Streit um teure Modernisierungsmaßnahmen

Ein Rechts­re­fe­rendar gegen Ber­lins Immo­bi­li­en­riesen

von Marcel SchneiderLesedauer: 4 Minuten
Florian Hille absolviert zurzeit seinen juristischen Vorbereitungsdienst. Gleichzeitig streitet er sich vor Gericht mit dem größten Vermieter der Hauptstadt. Am Freitag fällt das AG seine Entscheidung, die Hille richtig kosten könnte.

"In meinem Oberstufenzentrum wurde tatsächlich noch 'Recht' als Unterrichtsfach angeboten. Das hat mir gut gefallen, da fiel die Entscheidung für ein Jurastudium nicht schwer", sagt Florian Hille. Wenig überraschend also, dass der heute 29-Jährige mittlerweile mitten im Referendariat steckt. Weniger vorhersehbar war, dass er sich noch vor dem zweiten Examen selbst vor Gericht vertreten würde. Seit Mai 2013 wohnt Hille vergleichsweise günstig in der Berliner Otto-Suhr-Siedlung. Der Komplex mit gut 1.600 Wohnungen liegt im zentral gelegenen Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg und ist entsprechend beliebt. Im Januar 2016 erhielt er ebenso wie die anderen Bewohner eine Modernisierungsankündigung des damals neuen Eigentümers, der Deutsche Wohnen. Die Immobiliengesellschaft ist der Platzhirsch in Berlin, rund drei Viertel ihrer Wohnungen liegen in der Bundeshauptstadt. Man wolle neue Fenster in den Wohnungen einbauen und sich dafür die notwendige Zustimmung der Mieter einholen, hieß es in dem Schreiben. Der Referendar verweigerte diese jedoch nach reiflicher Überlegung: "Modernisierungsmaßnahmen können nach Paragraph 559 Bürgerliches Gesetzbuch auf die Mieter umgelegt werden. Das wären für mich über 100 Euro mehr Miete im Monat. Als Referendar mit rund 1.000 Euro netto Unterhaltsbeihilfe könnte ich das nicht bezahlen", so Hille.

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Plötzlich ist da eine Klage

Er widersprach aber nicht nur aus finanziellen Gründen: "Die Bauarbeiten fänden im Prüfungszeitraum des zweiten Examens statt", sagt Hille. Den Lärm und Stress könne er zu diesem Zeitpunkt erst recht nicht gebrauchen. Und weiter: "Die neuen Fenster wären auch wesentlich kleiner als die alten. Dann gelangt ja noch weniger Licht als ohnehin schon in die Wohnung." Um die Frage, ob es sich bei den geplanten Maßnahmen auch wirklich um Modernisierungs- oder doch nur Instandhaltungsarbeiten handelt, die der Vermieter alleine tragen muss, ging es Hille zum Zeitpunkt seines Widerspruchs aber noch lange nicht: "Ich habe meine Zustimmung verweigert und erst einmal ein paar Informationen angefordert, wollte zum Beispiel weitere Details zu den neuen Fenstern haben und wissen, ob die Modernisierung überhaupt notwendig ist." Brauchbare Antworten habe er aber nie erhalten, so der Referendar. Stattdessen sei ihm nach einigem Hin und Her das Schreiben eines Anwalts zugegangen: "Die Deutsche Wohnen verklagte mich auf Duldung der Modernisierungsarbeiten."

Der Held seiner Siedlung

Damit rutschte Hille in die Rolle des Underdogs hinein, der die Bewohner seiner Siedlung hinter sich weiß. Als angehender Volljurist entschied er sich dazu, sich vor dem zuständigen Amtsgericht ohne Anwalt selbst zu vertreten. Kein einfaches Unterfangen, wie er sagt: "Das Jurastudium bereitet kaum auf die Praxis vor. Ich habe viel Zeit investiert und mich zunächst mit dem Grundlegenden beschäftigen müssen, wie etwa dem Führen eines Schriftverkehrs, um stets den Überblick über das gerichtliche Verfahren zu behalten." Zwischenzeitlich wuchs der Widerstand gegen das Vorhaben der Deutsche Wohnen weiter: Wie in vielen anderen Teilen Berlins haben auch die Bewohner der Otto-Suhr-Siedlung eine inzwischen gut organisierte Bürgerinitiative gegründet, die Gruppen sind untereinander eng vernetzt. Angesichts zunehmender Gentrifizierung werden gerichtliche Entscheidungen in Fällen wie denen des Referendars mit Spannung erwartet. Eine Entscheidung hat das Amtsgericht in der Sache Deutsche Wohnen ./. Hille für den kommenden Freitag, 13. April, angesetzt. Dass es überhaupt zu einer solchen kommt, liegt nicht zuletzt an der Unterstützung, die Hille, der keine Rechtsschutzversicherung abgeschlossen hatte, erhält: Mittlerweile vertritt ein auf Mietrecht spezialisierter Anwalt den Referendar. Und aus der Politik erhielt er die Zusage für die Kostenübernahme des gerichtlichen Gutachtens, das im Verfahren erstellt wurde. Allerdings: Im Wesentlichen geht es ihm und seinen Unterstützern aktuell (nur noch) darum, diese Expertise aus dem Gutachten gegebenenfalls in anderen Verfahren sinnvoll einsetzen zu können. Denn nachdem der Immobilienriese die Klage im Laufe des Verfahrens mehrmals abgeändert hat, rechnet der Referendar mit einer Niederlage.

Crowdfunding für die zweite Instanz

"Ich gehe nach aktuellem Stand der Dinge davon aus, dass ich die Klage – zumindest größtenteils – verlieren werde. Die Richterin hat bereits erkennen lassen, dass sie etwa die Größe der Fenster weitaus weniger kritisch betrachtet als ich", sagt Hille. Um die Summe, die abseits der Kosten für das Gutachten entsteht, begleichen und sich womöglich ein Verfahren in zweiter Instanz leisten zu können, hat er ein Crowdfunding-Projekt gestartet. In einem Video erklärt er, wer er ist und für was er das Geld einsetzen möchte. Bleibt abzuwarten, ob sich Freitag der 13. tatsächlich als Unglückstag für Hille entpuppt.

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