US-Law Schools in der Krise

The great legal depression

von Constantin Baron van LijndenLesedauer: 5 Minuten
Dass das Jurastudium deprimierend sei, hört man immer wieder einmal. Der Blick nach Amerika zeigt jedoch: Es könnte alles schlimmer sein. Die hohen Studiengebühren kann der schwächelnde Anwaltsmarkt oft nicht mehr kompensieren, alarmierende Depressionsraten unter Studenten passen zu den Schreckensbotschaften über das Leben und Lernen an den Law Schools.

Wenn einschlägige amerikanische Justiz- oder Wirtschaftsmedien in den letzten Jahren über Law Schools berichtet haben, dann oft in einer Tonalität, wie man sie sonst bei Artikeln über Scientology oder Crystal Meth vermuten würde. "Bleibt bloß weg!" lautet der relativ einhellige Rat an alle High School Absolventen, die mit einer juristischen Karriere liebäugeln. Diverse Blogs dokumentieren die Missstände im amerikanischen Law-School-Wesen minutiös; der wohl größte, "Inside the Law School Scam", verzeichnet mehrere Millionen Zugriffe und über 50.000 Nutzerkommentare. Hinter alledem verbirgt sich keine Verschwörung alternder Juristen, die ihre Pfründe sichern wollen, sondern eine handfeste Rezession. Der Anwaltsmarkt wirft für viele nicht mehr genug Geld ab, um den Eintrittspreis in Form von Studiengebühren zu rechtfertigen. Und die sind beträchtlich; sie reichen von etwa 10.000 (für sehr günstige und wenig prestigeträchtige Law Schools) bis zu 57.000 US-Dollar (für Spitzenuniversitäten wie Columbia, Yale oder Harvard). Wohlgemerkt: pro Jahr, bei einer Studienzeit von drei Jahren, und zuzüglich Zinsen, Ausgaben für Lernmaterial und Lebenserhaltungskosten. Der durchschnittliche amerikanische Volljurist kam so im Jahr 2012 auf eine Schuldensumme von 122.158 US-Dollar (bei Besuch einer privaten) bzw. 84.600 US-Dollar (bei Besuch einer öffentlichen) Law School. Darin nicht enthalten sind zudem die Kosten der vorherigen Ausbildung. Anders als in Deutschland ist Jura in den USA kein grundständiges Fach. Wer an die Law School will, muss zuvor einen Bachelor an der Uni machen – der ist zwar vergleichsweise günstiger, schlägt über vier bis fünf Jahre Studienzeit aber auch schnell mit einer niedrigen bis mittleren fünfstelligen Summe zu Buche.

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Gehälter: Top oder Flop, wenig dazwischen

Diesen Kosten stehen zwar enorme Einstiegsgehälter gegenüber, die bei einigen Law Firms deutlich jenseits der 160.000 Dollar liegen. Aber entsprechende Jobs sind in den USA mindestens so schwer zu kriegen wie in Deutschland – und mit nicht weniger großen Belastungen verbunden. Hier wie dort verläuft die Einkommensverteilung zudem alles andere als gleichmäßig: Das Gros der Gehälter liegt im Bereich zwischen 40.000 und 70.000 Dollar, daneben gibt es die Spitzenverdiener – und dazwischen relativ wenig. Nach Steuern, Altersvorsorge, Lebenserhaltungskosten usw. bleibt den Berufsanfängern von ihrem Einstiegsgehalt von beispielsweise 55.000 Dollar also nicht allzu viel übrig, um den eigenen Schuldenberg abzutragen. Freilich mehr als bei jenen, die im Anschluss an die Law School überhaupt keine Anstellung finden. Neun Monate nach ihrem Abschluss waren gut elf Prozent der Absolventen des 2013-er Jahrgangs noch erfolglos auf Jobsuche, weitere 20 Prozent arbeiteten in Berufen, für die ein Law School Abschluss gar nicht notwendig gewesen wäre. Darüber, ob er zumindest einen Vorteil im Bewerbungsverfahren bedeutet, gehen die Ansichten weit auseinander.

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2/2: Die Law School lohnt sich – für ihre Betreiber

Noch ungünstiger stehen schließlich diejenigen Studenten da, die an der Abschlussprüfung, dem sogenannten Bar Exam, scheitern. Sie haben beträchtliche Mengen an Zeit und Geld investiert, und können doch nicht in die juristische Berufswelt eintreten. Einige Law Schools tun sich in dieser Hinsicht besonders negativ hervor. Sie lassen viele Absolventen zu, deren bisherige akademische Leistungen es als unwahrscheinlich bis unmöglich erscheinen lassen, dass sie das Bar Exam jemals bestehen werden. Die Erkenntnis, dass der Besuch einer Law School sich vor allem für deren Betreiber lohnt, hat sich in Amerika über die letzten fünf Jahre von akademischer Häresie zur Binsenweisheit gemausert. Folgerichtig sind auch die Zahlen der Studienanfänger drastisch gesunken: Hatten sich 2010 noch 52.488 neue Studenten an Law Schools eingeschrieben, waren es 2014 nur 37.924 – ein Rückgang von etwa 30 Prozent in vier Jahren. Zwar hat eine Studie 2013 ergeben, dass der Besuch einer Law School sich in der großen Mehrheit der Fälle über das spätere Arbeitsleben hinweg auszahle. Die Untersuchung krankt aber unter anderem daran, dass sie nur Zahlenmaterial bis 2011 einbezieht. Den Umstürzen, die sich im US-amerikanischen Anwaltsmarkt vor allem während der letzten Jahre vollzogen haben und weiter fortsetzen, kann sie somit naturgemäß nicht Rechnung tragen.

Konkurrenzdruck und berufliche Ängste befördern psychische Erkrankungen

Der Konsens zahlreicher Analysten geht inzwischen dahin, dass sich der Besuch einer Law School nur noch dann mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit auszahlt, wenn man es in eine der 50 besten Schulen des Landes schafft – und dort wiederum zu den besten Absolventen zählt. Naturgemäß erhöht dieser Befund den Druck auf die Studenten in einem Studienfach, das ohnehin seit jeher von Konkurrenzdenken und einer "up or out"-Attitüde geprägt ist. Bedenkliche Ergebnisse lieferte in diesem Zusammenhang eine unlängst durchgeführte Befragung an Yale, einer der namhaftesten Universitäten des Landes. Von den insgesamt 650 Studenten der dortigen Law School nahmen 296 teil; davon wiederum erklärten 70 Prozent (206), dass sie im Laufe ihres Studiums mit psychischen Problemen zu kämpfen gehabt hätten. 50 Prozent gaben an, hierdurch in ihrer akademischen Leistungsfähigkeit eingeschränkt zu sein, und 56 Prozent erklärten, die Probleme würden ihre privaten Beziehungen belasten. Natürlich muss man in Rechnung stellen, dass es sich dabei lediglich um Selbstdiagnosen handelt, und dass die Quote psychischer Probleme unter den 354 Studenten, die nicht an der Befragung teilgenommen haben, vermutlich niedriger ist. Nichtsdestotrotz lassen auch diese Zahlen den Besuch einer Law School nicht unbedingt als begehrenswertes Ziel erscheinen. Die Probleme, welche die amerikanischen Nachwuchsjuristen plagen, spielen im Übrigen selbstverständlich auch in Deutschland eine Rolle. Durch ein staatlich finanziertes Bildungssystem, eine bessere soziale Absicherung und einen weniger stark gebeutelten Anwaltsmarkt sind sie für die meisten Jurastudenten und Berufsanfänger hierzulande jedoch deutlich erträglicher. Nachtrag, 04.02.2015, 11:41: Wer dennoch mit dem Besuch einer amerikanischen Law School liebäugelt - vielleicht auch nur als Gasthörer oder für einen LL.M. - der findet hier eine Übersicht der zwanzig besten Law Schools des Landes.

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Anwaltsmarkt USA

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