Schließung der Potsdamer Fakultät

Kaum Eintracht in Frankfurt

von Anna K. BernzenLesedauer: 5 Minuten
Die einen reden von effektivem Ressourceneinsatz und Exzellenzclustern, die anderen fühlen sich verraten: Seit eine Kommission die Schließung der juristischen Fakultät in Potsdam vorgeschlagen hat, laufen Studenten und Professoren dagegen Sturm. Schon 2013 müssten sie nach Frankfurt/Oder ziehen. Doch das gefällt auch an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt nicht allen gut. Anna K. Bernzen berichtet.

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"Liebe Kommilitoninnen und Kommilitonen, es ist schon verrückt: In Potsdam soll ein Erfolgsmodell zerschlagen werden!" Die Wortwahl, die der Dekan der juristischen Fakultät zu Beginn seiner Rede trifft, ist eindeutig: Hartmut Bauer kann den Vorschlag der Brandenburger Hochschulkommission nicht nachvollziehen. Seine Fakultät schließen, alle Studenten und Teile der Professuren nach Frankfurt/Oder auslagern, die übrigen Lehrstühle in die wirtschafts- und sozialwissenschaftliche Fakultät eingliedern: Nichts läge dem Professor für europäisches und deutsches Verfassungs- und Verwaltungsrecht, Sozial- und Öffentliches Wirtschaftsrecht ferner – obwohl sein Lehrstuhl den Umbau der Brandenburger juristischen Studiengänge womöglich sogar überleben würde. In ihrem Gutachten, das die Hochschulkommission Anfang Juni an den Ministerpräsidenten Matthias Platzeck überreichte, schlägt sie jedoch genau das vor. Ganz im Sinne eines "effektiven Ressourceneinsatzes und einer zukunftsgerichteten Profilierung und Weiterentwicklung der brandenburgischen Hochschullandschaft", so heißt es auf Seite 83 des insgesamt fast 380 Seiten langen Gutachtens. Während ein Großteil der Zivil- und Strafrechtslehrstühle an die Oder ziehen würde, könnten viele der öffentlich-rechtlichen Professoren bleiben und einen neuen Schwerpunkt, "Public Governance/Private Management", aufbauen. Auch ein juristisches Masterangebot und ein interdisziplinäres Graduiertenkolleg könnten die Gutachter sich für Potsdam vorstellen. Einzig das Staatsexamen soll an die Europa-Universität wandern.

Kämpfen, bis sie von der Politik ein klares Bekenntnis zur Fakultät erhalten

Seit der Gutachtenübergabe gehen die Potsdamer auf die Barrikaden. Dekan Bauer berief eine Vollversammlung der juristischen Fakultät ein, auf Facebook gründeten die Studenten die Gruppe "ProJurFak", keine zwei Wochen später gingen rund 700 von ihnen für die Fakultät auf die Straße. Mit Trillerpfeifen, handgemalten Transparenten und roten Luftballons zogen sie durch die Stadt. "Lautstarker Protest" titelten am nächsten Tag die Potsdamer Neuesten Nachrichten. Lautstark auch das lokale Medienecho, das man an der Fakultät vernahm. "Durch die breite Zustimmung fühlen wir uns ermutigt zu kämpfen, bis wir von den politischen Kräften ein klares Bekenntnis zum Erhalt der Fakultät haben", sagt Mirko Zippel, der an der Organisation der Demonstration beteiligt war. Die Studenten planen nach eigenen Angaben weitere Aktionen. Denn obwohl das Gutachten noch bei den Verantwortlichen in der Landesregierung liegt, eine Entscheidung also noch nicht gefallen ist, will man an der Universität Potsdam bereits die ersten Konsequenzen der drohenden Schließung spüren. "Es ist bereits jetzt erkennbar, dass eine ganze Reihe von unseren Studierenden verstärkt über einen Wechsel an eine außerhalb des Landes gelegene Fakultät nachdenken", sagt Hartmut Bauer. Auch viele Abiturienten, Studienfachwechsler und Nachwuchswissenschaftler, die sich eine Bewerbung in Potsdam hätten vorstellen können, rückten von ihren Plänen ab.

Frankfurt/Oder: "Einfach keinen guten Ruf"

"Auch wenn ich bereits mitten in der Examensprüfung stecke: Nach dem Studium habe ich eigentlich eine Promotion ins Auge gefasst. Dafür wollte ich definitiv wieder an die Uni in Potsdam", sagt Franziska Stark, die sich mit der Studenteninitiative ELSA gegen die Schließung engagiert. Nach Frankfurt/Oder würde sie dafür wohl eher nicht gehen. Ein Problem, das auch die Vorsitzende des Fachschaftsrates Antonia Laura Naschke kennt: "Bestimmt ist die Ausbildung dort gut, aber die Abiturienten bewerben sich erst gar nicht oder oft als Notlösung und das vor allem, weil die Uni einfach keinen guten Ruf hat." Auch unter dem wissenschaftlichen Personal sei die Unruhe zu spüren, so Hartmut Bauer: "Manche Kollegen holen jetzt ihre Bewerbungsunterlagen hervor und bereiten ihren Wechsel an eine Universität außerhalb Brandenburgs vor." Die Kommission hatte das in ihrem Gutachten eigentlich anders geplant. Sie lobte die bestehende Zusammenarbeit der juristischen mit den sozial- und wirtschaftswissenschaftlichen Professoren. Und: Wer nicht in die zusammengelegte Fakultät passe, für den könnte in Frankfurt/Oder ein Büro bereit stehen.

"Wir fürchten, dass Quantität nunmehr vor Qualität geht!"

Doch auch in Frankfurt/Oder ist man von den Plänen der Kommission nicht allzu begeistert. "Wir fürchten um die gute Betreuungsrelation, welche uns von den anderen juristischen Fakultäten in der Region unterscheidet. Wir fürchten um die hervorragende Ausbildung. Wir fürchten, dass Quantität nunmehr vor Qualität geht!", so äußerte sich der Allgemeine Studentische Ausschuss (AStA) in einer Stellungnahme zu deren Plänen. Auch wenn manche Überlegungen, etwa eine Rückverlegung der Examensprüfung aus Berlin nach Frankfurt, gut ankommen: Hinsichtlich der konkreten Umsetzung sind die Studenten noch skeptisch. "Die Viadrina hat jetzt schon große Platzprobleme für die Erstsemester in Hörsälen, der Mensa und der Bibliothek. Sollte die Fakultät in Potsdam geschlossen werden, würden diese Probleme nur noch mehr wachsen", sagt Marje Mülder. Ein so klares Bekenntnis von Seiten der Universität wie in Potsdam blieb allerdings bisher aus. So teilte der Präsident der Europa-Universität Viadrina Dr. Gunter Pleuger mit, man habe den Vorschlag der Kommission mit Interesse zu Kenntnis genommen. Nun liege es am zuständigen Ministerium und der Universität Potsdam, die erforderlichen Maßnahmen umzusetzen. Immerhin, er ist sich sicher: Seine juristische Fakultät würde diese Aufgabe übernehmen und könnte damit ihr Ausbildungsangebot verbreitern. Wie eine zusammengelegte Fakultät tatsächlich aussieht, könne man jetzt noch nicht sagen. Das hänge von der Anzahl und der Ausrichtungen der aus Potsdam verlegten Professuren ab.

Sorgen um den deutsch-französischen Studiengang

Sorgen bereitet diese Verlegung vielen Potsdamer Studenten auch im Hinblick auf den deutsch-französischen Studiengang. Während Präsident Pleuger auf bestehende binationale Studiengänge verweist – die Universität unterhält eine deutsch-polnische Kooperation – und von Kontakten zu französischen Universitäten spricht, glaubt Professor Tilman Bezzenberger: "Unsere Partneruniversität Paris Ouest hat schon jetzt signalisiert, dass sie einen solchen Ortswechsel nicht mittragen würde." Er koordiniert den Potsdamer Studiengang und steht auch nach der Verkündung im Kontakt mit den französischen Kollegen. Eine Spezialisierung der Standorte, sagt die Kommission. Die Zerschlagung eines Erfolgsmodels, sagt Dekan Hartmut Bauer. Ein Ende der angenehmen Arbeitsatmosphäre und der gu-ten Betreuung, sagen die Studenten an beiden Universitäten. Ob tatsächlich, wie im Gutachten empfohlen, die letzten Jura-Erstsemester schon in einem Jahr ihre Immatrikulationsunterlagen einreichen werden, entscheiden nun die Landespolitiker.

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