Interview mit Roman Poseck, Justizminister von Hessen

"Inte­grierter Bachelor erleich­tert Kar­riere im Aus­land"

Interview von Pauline Dietrich, LL.M.Lesedauer: 7 Minuten

Hessens Justizminister will bei der Jumiko die anderen Länder von der Einführung des integrierten Bachelors überzeugen. Was er sich davon erhofft, wie das Studium aussehen könnte und was er vom "Loser-Bachelor" hält, erzählt er im Interview.

LTO: Herr Minister, Sie haben für die kommende Justizministerkonferenz (Jumiko) am 10. November einen Beschlussvorschlag eingereicht, nach dem die Bundesländer die Möglichkeiten zur Einführung eines integrierten Jura-Bachelors prüfen sollen. Warum?

Prof. Dr. Roman Poseck: Ich erhoffe mir von der Einführung eines integrierten Jura-Bachelors, dass er Universitäten, Studierenden, aber auch potenziellen Arbeitgebern - neben den herkömmlichen juristischen Abschlüssen mit den beiden Staatsexamina - weitere Perspektiven und Möglichkeiten eröffnet. Mit dem Bachelor lässt sich ein sinnvoller Abschluss für diejenigen schaffen, die nicht den klassischen Weg gehen wollen, weil sie zum Beispiel keine rein juristische Ausbildung machen möchten, sondern in ihrem Studium auch andere Schwerpunkte setzen und für ihre juristischen Studien eine Qualifikationsergänzung erhalten wollen.

Siebzig Prozent der Studierenden haben in einer Umfrage des Bundesverbands rechtswissenschaftlicher Fachschaften e.V. angegeben, dass sie das Jurastudium wegen des psychischen Drucks nicht weiterempfehlen würden. Der integrierte Bachelor könnte diesen Druck senken. Ist das für Sie auch ein Motiv für die Einführung des Bachelors?

Dieser Aspekt ist kein Hauptmotiv für die Einführung des Bachelors; der Effekt einer Reduzierung des Drucks wäre aber aus meiner Sicht auch kein Fehler. Ich sehe es positiv, dass der Bachelor auch denjenigen Studierenden, die das Erste Staatsexamen nicht bestehen, eine Perspektive für berufliche Tätigkeiten außerhalb der klassischen Felder, zum Beispiel in der Wirtschaft, eröffnen kann. Das ist wichtig im Interesse der jungen Menschen, aber auch im Hinblick auf die große Nachfrage nach Arbeitskräften weit über die Justiz hinaus. Wenn wir dem Arbeitsmarkt weitere durch einen Bachelor qualifizierte Personen zur Verfügung stellen könnten, wäre das für alle gut.

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"Zugang zu unserer juristischen Ausbildung für ausländische Studierende schwierig "

Können Sie denn nachvollziehen, dass viele Jurastudierende unter zu viel psychischem Druck im Studium leiden?

Die Anforderungen im Jurastudium sind hoch und jeder, der juristische Staatsexamina absolviert hat, weiß, dass besonders die Examensphase mit Spannungen und Belastungen verbunden ist. Gleichwohl haben sich viele dieser Situation mit Erfolg gestellt – von daher kann ich das Empfinden von Druck zwar nachvollziehen, meine aber nicht, dass das ein Umstand ist, der tatsächlich vom Jurastudium abhalten sollte. Auch in anderen Studiengängen gibt es im Übrigen Druck; das ist der Situation im Studium und im Examen immanent.

Spielt es für Sie eine Rolle, dass man mit einem LL.B.-Abschluss – im Vergleich zu den Staatsexamina – auch einen international bekannteren Abschluss in der Tasche hätte?

Ja. Ich denke, dass internationale Kontakte insbesondere bei jungen Menschen gut für die Persönlichkeitsbildung, für das gegenseitige Verständnis und am Ende auch für das friedliche Zusammenleben sind. Daher finde ich alles, was den internationalen Austausch fördert, richtig und wichtig. Auffallend ist, dass gerade die rechtswissenschaftlichen Fakultäten relativ wenig ausländische Studierende haben. Das liegt auch daran, dass der Zugang zu unserer juristischen Ausbildung für ausländische Studierende schwierig ist. Die Sprache ist ein Hindernis, aber auch die Art des Studiums, die Dauer und die Abschlüsse der Staatsexamen sind eine Hürde.

Daher erscheint es mir wichtig, mit dem Bachelor ein neues und auch international attraktives Angebot zu eröffnen: Einen Abschluss, den man in einer überschaubaren Zeit erreichen und mit dem man im Ausland auch wirklich etwas anfangen kann, weil er dort bekannt ist und sich in das Bildungssystem des Heimatlandes einordnen lässt. Mit dem integrierten Bachelor erleichtern wir zudem auch den deutschen Absolventinnen und Absolventen eine Karriere im Ausland.

Wie könnte ein Bachelorstudium konkret aussehen? Ließe sich z.B. der Schwerpunktbereich miteinbeziehen?

In der Tat. Die genaue Ausgestaltung muss noch besprochen werden, sie wird am Ende auch den Universitäten selbst obliegen. In Hessen haben die Universitäten eine große Autonomie in der Frage, welche Anforderungen sie an einen Bachelorabschluss stellen wollen.

Ich könnte mir vorstellen, dass der Bachelor verliehen wird, wenn sämtliche Scheine, inklusive der Fortgeschrittenenscheine, und die Schwerpunktbereichsprüfung erfolgreich bestanden sind. Eine Bachelorarbeit könnte dann auch in den Schwerpunktbereich integriert werden. Die Einführung eines Bachelors ist ohne Probleme leistbar – sie ist vor allem eine Frage des Wollens.

"'Loser-Bachelor' ist überheblich"

Erwarten Sie denn auf der Jumiko Widerstände aus den anderen Bundesländern?

Ich erwarte eine intensive Diskussion. Es deutet sich unter den Ländern ein breites Meinungsspektrum an, das ein Spiegelbild der Diskussion ist, die auch in der Wissenschaft zum integrierten Bachelor geführt wird. Es gibt einige Länder, die sind ebenfalls dafür, andere sind eher unentschlossen, aber es gibt eben auch welche, die vehement dagegen sind und die gilt es zu überzeugen. Es ist aber schon wertvoll, dass diese Diskussion überhaupt geführt wird. Am Ende wird man sehen, ob sich ein einheitliches Meinungsbild erreichen lässt oder ob unterschiedliche Wege gegangen werden.

In Hessen jedenfalls haben die Universitäten bereits die Gelegenheit, einen Bachelor anzubieten und es sind auch schon rechtswissenschaftliche Fachbereiche dabei, konkrete Umsetzungsschritte auf den Weg zu bringen.

Warum greifen Sie gerade jetzt das Thema auf – liegt das auch an der intensiven Diskussion in den Medien rund um den "Loser-Bachelor"?

Aus der Reihe der rechtswissenschaftlichen Fakultäten, aber auch der Professorinnen und Professoren sowie der Studierenden sind die Rufe zuletzt lauter geworden, so dass das Thema auch in den Fokus der Politik geraten ist. Aus Anlass dieser aktuellen Debatte habe ich das Thema gerne für die Jumiko in der nächsten Woche angemeldet. In anderen Bundesländern gibt es auch schon entsprechende Festlegungen in Koalitionsverträgen.

Aus meiner Sicht ist es auch alles andere als verwerflich, denen, die die Leistungsüberprüfungen während des Studiums und eine Schwerpunktbereichsprüfung erfolgreich geschafft haben, eine berufliche Perspektive zu eröffnen, auch wenn sie das erste Staatsexamen nicht absolvieren oder nicht bestehen. Die Einführung des integrierten Bachelors empfinde ich auch als Verantwortung gegenüber diesen jungen Menschen. 

Den integrierten Bachelor als "Loser-Bachelor" zu bezeichnen, ist überheblich. Schließlich geht es nicht um eine Alternative zu den juristischen Staatsexamina. Diese haben sich mit ihren Anforderungen und der daraus resultierenden hohen Qualität bewährt. Der Bachelor ist eine sinnvolle Ergänzung; nicht mehr und nicht weniger.

"Keine grundlegenden Reformen notwendig"

Was macht die Qualität des Ersten Staatsexamens denn aus?

Das breite Spektrum, insbesondere die Ausbildung zum Einheitsjuristen. Es werden juristische Methodik und juristisches Wissen umfassend abgefragt, was dann nachher auch eine vielseitige berufliche Verwendung ermöglicht. Allein der Stoff der Pflichtfächer ist umfangreich – das erklärt sowohl die Schwierigkeit als auch die hohe Qualität der Prüfung.

Sehen Sie irgendwo im Staatsexamensstudium Reformbedarf?

Im Wesentlichen hat sich die Staatsprüfung aus meiner Sicht bewährt, so dass ich keine grundlegenden Reformen für notwendig halte. Aber natürlich ist es ein fortlaufender Prozess, Verbesserungen zu diskutieren. Bei der Reduzierung des Stoffes, insbesondere in den Pflichtfächern, sehe ich derzeit eher wenig Raum. Hier hat es Reformen bereits 2016 gegeben und wegen der hohen Bedeutung der Breite der juristischen Qualifikation kann ich mir dort keine grundlegenden Veränderungen in naher Zukunft vorstellen.

Allerdings: Mit der Einführung des E-Examens wird es in Hessen wie auch in anderen Ländern eine bedeutsame Änderung geben. Hier gehen wir zuerst das Zweite Staatsexamen an, aber perspektivisch auch das Erste.

Einen weiteren Nachholbedarf sehe ich in Bezug auf die Diversität in der Juristenausbildung. So sind die Prüfungskommissionen noch stark von Männern dominiert und bilden damit nicht das Spiegelbild der Gesellschaft und der juristischen Berufswelt ab. Das kann man aber auch nicht auf Knopfdruck ändern – schließlich sind auch an den Universitäten die Professorinnen immer noch in der Minderheit. Im Justizdienst dagegen haben wir einen sehr hohen weiblichen Bewerberanteil, wir stellen in den Richter- und Staatsanwaltsdienst zurzeit zu mehr als 60 Prozent Frauen ein. Die Justiz wird also weiblicher. Das wird in der Zukunft auch Auswirkungen auf die Besetzung der Prüfungskommissionen haben.

"Bundesjustizminister wenig Verständnis für praktische und finanzielle Belange der Länder"

Generell beklagt die Justiz einen Mangel an Nachwuchs. In Hessen haben Sie daher bereits ein großes Maßnahmenpaket auf den Weg gebracht, so sollen beispielsweise 100 neue Stellen für Richter:innen und Staatsanwält:innen geschaffen und die Besoldung für ebendiese angehoben werden. Liegt auf der Nachwuchsgewinnung Ihr Hauptaugenmerk als Justizminister?

Die Nachwuchsgewinnung ist mir ein zentrales Anliegen. Wir haben im Moment einige unbesetzte Stellen, das betrifft alle Laufbahnen, aber eben auch Richterinnen und Richter sowie Staatsanwältinnen und Staatsanwälte und wir müssen alles tun, diese Stellen zu besetzen. Darüber hinaus ist es mein Ziel, zusätzliche Stellen zu schaffen. Nur so können wir die hohe Belastung der Justiz erkennbar senken. Dieses Ziel erreichen wir aber nur, wenn wir diese Stellen auch mit Menschen besetzen.

Für eine erfolgreiche Nachwuchsgewinnung in Zeiten eines hohen Personalbedarfs haben wir neben der Erhöhung der Besoldung auch eine moderate Herabsenkung der Einstellungskriterien herbeigeführt. Erste Konsequenzen sind spürbar, uns liegen wieder mehr Bewerbungen vor. Außerdem wollen wir den Assessorinnen und Assessoren den Einstieg in die hessische Justiz mit der sog. "AssessorBrücke" erleichtern.

Über den Pakt für den Rechtsstaat und einen ergänzenden Digitalpakt ist zwischen Bund und Ländern ein heftiger Streit entbrannt.  Wie sehr sind Sie auf Mittel des Bundes in Bezug auf den Stellenausbau angewiesen?

In der Tat ist das Verhältnis zwischen Bund und Ländern zurzeit angespannt, was ich sehr bedaure. Wir erleben einen Bundesjustizminister, der wenig Verständnis für die praktischen und finanziellen Belange der Länder zeigt.

Der Pakt für den Rechtsstaat wäre ein wichtiges Zeichen gemeinsamer Verantwortung für den Rechtsstaat. Wir sind in den Ländern parteiübergreifend enttäuscht von dem Verhalten des Bundes an dieser Stelle – denn der Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung sieht eindeutig auch eine weitere personelle Stärkung und eben nicht nur einen ergänzenden Digitalpakt vor. Über die 100 zusätzlichen Stellen, die wir jetzt in Hessen alleine stemmen, was ein finanzieller Kraftakt ist, könnten wir noch weitere Stellen mit Unterstützung des Bundes sehr gut einsetzen und zwar gerade in den Bereichen, die infolge von Gesetzgebung des Bundes zusätzliche Aufwände haben.

Herzlichen Dank für das Gespräch!

Prof. Dr. Roman Poseck (CDU) ist seit dem 31. Mai 2022 Justizminister in Hessen. Zuvor war er Präsident des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main und des hessischen Staatsgerichtshofes. Poseck studierte Jura in Gießen und Utrecht (Niederlande) und absolvierte sein Rechtsreferendariat am Landgericht Limburg an der Lahn.

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