Mit Jura nach Jakarta

Der Fremde hat immer Recht

von Pauline MoritzLesedauer: 5 Minuten
Zwingend ist ein Auslandsaufenthalt für das Jurastudium nicht. Trotzdem zieht es viele Studenten raus aus den deutschen Hörsälen. Möglichkeiten gibt es genug. Wie wäre es zum Beispiel mit einer Wahlstation bei der deutschen Botschaft in der Hauptstadt Indonesiens? Ein Erfahrungsbericht über das Arbeiten in einem Land, dessen Sprache keine eindeutige Auslegung der Gesetze zulässt und das Wort "Nein" nicht kennt.

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Indonesien ist der viertgrößte Staat der Erde und zugleich das Land mit der größten muslimischen Bevölkerung der Welt. Geprägt von vielen Kontrasten ist das Leben und Arbeiten als deutsche Juristin in der Millionenmetropole Jakarta in jeder Hinsicht ein Abenteuer.

Wie ich dort hingekommen bin: Purer Zufall

Nach Indonesien kam ich durch Zufall über das Auswärtige Amt. Ein wenig Fernweh, Interesse an fremden Kulturen und die Suche nach einem Abenteuer sollte jeder mitbringen, der sich für eine Referendariatsstation bei einer deutschen Auslandsvertretung bewirbt. Einmal im Bewerberpool des Auswärtigen Amtes hat man nur wenig Einfluss auf den Verwendungsort. So kam ich nach Jakarta, der Hauptstadt des so facettenreichen südostasiatischen Inselreiches Indonesien.

Behördenalltag: Widerspruchsbescheide und abendliche Empfänge

Die Arbeit als Referendarin an einer deutschen Botschaft ist vielfältig und nicht immer typisch juristisch. Auch als Referendar wird man im Regelfall in das diplomatische Tagesgeschäft eingebunden. Hervorragende Englischkenntnisse und ein gutes Allgemeinwissen sind die Voraussetzungen für die Teilnahme an multilateralen Konferenzen und Meetings. So besteht die Möglichkeit,  am botschaftsinternen Roundtable über das politische und juristische Tagesgeschehen im Gastland zu berichten. Aufgabe von allen Botschaftsmitarbeitern ist es auch, den Besuch von deutschen Spitzenpolitikern in Indonesien zu organisieren. Hier sind vor allem Teamarbeit und Organisationstalent gefragt. Daneben muss man als Jurist in einer Botschaft rechtliche Gutachten schreiben und – klassisch Behörde – Widerspruchsbescheide verfassen. Abendliche Empfänge und das regelmäßige Get-Together mit anderen diplomatischen Vertretungen und NGOs runden einen Botschaftsalltag ab.

Was ich nicht vergessen werde I: Die Indonesier lieben Deutschland

Die Freundlichkeit der Indonesier, welche immer ein Lächeln auf den Lippen haben. Die unbeschwerte, positive Lebenseinstellung. Die Schönheit des Landes. Den internen Einblick in die politischen, wirtschaftlichen und auch rechtlichen Verhältnisse eines aufstrebenden Schwellenlandes. Den Erfolg, in einem scheinbar chaotischen Umfeld viele kleine Schritte zur Völkerverständigung und zur Entwicklung der deutsch-indonesischen Freundschaft zu gehen. Die Erfahrung, dass man als Deutsche überall freundlich empfangen und mit großem Respekt behandelt wird. Die Indonesier lieben Deutschland. Toll war es zu erleben, wie die großen Weltreligionen friedlich und tolerant koexistieren.

Was ich nicht vergessen werde II: Smog, Müll, Stau

Das Leben in der Metropole Jakarta ist oftmals von Entbehrungen geprägt. Ein Aufenthalt im Freien ist wegen der starken Luftverschmutzung nicht immer ratsam. Es fehlt an einer öffentlich geregelten Müllentsorgung; die wenigen Grün- und Wasserflächen der Stadt sind meist verdreckt. Der Verkehr in Jakarta gehört zu den Schlimmsten in Asien. Termine lassen sich oft nicht einhalten, weil man stundenlang im Verkehr feststeckt. Die jährlich wiederkehrenden Überflutungen während der Regenzeit sind nicht nur der tropischen Lage der Stadt, sondern auch der mangelhaften Abwasserinfrastruktur geschuldet.

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Was man sonst noch dort tun kann

Außer in der Botschaft arbeiten deutsche Juristen vor allem in der Außenhandelskammer, den NGOs oder den vielen ortsansässigen deutschen Unternehmen.

Wie man am besten hinkommt

Es gibt keine Direktflüge von Deutschland nach Jakarta. Meist geht die Verbindung über Singapur oder Dubai. Der Flug dauert daher etwa 15 bis 20 Stunden. Die Inselwelt Indonesiens lässt sich von Jakarta aus wiederum bequem per Flugzeug erkunden.

Wo man wohnen kann

Jakarta bietet Unterkünfte für jeden Anspruch und Geldbeutel. Als Referendar kann man gut in einem der vielen zentral gelegenen Gemeinschaftsunterkünfte unterkommen, in denen viele junge Leute aus der ganzen Welt leben. Apartments können in der Innenstadt schnell über dem deutschen Mietpreisniveau liegen. Außerhalb des Zentrums sind auch luxuriöse Einfamilienhäuser mit Pool und Garten keine Seltenheit. Das Wichtigste in Jakarta ist ohnehin, möglichst nah am Arbeitsplatz zu wohnen, denn der Verkehr macht jeden Kilometer Arbeitsweg zum Risiko.

Woran man sich als deutscher Jurist gewöhnen muss

Das Rechtssystem von Indonesien ist schwer zu überblicken. Viele Gesetze stammen noch aus der holländischen Kolonialzeit. In streng muslimischen Teilen des Landes gilt sogar die Scharia. Gesetze anzuwenden ist nicht zuletzt wegen der sprachlichen Unsicherheiten ein Problem. Die Landessprache – Bahasa Indonesia – lässt oft großen Spielraum für Auslegung. Es gibt so gut wie keine stimmigen englischen Übersetzungen. Ein großes Problem ist auch die Korruption, die gerade deutschen Juristen das Arbeiten schwierig machen kann. Korrupte Beamte oder Richter führen so manches Gesetz ad absurdum. Im Indonesischen gibt es außerdem kein Wort für "Nein" und die traditionelle Höflichkeit verbietet es, einem Fremden zu widersprechen. Es gibt keine Diskussionskultur wie wir sie kennen, was einen schon mal an den Rand des Wahnsinns treiben kann, wenn einem immer in allem Recht gegeben wird.

Was man unbedingt machen sollte

Mit einem "Tuk-tuk" die Stadt erkunden und in einer der vielen Straßenküchen essen! Neben den bekannte Mie Goreng oder Saté-Spießen gibt es hier allerlei kulinarische Leckerbissen zu entdecken. Wer sich nur in westlichen Luxus-Gourmet-Tempeln bewegt, verpasst etwas. Außerdem: Die Landessprache lernen. Keine Sprache ist so einfach zu lernen wie Indonesisch. Sie ist für den Alltag unverzichtbar, da die meisten Indonesier – insbesondere auch Taxifahrer – kein oder nur wenig Englisch sprechen. Und nicht zuletzt: Eine balinesische Massage nach einem stressigen Arbeitstag.

Was man unbedingt gesehen haben muss

Langweilig wird einem in Indonesien wohl in Jahren nicht. Während sich in Jakarta selbst die Möglichkeiten weitgehend auf Luxusshopping, gutes Essen und ein abwechslungsreiches Nachtleben begrenzen, warten außerhalb der Metropole einige der schönsten und spektakulärsten Sehenswürdigkeiten und Reiseziele der Welt. In weniger als zwei Flugstunden ist man bereits auf der Götterinsel Bali; weitere Trauminseln sind ebenfalls innerhalb kürzester Zeit zu erreichen. Dort warten nicht nur Südsee-Flair und unberührter Dschungel, sondern auch atemberaubende Tauchgebiete. Indonesiens beeindruckende Kulturgeschichte lässt sich in zahlreichen historischen Städten erkunden und bestaunen. Auf der Hauptinsel Java locken zudem Kaffee-, Tee- und Reisanbau sowie mit dem Mount Bromo und dem Merapi einige der aktivsten Vulkane der Erde. Auf der Nachbarinsel Sumatra erwarten einen ursprüngliche Regenwälder und die berühmten Orang Utans.

Empfehlen kann ich Stadt, Land und Praktikum jedem, der...

… neugierig auf ein buntes, schönes und freundliches Land ist. … den Kultur-Schock nicht fürchtet … sich nicht von den teils widrigen Lebensumständen in der Metropole abschrecken lässt.

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