Justizminister zur Reform des Jurastudiums

Gerüchte werden Wir­k­lich­keit

von Marcel SchneiderLesedauer: 4 Minuten
Auch die Justizminister wollen weniger Pflichtstoff und noch weniger Schwerpunkt. Nun sollen noch die Fakultäten sagen, was sie von den Reformplänen fürs Jurastudium halten. Die juristische Praxis wird dagegen lieber nicht gefragt.

Die Justizministerkonferenz (JuMiKo) hat am Donnerstag im Rahmen ihrer Herbsttagung beschlossen, dass die Vorschläge ihres Koordinierungsausschusses zur Harmonisierung und Angleichung der Juristenausbildung (KOA) eine geeignete (Diskussions-)Grundlage für die Reform des Jurastudiums darstellen. Das damit abgesegnete Dokument, das LTO vorliegt, ist über 200 Seiten dick und dreigeteilt. Mit je einem eigenen Abschnitt liegt der Fokus auf den beiden bereits seit längerem bekannten und heftig diskutierten Hauptreformbereichen "Pflichtstoff für die Examensprüfungen" und "Universitärer Schwerpunktbereich". Im dritten Teilbericht geht es um kleinere, aber nicht weniger umstrittene Baustellen des Jurastudiums, so etwa um das Abschichten von Prüfungsteilen, die Punktedifferenz zwischen Erst- und Zweitkorrektor oder auch ein Wahlfach im zweiten Examen. Sofern nun alles seinen gewohnten Gang nimmt, dürfte Ende 2016 der Fortsetzungsbericht des KOA kommen. Im Anschluss daran sollen - über den Deutschen Juristenfakultätentag - die Jurafakultäten ihr Feedback geben dürfen. Ein entsprechendes Gremium des Zusammenschlusses wird in den nächsten Wochen damit beginnen, die Interessen der einzelnen Fakultäten auszuloten und für den Austausch mit dem KOA zu bündeln. Im Herbst 2017 berichtet der KOA dann an wieder an die JuMiKo. Nach seinem Beschlussvorschlag an die JuMiKo wollte der KOA ursprünglich auch die Berufsverbände der Richter-, Staats- und Rechtsanwaltschaft sowie der Notare anhören. Der offizielle Beschluss der JuMiKo vom Donnerstag verzichtet darauf aber, eine Begründung findet sich dort nicht. Der Beschluss und der KOA-Bericht werden im Anschluss an die Tagung an das Kultusministerium weitergeleitet.

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Bestätigt: Weniger Pflichtstoff

Was die Reform des Pflichtstoffkatalogs und des Schwerpunktbereichs angeht, gibt es keine großen Überraschungen: Bereits im Sommer dieses Jahres waren zu beiden Themenkomplexen Pläne für Reformvorschläge durchgesickert, die sich in genau dieser Form auch im der JuMiKo vorgelegten KOA-Bericht wiederfinden. So blieb es am Donnerstag eins zu eins bei den Plänen für einen Musterstoffkatalog für das erste Examen, den LTO bereits im August vorstellte. Wie sehr Studenten danach entlastet würden, hängt von der jeweiligen Prüfungsordnung ab. Generell aber gilt: Erbrecht und Europäische Menschenrechtskonvention würden wichtiger, die Bedeutung des Bau-, Haushalts- und internationalen Privatrechts nähme hingegen ab. Die Reform soll den Stoff im Gesamtergebnis aber nicht nur verringern, sondern auch vereinheitlichen. Bisher beinhalten die Prüfungsordnungen einiger Bundesländer noch so manchen Ausreißer, also rechtliche Randgebiete, die für die dortigen Studenten zum uneingeschränkten Pflichtstoff zählen, was sonst aber nirgendwo der Fall ist.

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2/2: Und noch weniger Schwerpunkt

Ebenso die nächste Hürde genommen hat die Idee, die Bedeutung der Schwerpunktbereichsprüfung für das erste Examen zu verringern. Dazu soll der Zeitaufwand für das Schwerpunktstudium auf einen verpflichtenden Rahmen von zehn bis 14 Semesterwochenstunden (SWS) begrenzt werden. Bisher kann je nach Bundesland, Universität und individueller Studienplan-Zusammenstellung ein Aufwand von 20, 30 oder in Extremfällen noch mehr SWS fällig werden. Dazu kommt es insbesondere dann, wenn sich Studierende für ein eher exotischeres Rechtsgebiet entscheiden, das keine oder wenige Bezüge zum Pflichtstoff hat. Bei der Einführung des Schwerpunktstudiums im Jahr 2003 kalkulierte man mit 16 SWS. Die neue feste Vorgabe begründet der KOA damit, dass Studierende mit höherem Zeitaufwand benachteiligt würden, weil sie weniger Zeit für den Pflichtstoff hätten. Mit der Reduzierung des Zeitaufwands muss nach Meinung des KOA auch eine Reduzierung der Anzahl der Leistungsprüfungen einhergehen. Künftig sollen mindestens zwei, maximal aber drei Prüfungen im Schwerpunkt abgelegt werden, mindestens eine davon schriftlich. In der Praxis ändert das an den meisten Unis wenig: Im Schnitt sähen die meisten Fakultäten derzeit sowieso 3,3 Prüfungen im Schwerpunktstudium vor, so die Erhebungen im Bericht – und davon auch mindestens eine schriftlich. Schließlich segnete die JuMiKo auch den einschneidensten Vorschlag ab: Die Schwerpunktnote soll nur noch zu 20 Prozent in die Gesamtnote des ersten Examens einfließen. Diese Idee war kurz nach Bekanntwerden besonders kritisiert worden, weil wissenschaftliches Arbeiten an der Universität dann fortan noch weniger Bestandteil des Studiums wäre als es ohnehin schon sei, so die Kritiker. Nach den Erhebungen des KOA sind die Schwerpunktnoten für juristische Verhältnisse hingegen zu gut. Von 2010 bis 2014 habe konstant knapp über die Hälfte aller Schwerpunktabsolventen ein "Vollbefriedigend" oder besser erreicht, der bundesweite Schnitt dieser Jahre liege sogar mit 9,17 Punkten im Prädikatsbereich. Von einer Noteninflation will man im Bericht zwar nicht direkt sprechen, von "in jedem Fall nur schwer vergleichbaren Bewertungen" und einer "Entwertung der Schwerpunktnoten" hingegen schon.

Erste Podiumsdiskussion zum Schwerpunkt in Köln

Zeitlich passend zur JuMiKo lud die Jurafachschaft der Universität Köln am Donnerstagabend zu einer Podiumsdiskussion rund um die Reform des Schwerpunkts ein. Unter dem Titel "Schwerpunkt in Gefahr?" traf sich eine prominent besetzte Runde, um erst untereinander und später auch mit den Besuchern den aktuellen Beschluss der JuMiKo zu diskutieren. Darunter auch Gudrun Schäpers, Präsidentin des Landesjustizprüfungsamtes Nordrhein-Westfalen, die den KOA-Bericht federführend mitentworfen hat. Sie betonte mehrfach, dass der KOA "nicht den Auftrag von der JuMiKo erhalten hat, den Schwerpunktbereich abzuschaffen." Vielmehr untersuche der KOA als ständiger Ausschuss seit Jahren, wo in der Juristenausbildung Verbesserungsbedarf vorhanden ist - hinsichtlich der Schwerpunktbereichsprüfung seien gleich "mehrere Fehlentwicklungen" zu beanstanden gewesen. Darüber, ob die KOA-Vorschläge auch zu einer tatsächlichen Verbesserung der Schwerpunktbereiche führen würden, gingen die Meinungen allerdings auch nach zweeinhalbstündiger Diskussion auseinander. Zwar gestanden die Befürwörter des Schwerpunkts in seiner jetzigen Form ein, dass es "an der Vergleichbarkeit der Schwerpunktnoten tatsächlich hapert", so etwa MdB Prof. Dr. Heribert Hirte. Dass eine Reduzierung des Zeitaufwands und der Gewichtung im Examen der richtige Weg zur Lösung des Problems sein würde, zogen allerdings mehrere Teilnehmer vehement in Zweifel. To be continued: Weitere Details zu den Reformplänen und Beschlüssen der JuMiKo schon bald bei LTO.

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