Das BVerfG muss entscheiden, inwieweit Kinder ihre potentiellen Väter zu DNA-Tests zwingen können. Außerdem in der Presseschau: Richter im NSU-Prozess sind nicht befangen, Fischer zu "Schuld und Verrücktheit" und Kündigung wegen 18 Katzen.
Thema des Tages
BVerfG – erzwungener Vaterschaftstest: Gewährt das Grundgesetz einem erwachsenen Kind einen Anspruch auf Klärung seiner Abstammung – auch wenn dies rechtliche folgenlos bliebe? Mit dieser Frage befasst sich nun das Bundesverfassungsgericht. Im vorliegenden Fall will eine mittlerweile 65-jährige Frau anhand eines DNA-Gutachtens klären lassen, ob sie tatsächlich von dem (mit ihrer Mutter nicht liierten) Mann, den sie für ihren Vater hält, abstammt. Die SZ (Wolfgang Janisch) schreibt, bisher liege ihr Fall "im toten Winkel des Rechts". Zwar gewähre das Grundgesetz ein "Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung"; normiert sei ein Anspruch auf Feststellung der Vaterschaft gegenüber Männern, die rechtlich nicht zur Familie gehören, allerdings nicht. Der Beitrag resümiert Für und Wider eines entsprechenden neuen Rechts – es sei zu erwarten, dass die Karlsruher Richter den Gesetzgeber zu "vorsichtigen Korrekturen" verpflichten. Auch die FAZ (Helene Bubrowski), taz.de (Christian Rath) und der Tsp (Jost Müller-Neuhof) befassen sich mit dem Verfahren.
Rechtspolitik
Obergrenze für Flüchtlinge: Im Interview mit zeit.de (Katharina Schuler) äußert die Juristin Christine Langenfeld rechtliche Bedenken gegenüber einer Obergrenze für Flüchtlinge. Sie hält eine solche Regelung für unvereinbar mit den Dublin-Regelungen und spricht sich für europäische Kontingente aus.
Transparenz für Versicherungen: Das EU-Parlament hat eine neue Richtlinie für die Vermittlung von Versicherungen beschlossen – diese soll Ende 2017 in Kraft treten und ermöglicht den Verbrauchern einen besseren Vergleich bestehender Angebote. Die Neuregelungen gelten für Versicherungsunternehmer und -vermittler ebenso wie für alle Unternehmen, die Versicherungen verkaufen, schreibt die FAZ (Hendrik Kafsack). In der SZ findet sich eine Meldung dazu.
Europäisches Einlagensicherungssystem: In Frage-Antwort-Form informiert focus.de über die geplante europäische Einlagensicherung und entsprechende Kritik der deutschen Regierung. Die EU-Kommission hat einen Verordnungsentwurf vorgelegt, welcher gewährleisten soll, dass die Einlagen europäischer Bankkunden gesichert werden.
Reform im Kapitalmarktrecht: Die Rechtsanwälte Jan-Henning Wyen und Henrik Humrich erläutern auf lto.de die geplanten Neuregelungen im Kapitalmarktrecht und verweisen auf zu erwartende rechtliche Probleme. Durch die Reform sollen Vorgaben der EU umgesetzt und die Transparenz im Kapitalmarktrecht verbessert werden.
Werkverträge/Leiharbeit: In einem Gastbeitrag fasst der Rechtsanwalt Thomas Hey für die FAZ die geplanten Neuregelungen des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes zusammen und erläutert kurz seine rechtliche Einschätzung. Insbesondere die Bestimmungen zur Abgrenzung zwischen Werk- und Arbeitsverträgen seien nach wie vor auslegungsbedürftig und nicht abschließend geregelt.
Justiz
LG Frankfurt a.M. zu Korruption um Flughafen FFM: Das Landgericht Frankfurt am Main hat den Immobilienentwickler Ardi Goldman wegen Bestechung im geschäftlichen Verkehr zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten verurteilt. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der Verurteilte durch Schmiergeldzahlungen in Höhe von 3,5 Millionen Euro erwirken wollte, dass zwei Grundstücke der Cargo City Süd an den Fraport Manager gehen. Die drei Mitangeklagten, so auch Jürgen Harder, erhielten Bewährungsstrafen. FAZ (Corinna Budras) und Hbl (Volker Votsmeier) schildern den Fall.
In einem separaten Kommentar führt Corinna Budras (FAZ) aus, weshalb ein "schaler Beigeschmack" das Urteil begleite. Goldman erhielt trotz geringeren Tatbeitrags eine Haftstrafe ohne Bewährung. Das Gericht habe zwar beteuert, dass dessen "rechtsfeindliche Einstellung" nicht ursächlich für die hohe Strafe gewesen sei; Budras meint jedoch, dass die große Diskrepanz zu den Bewährungsstrafen der Mitangeklagten nahelege, Goldmans' "unorthodoxes Auftreten" vor Gericht habe seine Strafe bedingt.
LG Limburg zu übersprühten Hakenkreuzen: Ein Lehrer aus Limburg hat Hakenkreuze in der Stadt übersprüht, nachdem diese die Symbole nicht entfernt hatte, und muss nun Schadensersatz für die Reinigungskosten in Höhe von knapp 1.000 Euro zahlen. Dies hatte das Amtsgericht Limburg entschieden – die Berufung des Pädagogen hat das Landgericht nun verworfen. Die SZ (Susanne Höll) berichtet, der Lehrer empfinde die Angelegenheit als "furchtbar schockierend" und werde die Forderung nicht bezahlen, er erwäge vielmehr bis vor das Bundesverfassungsgericht zu ziehen.
AG Augsburg zu Kündigung wegen Katzen: Eine fristlose Kündigung der Wohnung ist zulässig, wenn die Mieter 18 Katzen auf 100m² Wohnfläche halten. Dies entschied das Amtsgericht Augsburg, meldet spiegel.de.
OLG München – NSU: Die Richter im NSU-Prozess sind nicht befangen; ein anderer Senat des Oberlandesgerichts München hat den Antrag des Mitangeklagten Ralf Wohlleben verworfen. Dieser hatte die Ablehnung beantragt, da er nach den Umständen, wie es zur Aussagebereitschaft von Beate Zschäpe kam, befürchte, dass Gericht werde ihm keinen fairen Prozess machen. Der Vorsitzende Richter Manfred Götzl hatte in den vergangenen Monaten Kontakt mit Zschäpes neuem Wahlverteidiger Hermann Borchert, noch bevor dieser ihre Verteidigung übernahm. spiegel.de (Gisela Friedrichsen) fasst die Argumentation von Verteidigung und Gericht zusammen.
StA Braunschweig – Steuerhinterziehung VW: Die Staatsanwaltschaft Braunschweig ermittelt im Rahmen der VW-Abgasaffäre nun auch gegen fünf Personen "aus dem Bereich des VW-Konzerns" wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung. Das Verfahren beziehe sich auf 800.000 Fahrzeuge, bei denen VW falsche Angaben zum CO2-Ausstoß gemacht haben soll. Da dieser sich maßgeblich auf die Berechnung der KfZ-Steuer auswirkt, bestehe die Möglichkeit, dass das Unternehmen zu wenig Steuern gezahlt hat, so SZ (Max Hägler/Klaus Ott), FAZ (Carsten Germis) und Welt (Nikolaus Doll/Philipp Vetter).
Griechenland – Siemens: Ab kommenden Freitag werden sich 76 Angeklagte wegen des Verdachts der Bestechung öffentlicher Ämter vor einem Athener Gericht verantworten müssen. Siemens soll 1997 Schmiergelder an Beamte der griechischen Fernmeldebehörde OTE gezahlt haben, um einen lukrativen Auftrag zu erhalten. Das Hbl (Gerd Höhler) fasst die Vorwürfe zusammen und stellt zudem die Streitpunkte in dem Verfahren dar – unter anderem stellt das Gericht keine Übersetzung für die deutschen Angeklagten.
ArbG Mainz zu Vertragsbefristung: Im März diesen Jahres hat das Arbeitsgericht Mainz entschieden, dass auch für Fußballprofis das Teilzeit- und Befristungsgesetz gelte – eine Befristung des Arbeitsvertrages zwischen Klub Mainz 05 und dem Torwart Heinz Müller erklärte es für unzulässig. Die FAZ (Joachim Jahn) gibt den Arbeitsrechtler Wolf-Dieter Walker wieder, welcher darlegt, warum das Gericht arbeitsrechtlich richtig urteilte, es aber dennoch vernünftig wäre, würden die obersten Arbeitsrichter dem Klub recht geben.
Recht in der Welt
Frankreich – Flüchtlingsversorgung: Frankreich muss sich binnen 48 Stunden um die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge der Notunterkuft in Calais kümmern und innerhalb von acht Tagen gewährleisten, dass ausreichend Toiletten, Müllversorgung, Reinigung und Notfallversorgung vorhanden sind. Dies besagt eine am vergangenen Montag vom Conseil d´Etat bestätigte richterliche Anordnung. Zwei NGOs und vier Bewohner der Unterkunft hatten eine "référé liberté", "eine Art richterliche Eilverfügung gegen schwere und offensichtliche Grundrechtseingriffe", beantragt. verfassungsblog.de (Maximilian Steinbeis) schildert die Entscheidung und lobt den Conseil d´Etat.
Schweden – Asylrechtsverschärfung: Schweden plant sein Asylrecht zu verschärfen; unter anderem sollen weniger Flüchtlinge ein Bleiberecht erhalten, mehr Aufenthaltsgenehmigungen befristet und mehr Passkontrollen in öffentlichen Verkehrsmitteln durchgeführt werden. Schwedens Ministerpräsident Löfven hofft, dass Flüchtlinge dadurch dazu angehalten werden, in anderen EU-Ländern Schutz zu suchen, so spiegel.de.
Vatikanstaat – Geheimnisverrat: Zwei Journalisten und drei ehemals am Vatikan angestellte Informanten müssen sich vor einem Gericht des Vatikanstaates in einem Strafprozess verantworten, weil sie illegalerweise vertrauliche Dokumente der Kurie veröffentlicht haben sollen. Die beiden Pressevertreter haben Anfang November Bücher veröffentlicht, die belegen sollen, dass der Vatikan die Gelder der Gläubigen verschwendet. SZ (Oliver Meiler), FAZ (Jörg Bremer) und zeit.de schreiben über das erste Strafverfahren gegen Pressevertreter im Vatikanstaat.
Sonstiges
Fischer zu "Schuld und Verrücktheit": "Was hat das Böse mit dem Strafrecht zu tun?" Wo liegt die "Grenze zwischen Verantwortung und Nichtverantwortung"? Mit diesen Fragen beschäftigt sich Bundesrichter Thomas Fischer in seiner zeit.de-Kolumne. Das Böse, so Fischer, sei eine Kategorie, die dem Strafrecht entzogen sei. Ausführlich erläutert er, inwieweit "Verrücktsein" sich auf die Strafbarkeit eines Täters auswirke und geht dabei auf Schuld(un)fähigkeit, Verbotsirrtum und Maßregelvollzug ein.
"Wer hilft, erbt mehr": Die SZ (Berrit Gräber) erklärt, dass Kinder, die ihre Eltern gepflegt haben, einen größeren Teil des Erbes beanspruchen können als ihre miterbenden Geschwister – auf diese Weise werde ihr unentgeltlicher Pflegeeinsatz ausgeglichen. Da es allerdings in solchen Fällen immer wieder zu rechtlichen Auseinandersetzungen komme, raten Erbrechtler den pflegenden Kindern, ihre Leistungen exakt zu dokumentieren.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/vb
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 25. November 2015: Erzwungene Vaterschaftstests / unbefangene Richter im NSU-Prozess / Fischer zu Verrücktheit . In: Legal Tribune Online, 25.11.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/17644/ (abgerufen am: 04.05.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag