Nach Neonazi-Krawallen in Leipzig

Rechts­re­fe­rendar in Sachsen ver­ur­teilt

von Markus SehlLesedauer: 3 Minuten
Am Mittwoch hat das Amtsgericht Leipzig einen 26-jährigen Referendar wegen schweren Landfriedensbruchs verurteilt. Der Mann leistet beim LG Chemnitz seinen Vorbereitungsdienst, seine juristische Karriere könnte bald ein Ende haben.

Am Abend des 11. Januar 2016 zogen hunderte schwarz gekleidete Vermummte durch den Leipziger Stadtteil Connewitz. Sie waren mit Eisenstangen, Schlagstöcken und Holzlatten bewaffnet, zerstörten Schaufensterscheiben und Autos. Sie zündeten Böller und Leuchtraketen. Dabei entstand laut Staatsanwaltschaft ein Sachschaden von über 100.000 Euro.
Insgesamt 92 Prozesse werden dazu am Amtsgericht (AG) Leipzig verhandelt, ein besonderer ging diesen Mittwoch zu Ende. Ein 26-Jähriger Mann wurde wegen schweren Landfriedensbruchs zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und vier Monaten verurteilt, wie ein Gerichtssprecher gegenüber LTO bestätigte. Das Besondere: Der junge Mann ist Rechtsreferendar in Sachsen.
Brian E. ist als Referendar dem Landgericht Chemnitz zugeordnet, für seine Einstellung ist das OLG Dresden verantwortlich. Dort wurde der Mann auch zum Referendariat zugelassen – und zwar obwohl bekannt war, dass gegen ihn ein entsprechendes Verfahren läuft. Die Justizverwaltung hatte sich aber dennoch entschieden, ihn in den Vorbereitungsdienst aufzunehmen, wie die Pressestelle des OLG gegenüber LTO bestätigte. Zu beachten sei, dass sich auf der einen Seite Art. 12 Grundgesetz (GG) und auf der anderen die Sicherheitsinteressen der Justiz gegenüber gestanden hätten.

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Aufnahme ins Referendariat trotz laufenden Verfahrens

Die Verwaltung habe also eine Abwägungsentscheidung treffen müssen, wobei sie die Monopolstellung des Staates über seine eigene Juristenausbildung habe beachten müssen: So hätte eine Ablehnung für den Mann bedeutet, dass er keine Ausbildung zum Volljuristen hätte abschließen können. Bei der Abwägung sei auch zu berücksichtigen gewesen, dass zu diesem Zeitpunkt erst ein laufendes Ermittlungsverfahren gegen den Mann bestanden habe – aber noch keine rechtskräftige Verurteilung. Es gelte auch hier die Unschuldsvermutung, so eine Sprecherin des OLG zu LTO.
Zudem seien flankierende Maßnahmen ergriffen worden. So etwa, dass der Referendar nicht bei sensiblen Stellen wie etwa dem Staatsschutz eingesetzt werde.
"Wir müssen uns nun damit beschäftigen", sagte die Sprecherin weiter. Der Mann sei aktuell nicht aus dem Dienst entlassen, zunächst werde ihm wie in der Ausbildungsordnung vorgesehen eine Gelegenheit zur Anhörung gegeben. Schließlich wird das OLG über seine Entlassung zu entscheiden haben.
§ 34 der sächsischen Ausbildungs- und Prüfungsordnung für Juristen (SächsJAPO) legt fest, wer schon gar nicht in den Vorbereitungsdienst aufgenommen werden darf: "Die Aufnahme in den Vorbereitungsdienst ist zu versagen, solange gegen den Bewerber eine Freiheitsentziehung vollzogen wird. Sie ist in der Regel zu versagen, wenn der Bewerber wegen einer vorsätzlich begangenen Tat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr rechtskräftig verurteilt und die Strafe noch nicht getilgt worden ist."

Staatsanwältin: Was man erst recht als Jurastudent hätte wissen müssen

Nach § 39 SächsJAPO kann ein Referendar entlassen werden, wenn ein wichtiger Grund dafür vorliegt. Einen solchen stellt es insbesondere dar, wenn "während des Vorbereitungsdienstes ein Umstand eintritt oder nachträglich bekannt wird, der die Versagung der Aufnahme in den Vorbereitungsdienst nach § 34 Abs. 4 und 5 rechtfertigen würde."
Laut dem Leipziger Stadtmagazin kreuzer soll der Mann im Prozess über seine Anwesenheit in Connewitz gesagt haben: "Mein Ansinnen war es, ein Zeichen gegen Gewalt zu setzen." Nach dem Bericht gab der Mann vor Gericht an, sich an dem Abend im Januar 2016 spontan der randalierenden Gruppe angeschlossen zu haben. Er habe zuvor von einer Demo gegen linke Gewaltexzesse gehört. Sein Name sei auf der Plattform Indymedia aufgetaucht und er sei dort als "Nazi" bezeichnet worden, ihm wurden dort auch Kontakte zur Identitären Bewegung Halle vorgeworfen.
Laut kreuzer habe die Staatsanwältin betont, dass man als Jurastudent "noch mehr als jeder andere hätte wissen müssen", dass etwas falsch läuft, wenn eine Gruppe größtenteils vermummt und bewaffnet ist. Ihr zufolge hätte der aktive Kampfsportler E. mehrfach die Möglichkeit gehabt, sich wieder aus der Gruppe zu entfernen, diese Möglichkeit aber nicht wahrgenommen. Das Urteil gegen den Mann ist noch nicht rechtskräftig. Leserbriefe zu diesem Artikel finden Sie hier!

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