Jurafakultäten in Mecklenburg-Vorpommern

"Eine ver­nünf­tige Aus­bil­dung ist kaum noch mög­lich"

von Marcel SchneiderLesedauer: 4 Minuten
Die rechtspolitische Sprecherin der Linksfraktion hat die einzigen beiden verbliebenen Jurafakultäten des Bundeslandes besucht – und moniert schlechte Zustände in vielen Bereichen, die nicht nur Ausbildung, sondern auch Justiz gefährdeten.

Wer im beliebtesten Urlaubs-Bundesland der Deutschen Rechtswissenschaften studieren will, für den sieht es auf der Hochschul-Landkarte mau aus: Nur an der Universität Greifswald ist das noch möglich. Zwar hat auch die Universität Rostock eine Jurafakultät, doch werden dort seit 2008 nur noch LL.B.- und LL.M.-Programme angeboten.

Das rückgängig zu machen, um dem drohenden Personalmangel in der Justiz zu begegnen, schlägt Jacqueline Bernhardt neben weiteren Maßnahmen vor. Die Rechtsanwältin ist die rechtspolitische Sprecherin der Landtagsfraktion der Linken in Mecklenburg-Vorpommern und hat am Dienstag beide Jurafakultäten besucht, um sich ein Bild von den Ausbildungsmöglichkeiten dort zu machen.
Das fällt wenig erfreulich aus: "Wir haben uns vor Ort über die juristische Ausbildung informiert und müssen zu dem Ergebnis kommen, dass beide Fakultäten nicht ausreichend ausgestattet sind, um den künftigen Bedarf an Juristen im Land decken zu können", fasst Bernhardt die Situation zusammen. Das Nachwuchsproblem ist der Landespolitik bekannt, seit 2016 soll deswegen eine groß angelegte Werbekampagne junge Juristen anlocken.
Die richtet sich vornehmlich an Referendare und verzeichnet auch entsprechende Erfolge. So hat sich etwa die Anzahl der Referendare mittlerweile verdoppelt - vor allem des Geldes wegen. Wer seinen juristischen Vorbereitungsdienst in Mecklenburg-Vorpommern absolviert, wird nun nämlich verbeamtet, womit im Vergleich zu vielen anderen Bundesländern wesentlich mehr Geld von der gezahlten Unterhaltsbeihilfe am Ende des Monats übrig bleibt. Das macht angesichts der bundesweit eher kargen Sätze mehrere tausend Euro im Jahr aus, wodurch sich das Land eine Sonderstellung ergattert hat. Denn mit Thüringen hatte 2016 auch das bis dahin letzte Bundesland den Beamtenstatus für Rechtsreferendare abgeschafft.

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Zu wenig Personal und kaum Fachliteratur

Über diese Entwicklung freut sich zwar auch Bernhardt. Damit sei der Bedarf an Nachwuchsjuristen aber noch lange nicht gedeckt: "Wenn das Land eine zukunftsfähige Justiz mit ausreichend Personal möchte, muss bereits bei der Ausbildung angesetzt werden. Das schließt auch mit ein zu prüfen, inwieweit in Rostock wieder das Jurastudium mit dem Ziel Staatsexamen angeboten werden kann", sagt die Politikerin.
Studieninteressierten einen zweiten Standort für die klassischen Rechtswissenschaften anzubieten, könne dabei helfen, die Anzahl der Jurastudenten und damit die Chance zu erhöhen, später geeignete Bewerber für die Justiz zu erreichen, erklärt Bernhardt im Gespräch mit LTO. Denn als 2008 der Staatsexamensstudiengang in Rostock abgeschafft wurde, habe der Standort in Greifswald die sinkenden Studentenzahlen nicht ausgleichen können.
Eine Rückkehr zum Staatsexamen als Studienabschluss allein würde nach Bernhardts Auffassung aber noch lange nicht ausreichen, weil es schon jetzt an beiden Fakultäten auch in anderen Bereichen erheblich hapere.
So sei sowohl in Greifswald als auch in Rostock die personelle Ausstattung zu gering. Die Juristin sagt: "Deutlich weniger als zwei wissenschaftliche Mitarbeiter pro Lehrstuhl reichen nicht aus, um die Vorlesungen ausreichend mit notwendigen Arbeitsgemeinschaften zu flankieren." Im Ergebnis lägen die Zahl der Wissenschaftlichen Mitarbeiter und das davon abhängige Angebot an Lehrveranstaltungen deutlich unter dem Bundesdurchschnitt.
Ähnlich sehe die Lage bei der sachlichen Ausstattung aus. "Es ist ein Armutszeugnis, dass beide Fakultäten über keine hauseigenen Bibliotheken verfügen, sondern nur in die Hauptbibliotheken eingegliedert sind. Zudem ist der Bestand an juristischer Literatur derart gering, dass eine vernünftige Ausbildung kaum noch möglich ist", so die rechtspolitische Sprecherin.

Chance auf Verbesserung frühestens ab Herbst

Düstere Zustände also, die Bernhardt nach ihrem Besuch harsch kritisiert, und für die sie auch die Landesregierung aus SPD und CDU verantwortlich macht.
Sebastian Ehlers, rechtspolitischer Sprecher der CDU in Mecklenburg-Vorpommern, bestätigte die Mängel auf LTO-Anfrage. "Wir haben uns bereits im vergangenen Sommer vor Ort über die Situation der juristischen Fakultät in Greifswald informiert. Die Probleme wurden uns dort auch so mitgeteilt. Im September beginnen die Haushaltsberatungen im Landtag. Dann gehören diese Fragen auf die Tagesordnung."
Ob es das Thema Jurastudium in Rostock und Greifswald dann auch wirklich auf die Prioritätenliste schafft, muss sich angesichts vieler anderer Baustellen des im Ländervergleich wirtschaftlich eher schwach abschneidenden Mecklenburg-Vorpommern noch zeigen. In den vergangenen Haushaltsberatungen seien schon die Forderungen nach mehr Justizpersonal abgeschmettert worden, beklagte Bernhardt bereits im vergangenen Jahr.
Besser wird es in der Zwischenzeit für die Landesjustiz also nicht. Nach aktuellen Zahlen der Linken werden etwa zwei Drittel aller Richter und Staatsanwälte in der ordentlichen Gerichtsbarkeit in den Ruhestand gehen, allein im Jahr 2031 betreffe das 55 Stellen. Dem stünden jährlich durchschnittlich nur acht Absolventen des zweiten Staatsexamens gegenüber, welche die Zugangsvoraussetzungen für den höheren Dienst in der Justiz erfüllen – und um deren Gunst buhlen auch Anwaltskanzleien und zahlungskräftige Arbeitgeber aus der Wirtschaft.

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