Examensvorbereitung

Lern­gruppe oder Kaf­fee­kränz­chen?

von Sabine OlschnerLesedauer: 5 Minuten

Bis zum Ende ihres Jurastudiums müssen Examenskandidaten eine riesige Stoffmenge bewältigen. Aus verschiedenen Gründen bilden sie deshalb Lerngruppen. Nur: Die muss man auch gut organisieren, damit sie wirklich etwas bringen.

Maike Mestmäcker hat es fast geschafft: Den staatlichen Teil der Ersten juristischen Prüfung hat sie hinter sich. Monatelang hat sie für die zahlreichen Rechtsgebiete gelernt, Klausurenkurse besucht, die Unterlagen aus dem Repetitorium durchgearbeitet, Stoff wiederholt, Definitionen auswendig gelernt.

"Dabei habe ich schnell gemerkt, dass ich beim Lernen auch mal Abwechslung brauchte und nicht nur allein für mich arbeiten wollte", sagt die 24-jährige Jura-Studentin der Universität Bonn. "Daher habe ich mit einer guten Freundin und zwei Kommilitonen, die wir im Repetitorium kennengelernt haben, eine Lerngruppe gegründet." In der Tat zählen Lerngruppen unter Jurastudenten zu den beliebtesten Methoden, um sich (gemeinsam) aufs Examen vorzubereiten.

Manche fangen auch schon früher im Studium an, sich mit Kommilitonen zusammenzuschließen, um das Lernpensum anzugehen. So wie Lara Schwarz von der Universität Passau: "Für die Vorbereitung zur Zwischenprüfung am Ende des Grundstudiums haben wir uns mit vier Freunden regelmäßig getroffen und gemeinsam gelernt", sagt die 21-Jährige, die mittlerweile im sechsten Semester ist. "Wir hatten alle ungefähr das gleiche Notenlevel – und haben die Zwischenprüfung dann auch alle bestanden."

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Die Gefahr, nur Zeit zu verschwenden

Abwechslung, sich vergleichen, Tricks abgucken – Lerngruppen haben durchaus ihre Daseinsberechtigung. Ineffektiv gestaltet werden sie aber zum doppelt gefährlichen Zeitfresser: Denn auch, wenn man nicht wirklich vorangekommen ist, geben sie einem das wohlige Gefühl, etwas getan zu haben. Sich einfach nur mit liebgewonnenen Kommilitonen zusammenzusetzen, tut es in der Regel aber nicht.

Sowohl Mestmäckers als auch Schwarzes Lerngruppe sind mit ähnlichen Methoden ans Lernen herangegangen – und wohl auch deshalb erfolgreich gewesen: "Jeweils abwechselnd hat einer von uns einen Fall vorbereitet. Bei unseren Treffen haben wir dann gemeinsam eine Lösung erarbeitet", berichtet Schwarze. Derjenige, der den Fall vorbereitet hat, gab Hilfestellung, wenn die Gruppe nicht weiterkam. Von den Erklärungen haben alle profitiert.

"Es war gut, dass wir über unsere Lösungsansätze gesprochen haben, denn erst bei der Formulierung merkt man, ob man den Fall auch richtig verstanden hat", so Mestmäcker. "Das Gute bei einer Gruppe mit vertrauten Leuten ist: Man kann auch mal doofe Fragen stellen, ohne dass es einem peinlich sein muss."

Rechtsprofessor zu Lerngruppen: "Ehrgeiz ist nötig"

Viele Studenten tun sich aus diesem Grund mit befreundeten Kommilitonen zusammen. Das kann Vor-, aber auch Nachteile haben: Kennen sich die Mitglieder der Gruppe (zu) gut, ist die Zusammenarbeit meist angenehm. Allerdings besteht auch die Gefahr, dass bei den Treffen viel über Privates gesprochen wird – hier ist Disziplin gefordert.

Professor Dr. Jan C. Schuhr, Studiendekan der juristischen Fakultät an der Universität Heidelberg, rät, sich schon früh potenzielle Mitstreiter zu suchen. "Wer sich schon im Grundstudium gemeinsam mit Kommilitonen zum Beispiel über Hausarbeiten berät, merkt schnell, ob er mit den anderen gut zusammenarbeiten kann", so der Professor für Strafrecht. "Man muss sich mögen, aber noch wichtiger ist es, dass man sich gegenseitig weiterbringen will und die gleiche Art von Ehrgeiz beim Lernen aufweist."

Schließlich sollen die Lerngruppen am Ende allen Beteiligten nützen und nicht nur Einzelne voranbringen. Je besser man sich versteht, umso einfacher sei es zudem, Kritik zu üben und anzunehmen, so die Erfahrung des Studiendekans, der zu Studienzeiten ebenfalls in einer Lerngruppe organisiert war.

Und wie oft das Ganze?

Schwarz hat sich anfangs zweimal pro Woche mit ihren Lerngruppen-Kollegen getroffen, kurz vor der Zwischenprüfung kamen sie bis zu fünfmal wöchentlich zusammen. Auch zur Vorbereitung auf ihr Examen plant sie, sich Gleichgesinnte zu suchen. Examenskandidatin Mestmäcker hat einen Rhythmus von etwa einmal pro Woche beibehalten. Gibt es einen wenigstens groben Anhaltspunkt für Dauer und Regelmäßigkeit der Treffen?

Schuhr rät, sich in der Gruppe individuell abzusprechen, weil jeder mehr oder weniger Zeit dafür aufbringen könne – oder auch bewusst will, je nach Lerntyp eben. Der Strafrechtsprofessor gibt zu bedenken: "Das Lernen ist nur der eine Teil, der zum Erfolg führt. Genauso wichtig ist es, das Gelernte auch in Probeklausuren anzuwenden." Sein Tipp: Klausurenschreiben und Lerngruppe miteinander verbinden. "Man kann sich in Lerngruppen bestens gegenseitig eine Rückmeldung zu den Klausuren geben. Wie hätten die Kommilitonen die Klausuren bewertet? Was haben sie gut verstanden, was fehlte in den Ausführungen?"

Das führt zu einem weiteren Aspekt: Je unterschiedlicher die Sichtweise der einzelnen Mitglieder, umso vielfältiger das Feedback, daher sollten Lerngruppen nicht zu homogen zusammengesetzt sein. Daraus ergibt sich auch eine weitere Möglichkeit des effektiven Lernens in der Gruppe: Einer bereitet einen Vortrag vor, die anderen bewerten das Gesagte. Vor allem im Hinblick auf die mündliche Prüfung kann das eine sinnvolle Übung sein. In Kleingruppen zu zweit oder zu dritt kann man sich zudem auch auswendig Gelerntes wie Definitionen gegenseitig abfragen.

Aufwand zu unverhältnismäßig?

Lerngruppen sind natürlich kein Muss bei der Prüfungsvorbereitung. Es gibt zahlreiche Studenten, die es auch ohne Gruppenarbeit schaffen, das Examen zu bestehen. Dennis Ratschkowski ist einer von denen, die allein gelernt haben. Mittlerweile ist der Absolvent der Universität Göttingen im Referendariat.

"Für mich stand schnell fest, dass ich am besten ohne andere in der Bibliothek lernen kann", sagt der 24-Jährige, der sich voll und ganz aufs Klausurenschreiben als Vorbereitungsmaßnahme konzentriert hat. "Das war für mich die beste Art der Vorbereitung. Der Aufwand für eine Lerngruppe stand für mich in keinem Verhältnis zum zusätzlichen Nutzen."

Allerdings, so gibt Ratschkowski zu, lag seiner Entscheidung auch die Tatsache zugrunde, dass Examenskandidaten in Niedersachsen in der mündlichen Prüfung keinen Vortrag halten müssen. "Dann wäre es sicherlich zur Vorbereitung hilfreich gewesen, das Vortragen vor einer Gruppe zu üben." Für die Vorbereitung auf das Zweite Staatsexamen plant der Referendar aber erneut allein zu lernen.

Ob Lerngruppe oder nicht, hängt also auch stark von den eigenen Präferenzen ab. Wer sich für eine entscheidet, sollte aber vor allem darauf achten, die Zeit auch wirklich gut zu nutzen.

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