Juristenausbildung mit Kind

"Jede Woche ein straffer Ter­min­plan"

von Sabine OlschnerLesedauer: 5 Minuten

Das Jurastudium allein erfordert schon einige Disziplin. Wenn ein Kind hinzukommt, wird es noch anspruchsvoller. Aber es geht, wie zwei Juristinnen zeigen, die mit Kind studiert und ihren Vorbereitungsdienst abgeleistet haben.

Verena Dorn-Haag bekam ihr erstes Kind während der Promotion nach dem Ersten Staatsexamen, ihr zweites Kind während des Referendariats. Vor Kurzem hat sie dieses erfolgreich abgeschlossen. Ihr Fazit in der Rückschau: "Man darf sich nicht verrückt machen lassen. Mit einer guten Organisation des Alltags sowie viel Struktur und Disziplin ist eine juristische Ausbildung auch mit Kind machbar."

Während der Promotion an der Universität Augsburg ging ihre Tochter in die Krippe. "Unterstützung bekam ich zudem von meinem Mann und den Großeltern, die das Kind zu sich genommen haben, wenn ich für meine Dissertation arbeiten musste", sagt Dorn-Haag. Im Referendariat erfuhr sie zudem großes Entgegenkommen der Dozenten. "Es gab zwei Referendarsgruppen, die im Wechsel vormittags oder nachmittags stattfanden. Ich durfte immer in die Vormittagsgruppe tauschen, weil das besser mit den Betreuungszeiten auskam." In der Zivilrechtsstation traf sie auf eine verständige Richterin, die ebenfalls Kinder hatte. Für die Sitzungsdienste in der Staatsanwaltschaft musste sie hin und wieder einen Babysitter oder Freunde einspannen, weil sich die Einsatzzeiten nicht verschieben ließen.

"In der Anwaltsstation habe ich wie viele andere Referendare nicht so viel gearbeitet, um mich besser auf das schriftliche Examen vorbereiten zu können, das direkt auf die Anwaltsstation folgt." Da sich das Referendariat nicht in Teilzeit absolvieren lässt – zumindest noch nicht -, nahm sich Dorn-Haag beim zweiten Kind ein Jahr Elternzeit. "Ich habe versucht, in dieser Zeit ein bisschen zu lernen, das war aber nicht so einfach. Daher hat es mich einige Energie gekostet, nach einem Jahr wieder da reinzukommen, wo ich aufgehört hatte."

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Bedingungen nicht in allen Bundesländern gleich

Das Mutterschutzgesetz, das Bundeselterngeld- und das Elternzeitgesetz gelten auch für Studenten und Referendare. "Das heißt, dass Studierende mit Kind bis zu drei Jahre Elternzeit nehmen können", erklärt Daniel Werner, Fachstudienberater Rechtswissenschaften an der Universität Konstanz. "Entsprechend können sie ihre Prüfungstermine im Grundstudium bis zu drei Jahre verschieben. Wenn sie es wollen und dazu in der Lage sind, können sie aber auch während der Elternzeit Leistungen erbringen – man muss also nicht die ganze Zeit pausieren."

Im Hauptstudium ist es Jurastudenten dann weitgehend selbst überlassen, wie und wie schnell sie sich das Wissen für die Prüfungen aneignen, Präsenzpflicht gibt es keine mehr. Eltern können das Lernen also flexibel handhaben. "Für die universitären Prüfungen können sie dann je nach Situation unter Umständen Nachteilsausgleiche beantragen", sagt Werner. Das können zum Beispiel Sonderpausen oder eine Schreibzeitverlängerung sein, weil das Kind gestillt werden muss. Auch eine Verschiebung des Prüfungstermins ist eventuell möglich. Wie die Justizprüfungsämter beim staatlichen Prüfungsteil und im Zweiten Staatsexamen mit den Nachteilsausgleichen umgehen, ist unabhängig von dem Vorgehen der Universität. "Hierum muss sich jeder Studierende selber kümmern", sagt der Fachstudienberater, der im Härtefall auch mal bei Gesprächen mit der Behörde vermittelt.

In der Prüfungsordnung des Landes Baden-Württemberg sind die Ansprüche für Studenten und Referendare mit Kind festgehalten und damit auf einen Blick ersichtlich. Das ist jedoch nicht in allen Bundesländern der Fall. "Die Regelungen zum Mutterschutz gelten aber bundesweit", betont Werner. Die Fristen für einen Freischuss werden in Baden-Württemberg durch die Elternzeit übrigens nicht beeinträchtigt – sie verschieben sich einfach um die Auszeit, die sich die Mutter oder der Vater genommen haben, also bis zu drei Jahre.

"Studierende mit Kind sind selbstbewusster geworden"

In Sachsen-Anhalt sind maximal vier Semester Aufschub möglich. "Das wollen wir aber nun auch ändern", sagt Ralf Burgdorf, Präsident des Landesjustizprüfungsamtes (LJPA) Sachsen-Anhalt. "Früher haben Studierende mit Kind selten nach ihren Ansprüchen gefragt – mittlerweile sind sie da selbstbewusster geworden." Prüfungsklausuren können in Sachsen-Anhalt nicht verlängert oder verschoben werden. Zusätzliche Pausenzeiten sind jedoch möglich.

"Im Referendariat ist es grundsätzlich möglich, Rücksicht auf Kinder zu nehmen", sagt Burgdorf. So können Eltern zum Beispiel Ortswünsche äußern und bekommen es häufig gewährt, in Halle an ihrem ehemaligen Studienort zu bleiben, an dem sie sich bereits ein Netzwerk für die Kinderbetreuung aufgebaut haben. "Auf Antrag kann man auch eine Ausbildungsstation verlängern oder wiederholen", so der LJPA-Chef. Wie flexibel die Ausbilder in den einzelnen Stationen sind, darauf hat das LJPA aber wenig Einfluss. "Sollte ein Gespräch mit dem Ausbilder nicht fruchten, können sich Referendare aber bei der Ausbildungsstelle oder auch im Landesjustizprüfungsamt beschweren – wir versuchen dann zu vermitteln."

"Manche Ausbilder sind rücksichtsvoll, andere überhaupt nicht"

Alicia Pointner erfuhr in ihrem bisherigen Referendariat teilweise wenig Unterstützung. "Manche Ausbilder waren sehr verständnisvoll, andere nahmen überhaupt keine Rücksicht auf die Situation von Referendaren mit Kindern", so ihre Erfahrung. Ihr Sohn hat mittlerweile seinen siebten Geburtstag gefeiert, zu Beginn des Studiums war er ein Jahr alt.

"Auch an der Universität Heidelberg musste ich mich als alleinerziehende Mutter meist um alles selber kümmern", erinnert sich Pointner. "Einen Platz in der universitären Kindertagesstätte hätte ich erst nach drei Semestern Wartezeit bekommen. Also musste ich einen Platz in einer städtischen Kita organisieren, wo mein Sohn anfangs nur bis 14 Uhr bleiben konnte. Ich musste fortwährend Anträge beim Jugendamt auf Kostenübernahme des Platzes stellen, weil mich der städtische Platz im Monat knapp 500 Euro kostete."

Fand eine Vorlesung mal am Nachmittag statt, versuchte die damalige Studentin, ihren Sohn mitzunehmen. "Mehr als einmal hat ein Dozent mich gebeten, die Vorlesung zu verlassen, weil mein Kind ihn störte", sagt Pointner. Also hat sie sich die Inhalte aus den Nachmittags- und Abendveranstaltungen selber angeeignet, "was auf dem Spielplatz, im Kinderzimmer oder mit Kind im Tragetuch nicht immer einfach war". Schließlich fand sie eine Freundin, die ebenfalls ein Kind hatte, und die beiden planten ihre Stundenpläne so, dass immer eine von ihnen auf die Kinder aufpassen konnte.

Als ihre Mutter im vierten Semester nach Heidelberg zog und sie eine Ganztagsbetreuung für ihren Sohn fand, wurde für Pointner vieles einfacher. "Noch besser wurde es dann in meinem Auslandssemester in Schweden: In Göteborg gab es Kinderzulagen für studierende Eltern, Studentenwohnheime extra für Familien und eine an den Stundenplan angepasste individuelle Kinderbetreuung für alle studierenden Mütter und Väter – ein Traum."

Kein schlechtes Gewissen haben, wenn das Kind fremdbetreut werden muss

Im Referendariat hat sich für Pointner mittlerweile auch alles recht gut eingespielt: Ganztagsschule, befreundete Familien, ein Partner, der sich auch um das Kind kümmert. "Trotzdem mache ich immer noch jede Woche einen straffen Terminplan", sagt Alicia Pointner. Therorieunterricht, die Arbeit in den Stationen, Sitzungstage, Aktenbearbeitung, zusätzlich zwei Tage als wissenschaftliche Mitarbeiterin in einer Kanzlei, um das Familienleben zu finanzieren – all das muss berücksichtigt werden. "Ich möchte gerne so viele Erfahrungen wie möglich machen, ohne mein Kind als Hindernis zu betrachten", betont die Juristin. "Deshalb arbeite ich aktuell zum Beispiel in einer Großkanzlei, was bekanntermaßen stressig ist. Um herauszufinden, wo es für mich beruflich hingeht, möchte ich mir diese Erfahrung aber auf keinen Fall entgehen lassen."

Ihr Tipp: kein schlechtes Gewissen haben, wenn das Kind wegen Studium oder Referendariat fremdbetreut werden muss. Und Tipp Nummer zwei: "Mit allen Beteiligten kommunizieren: Dozenten, Ausbilder, Kommilitonen und Kollegen können nicht wissen, welche Bedürfnisse jede einzelne Studierende oder Referendarin mit Kind hat. Jeder befindet sich schließlich in einer ganz individuellen Situation."

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