MBA für Juristen

Zum ersten Mal Excel geöffnet

von Anna K. BernzenLesedauer: 4 Minuten
Dr., LL.M., Dipl. Jur.: Ohne Abkürzungen kommen nur wenige Juristennamen aus. Wer sich einen MBA auf die Visitenkarte schreiben kann, signalisiert wirtschaftliche Kompetenz und setzt sich von der Masse ab. Aber lohnt sich die Zusatzqualifikation in juristischen Berufen wirklich, und wenn ja, für wen?

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Eigentlich kennen Juristen sich mit Zahlen gut aus – zumindest, solang ein Paragraphenzeichen davorsteht. Doch nimmt man ihnen dieses weg und wirft ihnen stattdessen ein paar mathematische Operatoren, vielleicht gar eine komplexe bilanzielle Aufstellung vor die Füße, kommen die meisten ordentlich ins Schwimmen. "Iudex non calculat" heißt es dann schnell, von den Mathematikverweigerern unter den Juristen ebenso frei wie falsch mit "Der Jurist rechnet nicht" übersetzt. Was also tut ein Jurist, der sich Tag für Tag mit solchen Zahlen beschäftigen muss? "Ich habe vor kurzem zum ersten Mal überhaupt das Excel-Programm auf meinem Computer geöffnet", berichtet Elmar Jordan und lacht. Tapfer trug er eine paragraphenlose Zahl nach der anderen in die Eingabezeile ein, bildete Summen und tippte Formeln ab. Ein einfacher Verweis auf die studienbedingt unterentwickelten Rechenkenntnisse wäre wohl auch schlecht für seine Note gewesen. Die Excel-Aufgabe war schließlich Teil seines Studiums zum Master of Business Administration (MBA) an der WHU – Otto Beisheim School of Management.

"Anspruchsvoll, als einziger Jurist mitzuhalten"

Für diese Zusatzausbildung stieg der promovierte Volljurist ein Jahr aus seinem Berufsleben als Rechtsanwalt aus und beschloss, sich nun ausschließlich auf die Betriebswirtschaftslehre zu fokussieren. Im Gepäck: Zwei deutsche Examina, ein Forschungsaufenthalt in Oxford und Erfahrungen als Anwalt für Corporate Law in einer New Yorker Kanzlei. Vor ihm: 15 Monate Vollzeitstudium, Management, Marketing, Rechnungswesen, Finanzen. Vorlesungen in Deutschland, den USA, China, Indien. Und am Ende eine dreimonatige Masterarbeit. "Anfangs war es eine anspruchsvolle Herausforderung, als einziger Jurist mit Studenten zusammen zu lernen, die teils bereits einen Bachelor in BWL hatten", sagt Jordan. Fachlich sind Juristen auf einen MBA nicht vorbereitet. Denn nur wenige Universitäten bieten ihnen auch wirtschaftswissenschaftliche Vorlesungen an, fast nirgends sind sie verpflichtend. An die Denk- und Arbeitsweise der Wirtschaftswissenschaftler müssen sie sich daher erst einmal gewöhnen: Wo in den juristischen Prüfungen schon aus Zeitgründen knappe, klare Lösungen gefragt sind, erwarten die Betriebswirte eine ausführliche Erläuterung. Wo der Richter ein sachliches Plädoyer verlangt, will der Kunde bunte Powerpoint-Folien.

"Links und rechts vom Jurastudium kaum Erfahrungen"

Da verwundert es nicht, dass der MBA unter Juristen eine eher selten anzutreffende Qualifikation ist. "Doch gerade in Berufen, die für ihre starke fachliche Spezialisierung so bekannt sind wie Jura, ist zusätzliches Wissen oft unerlässlich", sagt Brian Gibbs, Associate Dean für das Executive MBA-Programm der EBS Business School und der Durham University Business School. Auf ihrem Fachgebiet seien die Studenten des EBS-Programms sehr gut ausgebildet, viele hätten bereits promoviert. "Links und rechts davon haben sie in ihrer Ausbildung aber wenige Erfahrungen gesammelt", sagt Gibbs. Eine Ausbildung, die eine gute Grundlage für den Berufseinstieg bietet, nach einer Beförderung aber zum Hindernis werden kann. Plötzlich schreibt ein junger Anwalt Gutachten und Schriftsätze, während der Partner sich mit Akquise, Finanzierung und Mitarbeitermotivation auseinandersetzt. Auch Jan-Hendrik vom Wege trägt heute als Partner der Anwalts-, Steuerberater- und Wirtschaftsprüferpartnerschaft Becker Büttner Held am Hamburger Standort Personalverantwortung. Eine Aufgabe, für die er auf seine Kenntnisse aus dem berufsbegleitenden MBA-Studium an der Mannheim Business School und der französischen Elitehochschule ESSEC zurückgreifen kann. In der alltäglichen Beratung als Rechtsanwalt im Energiesektor profitiert er davon allerdings eher mittelbar: "Durch meine Wirtschaftskenntnisse leiste ich bessere, weil mandantenorientiertere Beratung. Ich kenne die juristische Lösung, kann aber auch eine Aussage zur Wirtschaftlichkeit des Vorgehens treffen."

Ein gutes Verkaufsargument bei Headhuntern

Dass Absolventen das Wissen aus dem MBA-Studium direkt umsetzen können, ist in traditionellen juristischen Berufen nicht garantiert. Wer sich jedoch in der Rechtsabteilung eines Unternehmens sieht oder gar auf einem nichtjuristischen Posten tätig werden möchte, kann sich mit einen MBA durchaus hervortun. Vor allem bei den Headhuntern großer Wirtschaftskanzleien und –unternehmen sei sein MBA scheinbar ein Verkaufsargument gewesen, berichtet vom Wege. Und auch Elmar Jordan kann sich vorstellen, sich nach seinem Abschluss im Sommer in diese Richtung zu orientieren: "Mit dem MBA stehen mir hundert neue Berufswege offen." Ein weiterer Vorteil eines MBA-Programms ist für Juristen die Möglichkeit einer internationalen Ausrichtung. An manchen Hochschulen reisen die Studenten für Vorlesungen nach Südostasien, an anderen hören sie Gastvorlesungen von ausländischen Wissenschaftlern und Praktikern, an vielen studieren sie gleich ganz auf Englisch. "Im Jurastudium liegt der Fokus auf dem nationalen Recht. Gerade für Juristen ist eine internationale Orientierung deshalb wichtig", sagt Brian Gibbs. Wen es nicht für einen LL.M. oder ein Erasmussemester ins Ausland gezogen hat, der kann seinem Lebenslauf so einen internationalen Einschlag geben.

Vollzeit- oder Mini-MBA?

Doch ein MBA will auch gut überlegt sein, schließlich kostet er in der Regel nicht nur ordentlich Geld. Wer neben der Arbeit tätig wird, muss ausreichend Lernzeit einplanen und sich die Wochenenden für Präsenzveranstaltungen freischaufeln. Und für ein Jahr aus dem Berufsleben auszusteigen, kann einen großen Einschnitt bedeuten. Viele juristische Arbeitgeber bieten deshalb eigene Fortbildungsprogramme an. Mit einer Art Mini-MBA lockt beispielsweise Hengeler Mueller. Der Nachteil solcher Programme, so Jan-Hendrik vom Wege: "Bildet man sich gezielt fort, bleiben manche Themenkomplexe links liegen. Ein MBA bietet den Vorteil einer ganzheitlichen Ausbildung." Wer als Anwalt für Familienrecht also den Zugewinn ausrechnen muss, braucht dafür kaum einen MBA. Wer es dagegen in seiner Beratungstätigkeit ständig mit Gewinn-und-Verlust-Rechnungen, komplexen Bilanzen und Transaktionen zu tun hat, für den könnte sich die Investition lohnen. Bestimmt kann man das irgendwie ausrechnen.

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