Berufseinstieg und Bewerbung als Junganwalt

Haben Sie schon mal gear­beitet?

von Sabine OlschnerLesedauer: 5 Minuten
Referendariat absolviert, das zweite Staatsexamen in der Tasche – jetzt müssen sich Assessoren auf dem Arbeitsmarkt behaupten. Wie können sich frischgebackene Volljuristen erfolgreich bei Kanzleien bewerben? Von Sabine Olschner.

Dass eine gute Bewerbung fehlerfrei und übersichtlich strukturiert sein muss, ist selbstverständlich. Doch bei den Details, die eine gute Bewerbung ausmachen, herrscht Unsicherheit, denn unterschiedliche Arbeitgeber wollen unterschiedliche Dinge lesen. Worauf kommt es also an, um eine Kanzlei positiv auf sich aufmerksam zu machen? Sicher ist: Der erste Satz eines Bewerbungsanschreibens sollte sitzen. "Hiermit bewerbe ich mich bei Ihnen als ..." ist kein spannender Einstieg und erregt beim erfahrenen Personaler kaum Interesse. "Überlegen Sie sich etwas Individuelles", rät Wolf Kahles, Leiter der HR-Abteilung bei Clifford Chance. "Damit sind keine Lobhudeleien auf unsere Kanzlei gemeint. Vielmehr punkten Bewerber, die gleich zu Beginn echtes Interesse an uns und unserer Arbeit signalisieren, um ihre Motivation dann im Anschluss zu erläutern." Dr. Jan-Erik Pötschke von Ahlers & Vogel interessiert sich während des Lesens vor allem dafür, warum der Bewerber meint, dass er genau der richtige für die Kanzlei ist. "Das Anschreiben soll Neugier wecken und das Wesentliche, das ich über den Bewerber wissen muss, kurz und knapp zusammenfassen", so der Partner. Besonders steche aus der Masse hervor, wer sich bei seiner Bewerbung auf eine Empfehlung für die Kanzlei berufen könne.

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Relevant außer der Examensnote: Hochschulrenommee und Abizeugnis

Die Sache mit den Examensnoten, die für Juraabsolventen noch viel entscheidender sind als anderswo, handhaben Kanzleien unterschiedlich. Für einige von ihnen ist ein Vollbefriedigend oder besser Grundvoraussetzung, andere geben sich auch mit einem weniger guten Abschluss zufrieden. Für Dr. Jochen Markgraf zum Beispiel, Partner bei Glade Michel Wirtz, sind zwei Prädikatsexamen ein Muss. "Hinzu kommt, dass Bewerber eine Promotion abgeschlossen haben oder eine solche zumindest anstreben müssen", so Markgraf. Ohne (angestrebten) Doktortitel steigt man dort nicht ein. Das Thema der Promotion ist für den Partner zweitrangig und muss nicht zwingend im Gesellschaftsrecht oder Kartellrecht liegen. Allerdings biete es sich trotzdem an, dieses zu nennen, weil sich so eventuell Anknüpfungspunkte im Vorstellungsgespräch ergäben. Andere Arbeitgeber sehen ein Prädikatsexamen zwar gern, doch eine schlechtere Note ist für sie kein Ausschlusskriterium. "Die Note ist wichtig, aber nicht alles entscheidend. Uns interessieren auch die Vorkenntnisse des Bewerbers, zum Beispiel im Wirtschaftsrecht", sagt Pötschke. Manch ein Personalverantwortlicher schaut auch darauf, wo ein Bewerber studiert hat. "Es gibt einfach Universitäten und Hochschulen, die ein besonders hohes Renomee haben", sagt Kahles. "Das heißt aber nicht, dass wir nicht auch interessante Kandidaten von anderen Universitäten einladen." Und auch auf das Abiturzeugnis wirft er einen Blick. "Die Leistungen in der Schule sagen oft viel über den künftigen beruflichen Erfolg aus", ist seine Erfahrung. Karriereberater Christian Püttjer rät für den Fall, dass die Noten nicht ganz optimal sind, andere Stärken herauszuarbeiten: Arbeitserfahrung in bestimmten Rechtsgebieten, wirtschaftliches Denken, der Wille, sich schnell einzuarbeiten. In der Branche sollte man auch netzwerken, so der Bewerbungsberater. Insbesondere, wenn man in ein Nischen-Rechtsgebiet oder eine Boutique einsteigen will, denn: "Nicht alle Stellen werden offen ausgeschrieben."

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2/2: Spezialisierung und Arbeitserfahrung

Methodische Kompetenz – also Kenntnisse in einem bestimmten Arbeitsbereich beziehungsweise Rechtsgebiet – werden im Arbeitsleben immer wichtiger, sagt Püttjer. Daher empfiehlt er Bewerbern, ihre Spezialisierungen, sofern sie schon vorhanden sind, auf jeden Fall anzugeben. "Es reicht nicht aus, einfach die Stationen des Referendariats aufzulisten", so Püttjer. "Geben Sie stattdessen in Stichworten unter jeder an, welche Tätigkeiten Sie dort verrichtet haben. Das ist viel aussagekräftiger." Markgraf legt zudem Wert auf lebendige Lebensläufe, die signalisieren, dass der Bewerber wirklich als Rechtsanwalt arbeiten möchte – und nicht bloß deshalb, weil gerade keine passende Richterstelle frei war. Bewerber sollten Lust darauf haben, sich zu einer Anwaltspersönlichkeit ausbilden zu lassen.

Und was machen Sie so in Ihrer Freizeit?

Interessante Hobbys können ein Aufhänger für das Vorstellungsgespräch sein, daher empfiehlt es sich, sie im Lebenslauf zu nennen. Kahles findet es beispielsweise spannend, Gemeinsamkeiten zu entdecken, auf die man im Gespräch eingehen kann. "Sportlicher Ehrgeiz ist zum Beispiel ein Hingucker", auch Pötschke. Bei Glade Michel Wirtz befänden sich unter den Anwälten viele Fußballfans, was unter anderem auch in den Stellenanzeigen sichtbar wird, sagt Markgraf. Darauf Bezug zu nehmen, kann wohl nicht schaden. Was das Vorstellungsgespräch angeht, sind sich die befragten Kanzleien einig: Es ist ein Gespräch auf Augenhöhe, um den Kandidaten besser kennenzulernen und herauszufinden, ob er in die Kanzlei passt. Püttjer empfiehlt, sich auf Fragen vorzubereiten, die mit großer Wahrscheinlichkeit gestellt werden: Warum haben Sie sich für unsere Kanzlei entschieden? Welche Erfahrungen in unseren Rechtsgebieten können Sie vorweisen? Was sind Ihre Stärken und Schwächen? Kahles interessiert zudem, wo sich der Bewerber ebenfalls beworben hat. "Das zeigt uns, wie fokussiert der Kandidat vorgeht und mit wem wir konkurrieren." Pötschke möchte im Gespräch herausfinden, warum der Jurist Anwalt werden will. "Viele Bewerber sind sich nämlich gar nicht genau bewusst, was dieser Beruf bedeutet", so seine Erfahrung. Bei Glade Michel Wirtz haben die Kandidaten zudem nach dem Bewerbungsgespräch, das Partner und Counsel führen, die Möglichkeit, mit Associates essen zu gehen und so die vielleicht künftigen Kollegen kennenzulernen.

Do you speak English?

Englisch ist in vielen, vor allem international tätigen Kanzleien, ein Muss. Auf ihre Kenntnisse überprüft werden jedoch die wenigsten Bewerber. "Wenn jemand eine längere Zeit im Ausland studiert oder gelebt hat, gehen wir davon aus, dass sein Englisch gut ist", sagt Kahles. Nur wenn im Lebenslauf nicht erkenntlich ist, dass fundierte Sprachkenntnisse vorhanden sind, kann es sein, dass Teile des Vorstellungsgesprächs als Test auf Englisch stattfinden. Wie einige Konkurrenten bietet auch die Kanzlei Bewerbern, die trotz mangelnder Englischkenntnisse überzeugen, vor dem Berufseinstieg Sprachkurse an. Zuletzt steht die spannende Frage nach dem Gehalt an. "Die meisten Bewerber haben sich im Internet informiert und wissen recht genau, was sie verlangen können", so Pötschkes Erfahrung. In seiner Kanzlei gibt es beim Gehalt eine Spanne für Einsteiger: Wer zum Beispiel Auslandserfahrungen oder einen Doktortitel mitbringt, kann mehr erwarten. Bei Glade Michel Wirtz hingegen erhalten alle Einsteiger das Gleiche: 100.000 Euro, da alle Berufseinsteiger mit Doppelprädikat und Promotion die gleichen Voraussetzungen mitbringen. Fazit: Auch wenn derzeit aus Juristensicht ein Bewerbermarkt herrscht, also mehr Stellen offen sind als es dafür qualifizierte Assessoren gibt, sollten Berufseinsteiger an ihrer Bewerbung trotzdem gewissenhaft feilen. Wer seine Vorzüge geschickt unterstreicht, kann den einen oder anderen Makel ausgleichen und sich souverän von der Masse abheben.

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