VGH BaWü zum "Mannheimer Modell"

Jura-Examen nach Bachelor ist nicht einfacher

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Juristische Bachelorstudiengänge werden häufig mit Skepsis betrachtet. Sie seien dem Staatsexamen nicht gleichwertig und Absolventen hätten es schwer auf dem Arbeitsmarkt. Aber verstoßen sie gegen den Gleichheitsgrundsatz, weil sie die klassischen Jurastudenten benachteiligen? Das "Mannheimer Modell", eine Kombination aus Bachelor und Staatsexamen,  jedenfalls nicht, entschied der VGH Mannheim.

Das "Mannheimer Modell", das Jurastudenten im Bachelor-Studiengang "Unternehmensjurist/in" mit Staatsexamensoption ermöglicht, den schriftlichen Teil der Staatsprüfung zeitlich gestreckt abzulegen, ist rechtmäßig. Dies hat der Verwaltungsgerichtshof (VGH) Mannheim entschieden, wie Ende vergangener Woche bekannt wurde (Urt. v. 10.03.15, Az. 9 S 2309/13). Den Grundsatz der Chancengleichheit verletzte das Modell nicht, obgleich dieses "Abschichten" so im herkömmlichen Jura-Studium nicht möglich ist. Mit einer Verordnung zur Änderung der Juristenausbildungs- und Prüfungsordnung (JAPrO) vom 25. August 2008 ermöglichte das Justizministerium Baden-Württemberg, zur Erprobung an der Universität Mannheim und befristet bis zum 30. April 2019, "gestufte Kombinationsstudiengänge": In diesen kann der schriftliche Teil der juristischen Staatsprüfung zeitlich "abgeschichtet" abgelegt werden. Die Universität Mannheim führte daraufhin den Studiengang "Unternehmensjurist/in" ein. Dieser sieht ein sechssemestriges Jurastudium mit einer wirtschaftswissenschaftlichen Ausbildung bis zum Bachelor vor. Haben die Studierenden die schriftliche Bachelor-Prüfung und die drei Zivilrechts-Klausuren der Staatsprüfung bestanden, können sie ein Masterstudium aufnehmen oder den zur vollständigen Staatsprüfung führenden Ergänzungsstudiengang wählen und schließlich die restlichen Klausuren der Staatsprüfung ablegen.

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Einfacher als das "normale" Jura-Examen?

Die Klägerin hatte an der Universität Tübingen im herkömmlichen Studiengang Jura studiert und war zum zweiten Mal - und damit endgültig – durch die Staatsprüfung in der Ersten juristischen Prüfung gefallen. Mit ihrer Klage erstrebte sie unter anderem eine erneute Wiederholung der Prüfung. Sie machte geltend, das "Mannheimer Modell" verstoße gegen die Chancengleichheit. Die zeitliche Abschichtung von Prüfungsleistungen verzerre den landesweiten Maßstab der Staatsprüfung. Studierende der Kombinationsstudiengänge könnten sich zunächst nur auf einen Teil des Prüfungsstoffes vorbereiten. Dies entlaste sie im nachfolgenden Abschnitt der Staatsprüfung, vor allem, was die zu erbringende Gedächtnisleistung angehe. Eine solche Vergünstigung gebe es für Studierende an anderen Hochschulen in Baden-Württemberg nicht. Das Verwaltungsgericht Sigmaringen wies die Klage ab. Der VGH hat die dagegen eingelegte Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Die Vorschriften der JAPrO über gestufte Kombinationsstudiengänge seien mit höherrangigem Recht vereinbar. Vorschriften, die für einen Beruf eine bestimmte Vor- und Ausbildung sowie das Bestehen einer Prüfung verlangten, erforderten wegen des Konkurrenzverhältnisses der Prüflinge eine besonders weitgehende Gleichbehandlung. Nach diesem im Grundrecht der Berufsfreiheit in Verbindung mit dem allgemeinen Gleichheitssatz verankerten Grundsatz der Chancengleichheit müssten für vergleichbare Prüflinge so weit wie möglich vergleichbare Prüfungsbedingungen und Bewertungskriterien gelten. Es gebe aber keine starre Regel, dass gleichzeitig erbrachte Prüfungsleistungen stets nach gleichem Prüfungsrecht behandelt werden müssten. Eine unterschiedliche Behandlung im Hinblick auf den Zeitpunkt der Prüfungsleistung verletze den Grundsatz der Chancengleichheit nur, wenn sie nicht sachgerecht sei oder dazu führe, dass die erbrachten Leistungen nicht mehr als vergleichbar betrachtet werden können. Das sei hier nicht der Fall, so die Mannheimer Richter.

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VGH: Unterschiedliche Behandlung ist (sach-)gerecht

Laut VGH spricht für die Sachgerechtigkeit der Reformbedarf der Juristenausbildung, welcher auch im Gesetz zur Reform der Juristenausbildung vom 11. Juli 2002 zum Ausdruck komme. Dieser sei damit begründet worden, dass die bisherige Juristenausbildung weitgehend auf den Richterberuf ausgerichtet sei und unzureichend auf den Anwaltsberuf sowie auf eine Tätigkeit in der Wirtschaft vorbereite. Die Regelungen über gestufte Kombinationsstudiengänge trügen diesem Reformanliegen Rechnung. Sie kombinierten Inhalte des rechtswissenschaftlichen Universitätsstudiums mit solchen nichtjuristischer Fachrichtungen. Dies trage insbesondere zur Befriedigung der Nachfrage nach Volljuristen mit ausgeprägtem wirtschaftswissenschaftlichem Sachverstand bei. Auch die Annahme des Verordnungsgebers, die für beide Vergleichsgruppen jeweils geltenden Anforderungen zur Ablegung der staatlichen Pflichtfachprüfung seien vergleichbar, sind nach Ansicht der Verwaltungsrichter nicht zu beanstanden. Die Möglichkeit, Aufsichtsarbeiten zeitlich abgeschichtet zu schreiben, führe im Hinblick auf die zu erbringende Gedächtnisleistung und physische wie psychische Belastungen zwar zu einem Wettbewerbsvorteil für Studierende des Kombinationsstudiengangs.

Dafür mehr BWL: kein Wettbewerbsvorteil feststellbar

Dem stünden allerdings erhebliche Nachteile gegenüber, denen Absolventen des herkömmlichen Studiengangs nicht ausgesetzt seien. Denn Studierende des Kombinationsstudiengangs hätten in der Bachelor-Phase zu etwa einem Drittel wirtschaftswissenschaftliche Studieninhalte zu bewältigen und zahlreiche studienbegleitende Prüfungen in den Wirtschaftswissenschaften abzulegen. Auch könnten sie die Abschichtungsmöglichkeit nur in einem engen zeitlichen Rahmen in Anspruch nehmen. Schließlich würden sie in der mündlichen Prüfung trotz Abschichtung im Pflichtstoff aller Rechtsgebiete geprüft. Bei der gebotenen Gesamtschau konnten die Richter danach einen klaren und ins Gewicht fallenden Wettbewerbsvorteil gegenüber den Studierenden im herkömlichen System nicht feststellen. Zu beurteilen, ob die zu erbringenden Prüfungsleistungen (noch) vergleichbar seien oder (schon) den Wettbewerb verzerrten und damit den Grundsatz der Chancengleichheit verletzten, sei in dieser Lage Sache des Normgebers. Dafür spreche auch, dass der Bundesgesetzgeber den Ländern ausdrücklich die Option einräume, Prüfungsleistungen abzuschichten. Ein Spielraum des Verordnungsgebers könne umso eher hingenommen werden, als eine in der JAPrO vorgeschriebene Evaluierung sicherstelle, dass der Normgeber die Wettbewerbssituation während des Erprobungszeitraums beobachte und bei auftretenden Verzerrungen gegebenenfalls Abhilfe schaffe. acr/LTO-Redaktion

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