Ordnung im Jurastudium

"Man muss sich auch mal trauen, etwas weg­zu­werfen"

Gastbeitrag von Sabine OlschnerLesedauer: 5 Minuten

Lehrbücher, Fachzeitschriften, Aufsätze, Skripte, Mitschriften aus Lehrveranstaltungen und Repetitorium: Im Laufe eines Jurastudiums kommt einiges an Unterlagen zusammen. Wie schafft man es bloß, diesem Wust an Dokumenten Herr zu werden?

"Schon früh im Studium fand ich die Menge an Stoff, die ein Jurist lernen muss, überwältigend – und es wird ja im Laufe der Zeit nicht weniger", sagt Tim Wiest. Anfangs legte der Jurastudent von der Universität zu Köln, der mittlerweile kurz vor dem Studienende steht, pro Semester einen separaten Ordner an. Das funktionierte aber bald nicht mehr: "Vieles aus weiteren Semestern ergänzte die Unterlagen aus den vorherigen Semestern, es kamen weitere Meinungen oder neue Gerichtsentscheidungen hinzu. Ich kam also mit meinem Ordnersystem schnell an meine Grenzen."

Wiest wechselte also zum Klassiker: Karteikarten aus Papier, auf die er alles Wichtige zu einem Rechtsgebiet zusammenfasste. Aber auch das wurde mit den vielen Ergänzungen schnell unübersichtlich. Daher begann er, ein Online-Kartenkarteisystem zu pflegen. "Das hätte ich schon viel früher machen sollen", sagt er rückblickend.

Praktische Apps für Jurastudenten, darunter auch speziell Online-Karteikarten-Angebote, gibt es viele. Wiest entschied sich für das System von "Anki". Damit lassen sich Ordner und Unterordner für einzelne Rechtsgebiete anlegen, außerdem kann man einstellen, wann welche Karte zum Lernen wiederholt werden soll. "Es gibt auch vorgeschriebene Karteikarten, aber ich beschreibe sie lieber selbst, dann bleibt es besser im Gedächtnis", sagt der Student.

Für Definitionen, Prüfungsschemata und Meinungsstreitigkeiten legte er jeweils eigene Karten an. Für ganz wichtig hät Wiest: "Sicherungskopien machen – am besten direkt mehrere. Ansonsten kann es sein, dass die ganze Arbeit umsonst war." Praktisch fand er an dem gewählten Karteikartensystem, dass sich die Inhalte mit dem Handy synchronisieren lassen. "So konnte ich überall lernen, auch in der Bahn oder im Wartezimmer beim Arzt." Sein Tipp für Studienbeginner: "Eine gute Balance finden. Lieber von Anfang an kontinuierlich lernen, aber sich nicht zu früh auspowern. Dann braucht man zum Ende hin auch nicht allzu viel aufzuholen."

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"Am besten ist, zum Examen hin nur noch aus einem Medium heraus zu lernen"

Studenten, die frisch von der Schule an die Universität kommen, müssen erst einmal das Lernen lernen, ist die Beobachtung von Michael Keuchen, Studienfachberater am Fachbereich Rechtswissenschaft der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. "Dabei muss jeder individuell seinen Weg finden." Manche seien eher visuelle Typen und erstellten sich Mindmaps, andere lernten am liebsten mit Videos oder Podcasts. Die einen läsen am liebsten kompakte Zusammenfassungen, andere wollten nichts verpassen und arbeiteten ausführliche Lehrbücher ganz durch. "Am besten probiert man früh verschiedene Methoden aus", sagt Keuchen.

Vor allem aber sei wichtig, sich anfangs mehrere Lehrbücher anschauen und dann für das weitere Studium bei der Reihe bleiben, mit der man am besten zurechtkommt: "Die Inhalte in den Grundfächern sind in den Büchern meistens ähnlich, sie haben nur unterschiedliche Herangehensweisen ans Thema", sagt Keuchen. Bücher anzuhäufen sei zum einen aufgrund der ablaufenden Aktualität der Literatur als auch im Hinblick auf das Examen nicht ratsam. Er empfiehlt vielmehr, die Essenz aus den Büchern in ein eigenes Script zu schreiben und dieses nach und nach zu ergänzen – sei es auf Papier oder online. "Meiner Ansicht nach ist es am besten, zum Examen hin nur ein Medium zu haben, das man zum Lernen nutzt. Hat man zu viele Unterlagen angehäuft, schaut man in der Regel eh nicht mehr in alle hinein."

Aus Mappen werden Ordner

Frederike Hirt, Jurastudentin an der Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover, hat im Laufe der Jahre gelernt: "Man darf sich von Empfehlungen nicht stressen lassen. Jeder muss seine eigene Struktur beim Lernen finden."

Sie selber hat sich ein Farbsystem überlegt, mit dem sie bis zum Examen gut zurechtgekommen ist. Jedes Rechtsgebiet erhielt zunächst eine Mappe, später Ordner in einer eigenen Farbe und dazu mehrere Strukturebenen, die durch Trennblätter in den Ordnern voneinander abgegrenzt waren. Nach den Vorlesungen heftete sie ihre Mitschriften immer direkt in den richtigen Ordnern ab. "Für mich ist das alles völlig logisch – andere kommen mit einem anderen System vielleicht besser zurecht", sagt Hirt.

Sie hat kaum elektronische Unterlagen genutzt, sondern alles, was ihr wichtig war, ausgedruckt oder notiert, sei es als Text, Flussdiagramm oder Tabelle. 34 Ordner kamen so im Laufe des Studiums zusammen. Für das Repetitorium sortierte sie sich eine Fächermappe mit dem jeweiligen Wochenprogramm, sodass sie jeden Tag dieselbe Mappe mitnehmen konnte.

"Man muss sich auch mal trauen, etwas wegzuwerfen"

Jennifer Schweer, Studienberaterin der rechtswissenschaftlichen Fakultät an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, rät dazu, sich nicht zu sehr ins Detail zu verlieren – weder beim Lernen noch beim Sammeln von Unterlagen. "Man muss sich auch mal trauen, etwas wegzuwerfen", betont sie, "zum Beispiel Mitschriften aus Vorlesungen, wenn man sie einmal auf Karteikarten übertragen hat – am besten direkt nach der Veranstaltung."

Genau wie Keuchen lautet ihr Tipp, sich auf eine Lehrbuchreihe zu konzentrieren und dabei zu bleiben. "Nur bei speziellen Fragestellungen kann es unter Umständen sinnvoll sein, noch einmal ein Buch aus einer anderen Reihe zur Hand zu nehmen. Ansonsten lohnt sich der Mehraufwand nicht."

Das Sortieren und Lernen mit Karteikarten ist aus ihrer Sicht die meistgenutzte Methode der Jurastudenten. Ob die Karten digital oder analog bearbeitet werden, sei dabei typabhängig. "Auf jeden Fall sollte man sie selber beschreiben und keine vorbedruckten nehmen, denn nur wenn man ein Problem einmal selber durchdacht hat, hat man es auch verstanden." Das Gleiche gelte für Inhalte aus Lehrbüchern aus der Bibliothek: lieber das Wichtigste aufschreiben als einfach die Seiten kopieren. "Sonst hat man das Gefühl, sich schon einmal mit dem Thema beschäftigt zu haben – in Wirklichkeit hat man die Kopie aber vielleicht niemals mehr angesehen", warnt Schweer.

Grundsätzlich hilft ein aufgeräumter Schreibtisch, den Überblick nicht zu verlieren. Und: Alle Lernmaterialien sollten eindeutig beschriftet sein, rät Schweer. Dann gehe es auch noch darum, sich nicht verrückt machen zu lassen: "Auch wenn die Fülle an Materialien im Jurastudium zunächst abschrecken mag, sollte man sich nicht entmutigen lassen", so der Tipp der Studienberaterin. "Es wird immer jemanden geben, der mehr weiß und mehr Unterlagen hat als man selbst. Ob er deshalb auch ein besseres Examen macht, ist nicht gesagt."

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