Studie zur Bewertung in juristischen Staatsexamen

Werden Frauen und Migranten dis­kri­mi­niert?

von Peggy FiebigLesedauer: 4 Minuten
Eine groß angelegte Studie kommt zu dem Ergebnis, dass Frauen und Migranten im Vergleich zu Männern beziehungsweise Deutschen schlechter im Examen abschneiden. Warum das so ist, vermochten die Forscher nicht eindeutig zu beantworten.

Frauen werden in den juristischen Staatsexamina schlechter beurteilt als ihre männlichen Kandidaten. Das gleiche gilt für Studenten beziehungsweise Referendare mit Migrationshintergrund gegenüber jenen mit deutscher Herkunft. Bei zwei zu vergleichenden Prüflingen mit gleichem Alter, gleicher Abiturnote und gleichem Prüfungszeitraum verstärkt sich dieser Effekt sogar noch. Zu diesen wesentlichen Ergebnissen kommt eine groß angelegte Studie, die Andreas Glöckner von der Fernuniversität Hagen, Emanuel Towfigh von der EBS Universität Wiesbaden und Christian Traxler von der Hertie School of Governance im Auftrag des Nordrhein-Westfälischen Justizministeriums durchgeführt haben. Eine ähnliche Untersuchung wurde bereits 2014 veröffentlicht, diese wertete allerdings nur Zahlenmaterial aus dem ersten Staatsexamen aus. Auf einer deutlich breiteren Datenbasis, die auch die Ergebnisse der zweiten juristischen Staatsprüfung umfassen, wurden die Ergebnisse der damaligen Studie jetzt bestätigt. Insgesamt sind die Noten von fast 20.000 Personen ausgewertet worden, gut die Hälfte davon Frauen. Die Daten wurden den Forschern dabei vom Landesjustizprüfungsamt Nordrhein-Westfalen zur Verfügung gestellt. Ob bei den Kandidaten ein Migrationshintergrund vorlag, wurde anhand einer onomastischen Analyse festgestellt, bei der aus einer Kombination von Vor- und Nachnamen die Herkunftsregion abgeleitet wurde. Außerdem wurden Informationen zum Geburtsland beziehungsweise zur Staatsangehörigkeit berücksichtigt.

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Unterschiede gerade in der mündlichen Prüfung

Die festgestellten Unterschiede in der Benotung sind der Studie zufolge besonders in der mündlichen Prüfung feststellbar. Die durchschnittliche Benotung von Frauen fällt dort um rund 2,4 Prozent schlechter aus als für Männer. In der anonymisierten schriftlichen Prüfung beträgt der Notenunterschied hingegen 1,9 Prozent. In Zahlen: Bei gleicher Vorbenotung in der schriftlichen Prüfung erzielen Frauen eine um etwa 0,2 Punkte schlechtere Note in der mündlichen Prüfung. Und noch einen deutlichen Unterschied gibt es: Für Frauen ist es der Studie nach schwieriger, den nächsten erheblichen Notenschwellenwert zu erreichen, also entweder die 4,0 Punkte (ausreichend), 6,5 Punkte (befriedigend), 9,0 Punkte (vollbefriedigend) oder 11,5 Punkte (gut). Bei den enormen Auswirkungen, die die Note in der Praxis auf die berufliche Karriere von Juristen hat, ein nicht zu unterschätzender Effekt. Allerdings - und das ist das Bemerkenswerte, wie die Forscher betonen - nivellierten sich die genannten Unterschiede, wenn die Leistung auch von mindestens einer weiblichen Prüferin beurteilt wird.

Woran kann es liegen?

Die Forscher empfehlen daher zum einen, dass an jeder Prüfungskommission eine Frau beteiligt sein sollte, und zum anderen, dass den Prüfern die Vornoten nicht bekannt gemacht werden sollten. Denn häufig erfolge die Notenvergabe mit Blick auf die nächsterreichbare Notenschwelle, aber eben mit einer Ungleichbehandlung zu Lasten von Frauen und auch von Menschen mit Migrationshintergrund. Für letztere liegt die Wahrscheinlichkeit, ein Prädikatsexamen zu erreichen, bei lediglich knapp sieben Prozent. Sie ist damit um 24 Prozentpunkte niedriger als in der "deutschen" Vergleichsgruppe. Über die Gründe für die Ungleichbehandlung lässt sich nur mutmaßen, denn auf diese Frage gibt die Studie keine Antwort. Eine Diskriminierung als Faktor für die beobachteten Bewertungsunterschiede aufgrund von Herkunft oder Geschlecht könne nicht ausgeschlossen werden, meinten zumindest die Forscher selbst, als sie die Studie am Donnerstag in Berlin vorstellten. Eine demotivierende Wirkung könnten aber auch die immer noch verwendeten Rollentypisierungen in den Studien- und Prüfungsmaterialien haben: Tanja Altunjan vom Deutschen Juristinnenbund verwies auf die Ergebnisse der Studie zu (Geschlechter)-Stereotypen in der Juristischen Ausbildung, die im vergangenen Jahr an der Universität Hamburg erstellt wurde. Dort ist man zu dem Ergebnis gekommen, dass in den vielen gestellten Fällen Frauen häufig über ihren Mann definiert werden und selten berufstätig sind. Solche Bilder könnten durchaus eine Wirkung auf das Selbstbewusstsein und damit auch das Auftreten von Studentinnen oder Referendarinnen in der mündlichen Prüfung haben, so Altunjan.

NRW: Mehr Frauen in die Prüfungsausschüsse, Vornoten sollen bleiben

Allerdings weist die Präsidentin des nordrhein-westfälischen Landesjustizprüfungsamtes Christina Halstenberg-Bornhofen, die die Studie in Berlin mitvorstellte, darauf hin, dass zumindest in ihrem Bundesland mittlerweile sehr genau darauf geachtet werde, dass die Prüfungsaufgaben Geschlechter und Herkunftsstereotype nicht mehr bedienten. Sie verspricht auch, zumindest eine der Empfehlungen aus der Studie aufzugreifen: Künftig sollen mehr Frauen die Examina mitabnehmen. Und auch, wenn die Untersuchung hierfür mangels entsprechender Daten keine Grundlage bietet, will sie auch die Beteiligung von mehr Prüfern mit Migrationshintergrund fördern. Es sei das vordringliche Ziel, mehr Frauen und mehr Personen mit Migrationshintergrund für die Prüfungskommissionen zu gewinnen, sagte Halstenberg-Bornhofen gegenüber LTO. Skeptisch sieht die Präsidentin des Landesjustizprüfungsamtes allerdings die zweite Empfehlung der Forschergruppe, die Vornoten den Prüfern nicht mehr bekannt zu geben, um so eine objektivere Bewertung ohne Blick auf die nächste Notenschwelle zu gewährleisten. Unterschiedlich leistungsfähigen Prüflingen würden unterschiedliche Fragen gestellt, sprich: Eine "Viererkandidatin" werde anders geprüft als jene Kandidatin, die Aussicht auf ein Prädikat hat. Diese Differenzierung nach der Leistungsfähigkeit sei richtig und notwendig, so Halstenberg-Bornhofen.

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