts Merkwürdiges an Tankstellen ereignen kann.
Thema des Tages
BVerfG zu Erbschaftsteuer: Das Bundesverfassungsgericht erklärte die Regelungen zur steuerlichen Begünstigung von Unternehmen im Rahmen der Erbschaftsteuer für verfassungswidrig. Diese verstießen gegen das Gleichheitsgebot. In einem Sondervotum erklären drei der acht Verfassungsrichter, namentlich Susanne Baer, Reinhard Gaier und Johannes Masing, dass die Verfassungswidrigkeit sich zudem auch aus einem Verstoß gegen das Sozialstaatsprinzip ergebe. Die Erbschaftsteuer sei auch ein Instrument des Sozialstaats. Sie diene dazu, ungleichen Lebenschancen entgegen zu wirken. Mittels der Erbschaftsteuer müsse der Staat daher verhindern, "dass Reichtum in Folge der Generationen in den Händen weniger kumuliert und allein aufgrund von Herkunft oder persönlicher Verbundenheit unverhältnismäßig" anwachse. Gerade Unternehmer mit großem Vermögen und damit erheblichen Einfluss auf das Gemeinwesen dürften nicht verschont werden, denn sonst drohe die Verfestigung ökonomischer Ungleichheit. Die Samstags-FAZ (Joachim Jahn) stellt die Argumentation des Sondervotums ausführlich dar.
Rechtspolitik
Datenschutz: Im Interview mit der FAS (Corinna Budras) erklärt Spiros Simitis, Juraprofessor mit Schwerpunkt Datenschutz, Probleme bei der rechtlichen und tatsächlichen Umsetzung des Datenschutzes. Er erläutert ebenso die Relevanz eines funktionierenden Datenschutzes für eine demokratische Gesellschaft.
Legalisierung von Cannabis: Guido Bohsem (Samstags-SZ) spricht sich für die Legalisierung von Cannabis aus. So sei das Verbot ohnehin ineffektiv, da Cannabis dennoch konsumiert werde. Auch erschließe sich aus einem Vergleich der Risiken von Alkohol- und Cannabiskonsum nicht die unterschiedliche rechtliche Behandlung dieser Rauschgifte. Eine Entkriminalisierung könnte zudem eine Besteuerung von Cannabis ermöglichen, was sich finanziell für den Staat rentieren würde.
Bestellerprinzip: Künftig sollen Mieter die Maklergebühren nur noch tragen, wenn die Makler ausschließlich für den Wohnungssuchenden tätig werden. Die Montags-SZ (Angelika Slavik) schildert die Kritik einiger Makler an diesem Bestellerprinzip. In der Branche würde zudem bereits über etwaige Möglichkeiten zur Umgehung der Neuregelung diskutiert.
In einem weiteren Artikel erklärt die Montags-SZ (Wolfgang Janisch), warum die Umgehung des Bestellerprinzips wohl kaum zu befürchten sei. Eine "stille Allianz" zwischen Vermieter und Makler beispielsweise sei ein Umgehungsgeschäft. Dieses würde nicht nur die Unwirksamkeit der Zahlungspflicht des Mieters, sondern auch ein Bußgeld nach sich ziehen.
Mautgesetz: Die Verbraucherzentrale Bundesverband kritisiert, dass das geplante Verfahren zur Erstattung der Pkw-Maut "vollkommen unzureichend und viel zu kompliziert" sei. So müssten Autofahrer, die sich nicht auf mautpflichtigen Straßen bewegen, dies selbst nachweisen, um die Maut zurückfordern zu können. Dies sei ein "unzumutbarer Aufwand", welcher letztlich sogar dazu führen könnte, dass Betroffene auf die Rückforderung verzichteten. Dies meldet die Welt.
Gesetze 2015: lto.de gibt einen Überblick über die ab dem 1. Januar in Kraft getretenen Gesetze. So wurde unter anderem der Mindestlohn eingeführt, Autos können online abgemeldet werden und die Regelungen zur Selbstanzeige bei Steuerhinterziehung wurden reformiert.
TTIP: Anfang Februar soll die achte Verhandlungsrunde zum Freihandelsabkommen TTIP beginnen. Dabei werde auch der Investorenschutz und die Schiedsgerichtsbarkeit thematisiert. EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström habe vor, die geplante Investorenschutzklausel zu entschärfen. Dies berichtet das Handelsblatt (Thomas Ludwig).
Justiz
AG Dresden - Ramelow: Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Die Linke) hat um die Aufhebung seiner Immunität gebeten. Er ist der Ansicht, nur so könne die "völlig inakzeptable Strafverfolgung beendet werden". Ramelow wird vorgeworfen gegen das Versammlungsgesetz verstoßen zu haben, indem er versucht habe eine Demonstration der Jungen Landsmannschaft Ostpreußen zu verhindern. Dies melden der Spiegel (stw) und zeit.de.
LG Hamburg - Versicherungsfall?: Ralf Dietrich verlor im Februar 2011 durch eine Tischkreissäge Daumen und Zeigefinger der linken Hand. Als er seine Versicherung in Anspruch nehmen wollte, wurde er stattdessen wegen versuchten Betrugs angezeigt. Unter anderem befasst sich die 6. Zivilkammer des Landgerichts Hamburg mit diesem Fall und ist mit Schwierigkeiten bei der Feststellung, ob ein Versicherungs- oder Betrugsfall vorliegt, konfrontiert. Dies berichtet ausführlich der Spiegel (Bruno Schrep).
Hoeneß - Freigang: Uli Hoeneß befindet sich seit vergangenem Freitag im offenen Vollzug – er hat Freigang. Dies berichtet spiegel.de und erklärt Voraussetzungen und Folgen des Freigangs.
Christian Bommarius (BerlZ) hält fest, dass der Freigang für Uli Hoeneß keineswegs die Bevorzugung eines Prominenten, sondern selbstverständlich sei. Er mahnt, dass das berechtigte öffentliche Interesse mit der Verurteilung geendet habe, weitere Berichterstattung befriedige lediglich öffentliche Neugier.
Generalbundesanwalt - Oktoberfest-Attentat: Generalbundesanwalt Harald Range will im Rahmen des Ermittlungsverfahrens zum Oktoberfest-Attentat Akten des Bundesamtes für Verfassungsschutz und des Bundesnachrichtendienstes sichten. Dies weiß der Spiegel (mba/srö).
Recht in der Welt
EU - EMRK-Beitritt: Die Europäische Kommission wird erneut über den Beitritt der EU zur Europäischen Menschenrechtskonvention verhandeln. Der Europäische Gerichtshof hatte das Beitrittsübereinkommen für europarechtswidrig erklärt. Die Samstags-FAZ (Helene Bubrowski) beschreibt rechtliche und tatsächliche Probleme hinsichtlich des Beitritts.
IStGH - Palästina: Die von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas unterzeichnete Beitrittserklärung zum Internationalen Strafgerichtshof ging am vergangenen Freitag beim Generalsekretariat der Vereinten Nationen ein. Es sei zu erwarten, dass sich der IStGH ab dem 1. April mit Delikten befassen könne, welche im palästinensischen Gebiet begangen wurden. Auch bestünde die Möglichkeit, dass die Palästinenserregierung den IStGH zu rückwirkenden Ermittlungen ermächtige. Die Samstags-SZ (Ronen Steinke) beschreibt Hintergründe und Folgen dieser Erklärung.
USA - Boston-Attentäter: Am heutigen Montag wird in New York der Prozess gegen den mutmaßlichen Boston-Attentäter Dzhokhar Tsarnaev beginnen. Er soll im April 2013 zusammen mit seinem Bruder zwei Bomben im Zielbereich des Bostoner Marathons installiert haben, welche bei der Detonation drei Menschen töteten und mehrere verletzten. Ihm drohe die Todesstrafe. Von dem Fall berichtet die taz (Dorothea Hahn).
Die taz (Dorothea Hahn) bringt zudem ein kurzes Porträt über Tsarnaevs Strafverteidigerin Judy Clarke. Diese habe bereits vergleichbare Fälle vertreten und setze sich gegen die Verhängung der Todesstrafe ein.
Belgien - Suizidhilfe für Sexualstraftäter: Frank van de Bleeken verbüßt bereits seit dreißig Jahren eine Freiheitsstrafe wegen Mordes und Vergewaltigung im Gefängnis des belgischen Brügge. Er fordert bereits seit Jahren staatliche Suizidhilfe, da er "unerträgliche psychische Qualen" erleide, und soll nun am 11. Januar durch eine Giftspritze sterben. Die Deutsche Stiftung Patientenschutz moniert "töten statt Therapie" sei die "kühle Logik der Sterbehilfepraxis in Belgien". Dies melden Montags-SZ und Montags-taz.
Russland - Nawalny:Matthias Schepp (Der Spiegel) sieht in dem Urteil gegen Alexej und Oleg Nawalny eine politisch kalkulierte Entscheidung. Sie stelle einen Kompromiss Putins zwischen den Forderungen von Gegnern und Symphatisanten Nawalnys dar. Deswegen umfasse das Urteil einerseits die drakonische Sippenhaft für Oleg und andererseits die milde Bewährungsstrafe für Alexej.
Ägypten - Kritik an Justiz: Die Menschenrechtsanwältin Amal Clooney wirft der ägyptischen Justiz fehlende Unabhängigkeit im Verfahren gegen die Al-Dschasira-Journalisten vor. Die Vorstellung eines entsprechenden Berichts habe die ägyptische Regierung, laut Clooney, durch Drohung mit Festnahme unterbunden. Diesen Vorwurf habe die Regierung allerdings zurückgewiesen. Dies melden die Montags-FAZ und focus.de.
Sonstiges
Gerechtigkeit und Rechtsstaat:"Woran kann man eine ungerechte Ordnung erkennen?" oder "wie sind die Kriterien der Gerechtigkeit und wie kann man überhaupt Gewissheit über sie erlangen?" Für die Montags-FAZ setzt sich Horst Dreier, Rechtsphilosoph, ausführlich mit diesen Fragen auseinander. Bei deren Beantwortung erläutert er verschiedene philosophische Ansichten zum Rechtsstaat.
Arbeitszeitgesetz: Die FAS (Corinna Budras) beschäftigt sich mit dem Arbeitszeitgesetz und schildert anhand des Falls Sarah Wiener, wie wichtig es ist sich an die vorgeschriebenen Arbeitszeiten zu halten. Die Sarah Wiener Gruppe betrieb Restaurants des Daimler-Konzerns in Stuttgart. Die Verträge wurden wegen Verstößen gegen das Arbeitszeitgesetz gekündigt.
Gutachten für Familiengerichte: Der Spiegel (Melanie Amann/ Ralf Neukirch) beanstandet die Qualität von Sachverständigengutachten in Familienrechtsstreitigkeiten – erhebliche Mängel seien kein Einzelfall. Grund dafür sei unter anderem, dass es keiner besonderen Qualifikation für die Erstellung entsprechender Gutachten bedürfe. Besonders gravierend sei auch, dass Richter sich meist ohne eigene Überprüfung an die Empfehlung der Sachverständigen hielten.
Informationsfreiheit: Der Tagesspiegel (Jost Müller-Neuhof) befasst sich ausführlich mit der Informationsfreiheit. Der Artikel beschreibt, weshalb das Informationsfreiheitsgesetz nicht die nötige Transparenz amtlicher Informationen bringe und wie dieses gesetzgeberische Ziel erreicht werden könnte.
Das Letzte zum Schluss
Mit dem Fahrrad an der Tanke: Wenn das Fahrrad Schwierigkeiten macht, würde ein nüchterner Mensch wohl auf die Idee kommen Kette oder Reifen zu kontrollieren. Ein betrunkener junger Mann in Rendsburg hingegen kam zu dem Schluss, dass der Tank leer sein müsse und versuchte sein Fahrrad an einer Tankstelle mit Benzin zu füllen. Dies ging ordentlich schief. Die angeforderte Polizei stellte eine Atemalkoholkonzentration von 2,44 Promille fest. Das Fahrrad verweigerte übrigens seinen Dienst, weil es am Hinterrad noch verschlossen war. Dies berichtet justillon.de (Stefan Meier).
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Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/vb
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 03. - 05. Januar 2015: Sondervotum zu Erbschaftsteuer – Freigang für Hoeneß – Suizidhilfe für Sexualstraftäter . In: Legal Tribune Online, 05.01.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/14262/ (abgerufen am: 04.05.2024 )
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