Nebenjob Dartblaster-Vertrieb

Zom­bies vor dem Zweiten Examen

von Anna K. BernzenLesedauer: 4 Minuten
Die meisten Juristen schießen allenfalls mit scharfen Worten. Bei Stefan Höhn dürfen es auch mal Schaumstoffpfeile sein: Während des Jurastudiums gründete er einen Vertrieb für amerikanische Spielzeuggewehre, sogenannte Dartblaster. Bis zum zweiten Staatsexamen rüstete er ordentlich auf, mietete ein Lager und stellte sieben Mitarbeiter ein. Die Geschichte eines leidenschaftlich betriebenen Nebenjobs.

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Im ersten Moment wirkt es wie eine Szene, die sich in jedem Großraumbüro ereignen könnte: Es ist halb fünf Uhr nachmittags, der Kollege im Zellenbüro nebenan starrt auf seinen Bildschirm und klickt dabei gedankenverloren mit dem Kugelschreiber. Genervt nippt sein Sitznachbar an einer Tasse Kaffee. Irgendwann hält er es nicht mehr aus. Blitzschnell greift er zur Plastikkanone und schießt seinem Kollegen das störende Objekt aus der Hand. Was dann passiert, sieht allerdings so gar nicht nach einem durchschnittlichem Bürotag aus: Während sich die IT-Abteilung noch aus dem Plastikgewehr-Arsenal im Nachbarzimmer bedient, legen die Vertriebsmitarbeiter schon mal ihre Knieschoner an – und es beginnt eine Schaumstoffschlacht, die auf beiden Seiten zahlreiche Opfer fordern wird. Das Video mit dem passenden Titel "The Great Office War" könnte auch ein Werbefilm für Dartblaster sein. So nämlich heißen die knallfarbigen Plastikgewehre, mit denen die Büroschlacht geschlagen wird. Mithilfe von Luftdruck lassen sich aus ihnen patronenartige Schaumstoffpfeile, die sogenannten Darts abfeuern. Stefan Höhn jedenfalls hat der YouTube-Hit für die Spielzeugkanonen begeistert: Eher zum Spaß ließ sich der damalige Jurastudent zusammen mit seinem Schulfreund Cornelius Heller ein paar der Dartblaster aus den USA zuschicken. "Jeder, der uns damit gesehen hat, fragte: Cool, wo gibt es denn die Dinger zu kaufen?", erinnert er sich. Doch in Deutschland war das Aktionsspielzeug damals noch nicht erhältlich – eine Geschäftsidee war geboren.

"Die Pakete aus der elterlichen Küche versendet"

2008 gründeten die beiden ihr eigenes Unternehmen: Mit "obloco" wollten sie die Dartblaster auch auf dem deutschen Spielzeugmarkt einführen. Höhn und Heller orderten probeweise zehn, zwanzig, dann fünfzig und schließlich hundert Dartblaster vom amerikanischen Hersteller. Zunächst boten sie die Gewehre nur über Ebay zum Verkauf an. "Anfangs konnten wir die Pakete noch aus der elterlichen Küche versenden", erinnert sich Höhn. Heute kommen jeden Monat mehrere tausend frisch zusammengebaute Dartblaster im Container aus Fernost im fränkischen Ansbach an. Dort, in Höhns Heimat, befindet sich das Lager von "obloco". Bis zu hundert Pakete machen sich von dort aus mittlerweile täglich auf den Weg zu Abnehmern aus ganz Europa. Sieben Mitarbeiter kümmern sich teilweise in Vollzeit um die Logistik, den Vertrieb, die Internetseite und den Blog des Unternehmens. Auch eine Online-Community für Dartblaster-Fans haben sie aufgebaut. Vor kurzem haben sich die beiden Unternehmer allerdings mit einem Anbieter für Dartblaster-Zubehör in Deutschland zusammengetan. Im kommenden Jahr schon soll das gemeinsame Unternehmen ein neues großes Lagerhaus in Berlin beziehen. Statt aus der elterlichen Küche werden die Pakete dann vom angeschlossenen Büro aus auf die Reise geschickt. Als sie ihre Firma in Studienzeiten gründeten, wären solche Größenordnungen für Höhn und Heller nicht denkbar gewesen: "Einen Businessplan gab es damals nicht. Wir sind organisch gewachsen, haben anfangs viel selbst gemacht. Einen Großteil der Zeit neben meinem Jurastudium und Referendariat habe ich mit Spielzeugwaffen verbracht", sagt Höhn.

Zombies und zweites Staatsexamen

Gräulich-blasse Gesichter, mit Blut verschmierte T-Shirts, Gehirne an den Händen: Manchmal musste er für seinen Job als Geschäftsführer seine Examensvorbereitung unterbrechen, um sich mit Untoten herumzuschlagen. Eine wichtige Zielgruppe von "obloco" sind neben Kindern, Jugendlichen und genervten Arbeitnehmern nämlich Rollenspiel-Fans. Auf einem ehemaligen sowjetischen Militärgelände schaute Höhn sich deshalb eine nachgestellte Zombie-Apokalypse an, auf der die Monster mit Schaumstoffgeschossen aus seinen Dartblastern unschädlich gemacht wurden. Und ein paar Tage vor der mündlichen Prüfung seines zweiten Staatsexamens bewarb er die Gewehre auf einer Rollenspiel-Messe. Seit er im Juli seinen ersten festen Job nach dem Referendariat begonnen hat, ist Höhn bei "obloco" allerdings nur noch in beratender Funktion tätig. Auf die Dartblaster muss er aber auch in seinem neuen Büro nicht verzichten: Mit dem IT-Team von SmartLaw, wie LTO eine Marke von Wolters Kluwer, liefern sich die juristischen Mitarbeiter ab und zu ihren eigenen "Office War". Mit nur einem Dartblaster pro Person sind sie allerdings bei weitem nicht so gut ausgestattet wie die amerikanischen Arbeitnehmer im Video. Da hilft es nicht, dass die Juristen den IT-Mitarbeitern auch zahlenmäßig unterlegen sind. Deshalb haben Höhn und seine Kollegen mittlerweile ihre ganz eigene Strategie entwickelt: "Oft enden unsere Kämpfe leider damit, dass wir Juristen uns hinter der Tür verstecken."

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