Juristenausbildung in Mecklenburg-Vorpommern

"Die Uni­ver­si­täten sind der Fla­schen­hals"

von Marcel SchneiderLesedauer: 4 Minuten

Dem liebsten Urlaubs-Bundesland der Deutschen geht der Justiznachwuchs aus. Das liegt zwar auch an den Bedingungen in Referendariat und Justiz – vor allem aber an den Unis, meint die Linken-Fraktion im Landtag.

Die Zahlen verdeutlichen den Ernst der Lage: Seit 2001 gibt es im Schnitt pro Prüfungsjahrgang nur rund acht Absolventen, die nach dem Referendariat ihr zweites Examen in Mecklenburg-Vorpommern mit einem Vollbefriedigend oder besser ablegen. Betrachtet man den Zeitraum der vergangenen fünf Jahre, waren es sogar nur knapp über sechs Assessoren mit Prädikatsexamen pro Prüfungsjahrgang.

Ihnen gegenüber stehen durchschnittlich 40 aus dem Beruf ausscheidende Richter und Staatsanwälte pro Jahr, deren Posten angesichts der anrollenden Pensionierungswelle in der kommenden Zeit neu besetzt werden müssen. Hinzu kommen noch Verbindlichkeiten aus dem "Pakt für den Rechtsstaat" mit dem Bund, der das Land ebenfalls zur Schaffung neuer Stellen verpflichtet.

Die Landtagsfraktion der Linken hat diese Entwicklung zum Anlass genommen, ein Personalkonzept für die hauseigene Justiz zu entwickeln, das sie in dieser Woche vorgestellt hat. In diesem hat die Partei die Bundesländer miteinander verglichen. Vor allem aber hat sie sehr detailliert untersucht, an welchen Stationen es vom Studium bis beispielsweise zur Ernennung als Richter für angehende Juristen speziell in Mecklenburg-Vorpommern hapert.

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Bisherige Maßnahmen: nicht schlecht, aber zu langsam

Die Bestandsaufnahme der Untersuchung zeigt, dass sich bereits etwas tut – wenn auch langsam. So hat das Land wieder damit begonnen, Referendare während des Vorbereitungsdienstes zu verbeamten. Damit "verdienen" angehende Volljuristen in Mecklenburg-Vorpommern im Vergleich zu den anderen Bundesländern mit am besten, nur in Sachsen bleibt Referendaren am Ende des Monats noch mehr netto auf dem Konto. Prompt stiegen die Bewerberzahlen.

Das Problem dieser und anderer Maßnahmen, wie etwa günstigeren Bedinungen für Proberichter oder einer groß angelegten Werbekampagne: Ob und gegebenfalls wann und wie sie dazu beitragen, den Nachwuchsmangel in der Justiz zu bekämpfen, wird sich erst in einigen Jahren zeigen. Den Linken ist das zu unberechnbar – und vor allem zu langsam. Eine seit Jahren so eklatant klaffende Lücke zwischen eigenem Nachwuchs und Bedarf müsse schnellstmöglich geschlossen werden, heißt es in dem nun vorgestellten Konzeptpapier. Doch dafür müssten zunächst einmal mehr Jurastudenten her.

Das Greifswalder Problem

"Natürlich sind mehr Jurastudierende kein Garant für mehr geeignete Volljuristen am Ende ihrer Ausbildung, die für unsere Justiz in Frage kommen", sagt Jacqueline Bernhardt, rechtspolitische Sprecherin der Linken im Landtag. "Bei so einem krassen Missverhältnis, wie wir es in unserem Bundesland beobachten können, hat das aber sicherlich auch damit zu tun. In Mecklenburg-Vorpommern sind die Universitäten der Flaschenhals."

Bernhardt, die federführend für das Konzeptpapier verantwortlich zeichnet, spielt damit auf die Hochschulsituation im Land an. Aktuell können Studieninteressierte nur an der Universität Greifswald Rechtswissenschaften belegen, weil das klassische Studium seit 2008 an der bis dato zweiten Jurafakultät des Landes in Rostock aus Kostengründen nicht mehr angeboten wird. Dort gibt es nur noch einen Bachelor- und Masterabschluss zu erlangen. "Damals ging man davon aus, dass Greifswald den Wegfall Rostocks für Jura mit dem Abschluss Staatsexamen schon auffangen werde. Das hat sich mittlerweile als falsch herausgestellt", sagt Bernhardt. Unter anderem auch deshalb, weil Greifswald als Standort vor allem Studenten aus der näheren Umgebung anziehe, weniger jedoch aus dem gesamten Bundesland.

Zunächst müsse also, so der Lösungsvorschlag der Linken, schnellstmöglich wieder das klassische Jurastudium in Rostock angeboten werden, um die Anzahl der Studenten im Bundesland signifikant zu erhöhen. Das habe nebenbei noch einen weiteren Vorteil: "Die Ausbildung eigenen Nachwuchses ist finanziell günstiger, als später Personal in anderen Ländern abzuwerben", heißt es in dem Papier.

Jurafakultäten in Mecklenburg-Vorpommern zu unattraktiv

Zum anderen muss sich nach Auffassung der Landtagsfraktion aber auch die Situation an den Jurafakultäten erheblich verbessern. Dass in Mecklenburg-Vorpommern die Durchfallquoten in beiden Examina im Bundesvergleich hoch sind und die Noten insgesamt vergleichsweise schlecht ausfallen, ist seit längerem bekannt.

Die Gründe dafür sieht Bernhardt vor allem in einer mangelnden personellen Ausstattung der Fakultäten: "Wie will man auch Vorlesungen durch ordentliche Zusatzveranstaltungen flankieren, wenn jeder Lehrstuhl im Schnitt weniger als zwei wissenschaftliche Mitarbeiter hat?" Das nämlich sagen die Zahlen des Papiers ebenfalls aus: An den – im Bundesvergleich übrigens wiederum eher wenigen – juristischen Lehrstühlen in Greifswald und Rostock arbeiten durchschnittlich nur 1,3 beziehungsweise 1,5 wissenschaftliche Mitarbeiter. Wenn es nach den Linken geht, dürften es mindestens zwei wissenschaftliche Vollzeitstellen pro Lehrstuhl sein.

Hinzu kommt laut Bernhardt die mangelnde Ausstattung der Bibilotheken: "Es ist ja nicht nur, dass Jurastudenten beider Fakultäten die jeweils allgemeine Universitätsbibliothek nutzen müssen, weil es keine gesonderten Bibliotheken für Rechtswissenschaften gibt. Hinzu kommt, dass es auch an entsprechender Literatur darin mangelt."

"Probleme mit dem Jurastudium nicht der einzige Faktor"

Das Papier listet zu jedem Verbesserungsvorschlag auch dessen Kosten auf. Zwei separate Jura-Bibliotheken schlagen dabei mit einmalig 600.000 Euro noch vergleichsweise günstig zu Buche. Personal und Ausstattung der Bibliotheken, Angleichung der Lehrstuhlanzahl Rostocks an Greifswalder Verhältnisse und zwei wissenschaftliche Mitarbeiter pro Lehrstuhl würden demnach 3,1 Millionen Euro jährlich kosten. Darin noch nicht enthalten sind die rund 530.000 Euro jährlich, um das juristische Staatsexamen wieder in Rostock anbieten zu können.

Bernhardt betont, dass "die Probleme mit dem Jurastudium hierzulande natürlich nicht der einzige Faktor sind. Aber es ist die Stellschraube, an der wir am zügigsten drehen können." Die Konkurrenz im Wettbewerb um den Justiznachwuchs jedenfalls schläft nicht: In Hessen ist kürzlich der erste Referendarjahrgang gestartet, der nun ebenfalls wieder verbeamtet ist.

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