Studienplatzklagen – Ende der "Bildung für alle"

Kuschel­noten und knappe Kassen

von Arne-Patrik HeinzeLesedauer: 5 Minuten
Die Zahl der Abiturienten mit hervorragenden Noten hat in den letzten Jahrzehnten zugenommen. Da die Kapazitäten der Hochschulen oft nicht ausreichen, wird der Streit um Studienplätze immer häufiger vor Gericht ausgetragen, weiß Arne-Patrik Heinze.

Die Anzahl der Schüler, die jedes Jahr vom Gymnasium abgehen, ist über die Jahrzehnte angewachsen – ebenso die Zahl besonders guter Abiturnoten, deren Vergabe mittlerweile oft inflationär erfolgt. Der damit verbundenen Zunahme an Studienbewerbern stehen indes Kürzungen der staatlichen Mittel gegenüber. Professorenstellen werden nicht nachbesetzt und diverse Kosten, die eigentlich aus Haushaltsmitteln finanziert werden müssten, können nur gedeckt werden, indem sich die Hochschulen aus Drittmitteln finanzieren und somit in Abhängigkeiten begeben. Um durch abgelehnte Bewerber nicht zusätzlich in Verlegenheit gebracht zu werden, versuchen sie zum Teil schon im Vorfeld, Gerichtsverfahren auf Zulassung zu einem bestimmten Studiengang entgegenzuwirken. Diese sogenannten Studienplatzklagen sind zumeist keine Klagen im engeren Sinne, sondern Anträge auf Einstweilige Anordnungen – also Eilverfahren. Deren erfolgreiche Durchführung hat sich in den vergangenen Jahren besonders in beliebten Studienfächern wie Humanmedizin, Zahnmedizin, Pharmazie, Tiermedizin und Psychologie wesentlich verkompliziert. Doch auch in den Bereichen Rechtswissenschaft, Lehramt und Betriebswirtschaft spitzt sich die Lage langsam zu.

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Inner- und außerkapazitäre Plätze

Allen Studiengängen ist gemein, dass regelmäßig inner- und außerkapazitäre Plätze vergeben werden. Innerkapazitäre Plätze sind solche, die von der jeweiligen Hochschule errechnet und von der Hochschule direkt oder über den "Hochschulstart" vergeben werden. Widerspruchsverfahren bzw. Gerichtsverfahren bezüglich dieser Plätze sind nur selten sinnvoll. Lediglich, soweit die seitens der Hochschule errechneten Plätze fehlerhaft vergeben wurden, weil zum Beispiel ein Härtefall nicht berücksichtigt oder eine Abiturnote falsch eingetragen wurde, wird ein rechtliches Vorgehen im Bereich der innerkapazitären Plätze erfolgreich sein. Allerdings gibt es innerkapazitäre Nachrückverfahren, die je nach Hochschule und Studiengang nach unterschiedlichen Kriterien verlaufen. Zum Teil werden für "Nachrücker" frei gewordene Plätze verlost, wobei es zum Beispiel in den Fächern Humanmedizin, Zahnmedizin und Tiermedizin aufgrund des starken Andrangs, der knappen Zahl verfügbarer Plätze und der zahlreichen Gerichtsverfahren faktisch kaum noch "Nachrücker" gibt. Außerkapazitäre Plätze sind solche, die seitens der Hochschule nicht ermittelt wurden, die aber bei korrekter Berechnung nach Auffassung des jeweiligen Gerichts zur Verfügung gestellt werden müssen. Diese freien Plätze werden mittels des Gerichtsverfahrens vergeben, wobei die Verteilung je nach Gericht nach den üblichen Bewerbungskriterien (Abiturnote usw.) oder im Losverfahren erfolgt. Letzteres ist zwar weit verbreitete Praxis, jedoch verfassungsrechtlich bedenklich, weil es keinen sachlichen Grund gibt, warum die im Gerichtsverfahren außerkapazitär festgestellten Plätze anders vergeben werden sollten, als die innerkapazitären Studienplätze.

Gegenmaßnahmen der Hochschulen

Zum Teil wird in der Rechtsprechung für die gerichtliche Geltendmachung der außerkapazitären Plätze gefordert, dass zuvor eine ordnungsgemäße innerkapazitäre Bewerbung erfolgt ist. Die Hochschulen sind aufgrund der jeweiligen landesgesetzlichen Grundlagen sogar dazu übergegangen, ihrerseits einen vorherigen außerkapazitären Antrag zu fordern, der zum Teil sehr früh zu stellen ist. Wird diese Frist versäumt, ist die anschließende gerichtliche Geltendmachung des außerkapazitären Antrages nicht mehr möglich. Diese Praxis bzw. Gesetzgebung ist jedoch rechtlich bedenklich, denn in den Landesgesetzen ist damit die Vergabe von Plätzen geregelt, die es eigentlich gar nicht geben dürfte. Bewerberinnen und Bewerber, die juristisch nicht oder nur unzureichend beraten sind, versäumen die Frist für außerkapazitäre Anträge in der Regel mit der Folge, dass sie zumindest an den Hochschulen, an denen dieser Antrag seitens der Hochschule vorab gefordert wird, kein Gerichtsverfahren bezüglich des außerkapazitären Platzes betreiben können. Umgekehrt haben jene, die sich innerhalb der Frist melden, vor Gericht entsprechend höhere Erfolgsaussichten.

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2/2: Bessere Erfolgschancen bei frühzeitiger Vorbereitung

Auch abseits der landesspezifischen Fristenregelungen sind die Anforderungen an Studienplatzklagen je nach gewünschtem Fach und Hochschule gestiegen. War es vor Jahren vielleicht noch denkbar, in der ersten Instanz mit Hilfe des AStA oder deren Rechtsberatern einen Studienplatz einzufordern, ist dies heute in den meisten Fällen nicht mehr sinnvoll. Gerade in den besonders hart umkämpften Fächern ist es oft sinnvoll, eine etwaige Studienplatzklage schon sehr frühzeitig, d.h. etwa 1-1,5 Jahre vor dem gewünschten Studienbeginn mit einem entsprechend spezialisierten Rechtsanwalt vorzubereiten. Neben der zu diesem Zeitpunkt noch unbekannten Abiturnote sind nämlich diverse andere Faktoren von Bedeutung, die schon frühzeitig beeinflussbar sind. In medizinischen Studiengängen etwa kann ein frühzeitig zu absolvierender Test bei der Studienbewerbung bzw. Studienplatzklage förderlich sein. Auch ist es mitunter hilfreich, das gewünschte Studium zunächst im Ausland zu beginnen. Dann aber muss bei der Auswahl der ausländischen Universität frühzeitig geklärt werden, inwieweit dort erbrachte Leistungen angerechnet werden und wann die Scheine im Ausland ausgegeben werden, um sich rechtzeitig für einen Quereinstieg bewerben und die richtige Wechselstrategie entwickeln zu können. Eine weitere erwägenswerte Option sind sogenannte Teilstudienplätze, die lediglich für den ersten Abschnitt des Studiums vergeben werden, so dass nach Abschluss des Teilstudiums eine  Neubewerbung für den fortführenden Studienabschnitt erforderlich wird. Darüber hinaus kann es strategisch sinnvoll sein, im Rahmen einer Studienplatzklage in die Beschwerdeinstanz zu gehen. Anders als in der ersten Instanz, in der das Gericht von Amts wegen die Kapazität der Hochschule ermittelt, kommt es für die Entscheidung im Beschwerdeverfahren nämlich allein auf den Sachvortrag des Prozessvertreters an. Die dafür erforderlichen Kapazitätsberechnungen beherrschen nur wenige Anwälte, sodass die Erfolgsaussichten bei guter rechtlicher Vertretung steigen – zumal ein Großteil der Mitbewerber die Sache ohnehin nicht über mehrere Instanzen verfolgen wird.

Bildung für alle… die sie einklagen können

Auch wenn eine Studienplatzklage sehr kurzfristig vorbereitet wird, kann sie nach genauer Prüfung sinnvoll sein. In manchen Studiengängen kann eine Studienplatzklage sogar noch problemlos zum Erflog führen, wenn sie einige Zeit nach Erhalt des Ablehnungsbescheides der Hochschule begonnen wird. Die Erfolgsaussichten kurzfristig angestrebter Studienplatzklagen hängen maßgeblich vom Studiengebiet und einer professionellen strategischen Auswahl der Hochschulen unter Berücksichtigung aller relevanten Faktoren ab. Die Erlangung eines Studienplatzes ist in einer Vielzahl der Studiengänge zum Privileg geworden. Um den gewünschten Studienplatz für den späteren Traumberuf zu erhalten, ist oft anwaltliche Hilfe notwendig. Die jedoch ist mit nicht unerheblichen Kosten verbunden, sodass der rechts- und sozialstaatliche Gedanke der "Bildung für alle" faktisch nicht mehr gelebt wird. Langfristige Besserung könnte hier nur eine Erhöhung des staatlichen Bildungsetats bringen. Der Autor Dr. Arne-Patrik Heinze ist als Rechtsanwalt für Studienplatzklagen und Prüfungsanfechtungen sowie als wissenschaftlicher Fachautor aktiv. Zudem ist er bundesweit als Dozent im Öffentlichen Recht im kommerziellen Sektor sowie an Hochschulen tätig.

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