Examen mit oder ohne Repetitor?

(K)eine Frage des Prinzips

von Jens KahrmannLesedauer: 5 Minuten
"Es kann nicht sein, dass man jahrelang studiert, um sich dann von aufgeblasenen, selbstgefälligen Idioten erklären zu lassen, was man alles nicht kann", wettert die Repetitoriumsgegnerin. Der blinde Befürworter sagt: "Ich habe nie ernsthaft drüber nachgedacht, nicht zum Repetitor zu gehen." Beide Haltungen sind fehl am Platze, glaubt Jens Kahrmann.

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Ein Blick in einschlägige Abhandlungen zum Thema verrät, dass die Repetitoren auf eine sehr lange Tradition zurückblicken können. Schon Mitte des 19. Jahrhunderts sammelten geschäftstüchtige Herren die Fragen aus dem in Preußen damals noch rein mündlichen ersten Examen und bereiteten die Prüflinge – zu denen auch Bismarck gehörte - anhand dieser Fragelisten ganz gezielt vor. Dass die Repetitoren bis heute fest im Sattel sitzen, liegt vor allem in der Struktur des Jurastudiums begründet, die bis in die jüngere Vergangenheit noch viel desaströser war als heute. Zwischenprüfungen sah das Deutsche Richtergesetz erst ab Mitte der achtziger Jahr vor. Früher wurde der angehende Jurist bis zum Ende des Studiums also nicht einmal annähernd mit dem Druck und den Anforderungen konfrontiert, die ihn im Examen erwarteten. Und die Universitäten ließen die Studenten im Regen stehen und verzichteten darauf, eigene Repetitionskurse anzubieten, die einen solchen Namen verdienen würden.

Uni-Reps soweit das Auge reicht

Inzwischen hat sich die Sachlage gewandelt. Nicht nur, dass es mehr oder minder anspruchsvolle Zwischenprüfungen als Examens-Appetizer gibt. Auch universitäre Repetitorien  sind – nicht zuletzt dank der Initialzündung durch die Studiengebühren – wie Pilze aus dem Boden geschossen. Als Beispiel mag der Hamburgische Examenskurs (HEX) der Universität Hamburg dienen.
Dessen Angebot kann sich durchaus sehen lassen: Ein Vollkursprogramm inklusive allem, was das Herz begehrt: Wöchentliche Übungsklausuren, kostenlose Skripten zu jedem Rechtsgebiet, zwei Probeexamina pro Jahr, eine wöchentliche Veranstaltung zur aktuellen Rechtsprechung sowie wöchentliche Prüfungssimulationen. Abgerundet wird das Ganze durch das "HEXamenscoaching", bei der eine Psychologin Fragen zu Lerntechniken, Zeitmanagement und Examensangst beantwortet. "30 bis 50 Teilnehmer haben wir – je nach Veranstaltung", sagt der wissenschaftliche Mitarbeiter Florian Nahrwold, der den HEX betreut. Das ist nicht viel, wenn man bedenkt, dass in Hamburg vier große Repetitorien ansässig sind, deren Gruppen überwiegend wohl nicht viel kleiner sind.
Der Run auf die Repetitoren ist vielmehr ungebrochen. Das bestätigt auch Rechtsanwalt Frank Hansen, der schon lange als Repetitor für Alpmann-Schmidt in Hamburg und Berlin tätig ist: "Eine spürbare Veränderung in den Teilnehmerzahlen habe ich in den vergangenen Jahren nicht bemerkt."

Examen mit Repetitor

Warum aber gehen auch heute viele Studenten zum kommerziellen Repetitor, obwohl die universitären Angebote besser geworden sind? Christoph Greggersen, ebenfalls wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Hamburg, sagt, dass ihn die Angst vor einer schlechten Note getrieben habe: "Denn es gibt ja die Horror-Visionen, die über Juristen ohne vollbefriedigendes Examen verbreitet werden." Er ist sich sicher: "Geschafft hätte ich es wohl auch so, aber ich hätte wesentlich schwächer abgeschnitten." Der Hamburger Referendar Daniel Welss hat sich ebenfalls für das kommerzielle Repetitorium entschieden. Das Universitätsrepetitorium kam für ihn nicht in Betracht – zu seiner Zeit hätten dort viele Professoren im Wesentlichen ihren normalen Lehrstil gepflegt: "Die Universität ist gespickt von Professoren, die sich selbst nicht verändern wollen und zwar gegen kommerzielle Anbieter wettern, aber sich nicht dafür erwärmen können, den Examenskurs anders und spezieller zu gestalten, als ihre jeweilige Veranstaltung im laufenden Studium." Frank Hansen von Alpmann-Schmidt kennt diese Skepsis von seinen Kursteilnehmern: "Viele Studenten trauen der Uni nicht." Das Vertrauen in den kommerziellen Repetitor hingegen würden oft Bekannte und Verwandte schaffen – "und natürlich die herausragenden Ergebnisse, die mitunter von unseren Kursteilnehmern erzielt werden."

Examen ohne Repetitor

Dass man freilich auch ohne kommerzielles Repetitorium erfolgreich durch das Examen kommen kann, legt eine oft zitierte Studie des Bildungs- und Forschungsministeriums des Bundes aus dem Jahre 1996 nahe. Danach unterscheiden sich die Noten von Kommerz-Rep-Gängern nicht von denen der "Abstinenzler". Lebender Beweis sind tausende von Absolventen, die sich ohne kommerzielles Repetitorium vorbereitet haben. Assessor Christoph Gerken ist einer ihnen. Ihn hielt vor allem seine  finanzielle Situation vom Besuch des kommerziellen Repetitors ab. Dies bereut er nicht: "Ich bin mir in der Gesamtschau ziemlich sicher, dass die Nicht-Rep-Entscheidung richtig gewesen ist. Auch, dass mein zweites Examen nicht ganz so gut ausgefallen ist wie erhofft, hatte eher nichts mit einem fehlendem Rep zu tun, sondern mit fehlender Klausurschreibepraxis." Maria Pregartbauer, die an der HU Berlin promoviert, hat sich den Gang zum Kommerz-Rep ebenfalls gespart. Der war für sie nur ein Notfallplan, " falls man merken sollte, dass die beste Lerngruppe der Welt nicht funktioniert bzw. man den Stoff nicht sortiert bekommt. Das war ja mit das größte Problem - das Auffinden passender Literatur." Auch das hat sie gemeistert und ist überzeugt, ihre Entscheidung sei richtig gewesen.

Die Lösung: Ohne Vorurteile sorgfältig abwägen!

Was also sollte man tun? Zunächst einmal: Niemandem glauben, der meint, es gebe nur den einen richtigen Weg der Examensvorbereitung. Die Frage, ob man sich eines Repetitors bedient, sollte keine ideologische sein. "Sicher lebt der Repetitor davon, dass die Studierenden meinen, sie würden es ohne ihn nicht schaffen", räumt Frank Hansen ein - um gleich hinterherzuschieben: "Aber wir befördern das nicht." Das mag man anders sehen. Festzuhalten bleibt, dass der kommerzielle Repetitor nicht dafür verantwortlich ist, dass zwei Wochen voller Examensklausuren allein über Wohl und Wehe des Nachwuchsjuristen entscheiden. Kommerzielle Repetitorien sind also nicht die Verkörperung des Bösen und zwingend zu meiden. Insofern kann man es durchaus kritisch sehen, wenn sich Universitäten genötigt fühlen, entsprechende Haus- und Werbeverbote  zu erteilen. Andererseits gilt: Kommerzielle Repetitoren sind auch keine Patentlösung für das Examen. Das beweisen die vielen Durchfaller, von denen statistisch gesehen ebenfalls die meisten beim Repetitor gewesen sein müssen. Welcher Weg für einen selbst der Richtige ist, erschließt sich vielmehr nur dann, wenn man alle Faktoren berücksichtigt. Wie sieht meine finanzielle Lage aus? Welcher Lerntyp bin ich? Kann ich mich ohne fremde Hilfe disziplinieren? Wie gut ist das Universitätsrepetitorium zum jetzigen Zeitpunkt? Benötige ich die psychologische Sicherheit, die mir das Schwimmen mit dem Strom vermittelt? Frank Hansen von Alpmann Schmidt rät: "Ein kommerzieller Repetitor kann sicher nicht schaden. Aber wer sich ähnlich vorbereitet, kann es auch ohne ihn schaffen. Man sollte verschiedene Dinge ausprobieren."  Dem ist nichts hinzuzufügen.

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