Corona und mündliche Examensprüfungen in Hessen

Kan­di­daten dürfen selbst ent­scheiden, ob sie ant­reten

von Marcel SchneiderLesedauer: 3 Minuten

Während viele Bundesländer wegen der Coronakrise die Examensprüfungen verschoben haben, lässt Hessen den Kandidaten die Wahl, ob sie antreten wollen. "Unverantwortlich", meinen die einen. Dankbar für diese Möglichkeit sind die anderen.

Bayern, Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg, Niedersachsen und viele weitere Bundesländer haben die mündlichen Prüfungen im Ersten und Zweiten juristischen Examen angesichts der Coronakrise verschoben. In Hessen ist das anders: Dort konnten bzw. können Kandidaten weiterhin wählen, ob sie zu ihrer mündlichen Prüfung – egal ob im Ersten oder Zweiten Examen – antreten wollen oder nicht.  

Wer abspringen will, kann das bis zum Mittag des Vortags der Prüfung tun, indem er eine entsprechende Erklärung gegenüber dem Justizprüfungsamt abgibt. Nachgeholt wird dann zu einem späteren Termin, der jetzt noch nicht feststeht. Die Regelung gilt nicht nur für die Referendare, die in der letzten Märzwoche 2020 ihren Termin für die mündliche Prüfung hätten haben sollen. Das Wahlrecht haben auch Kandidaten im Ersten Examen, deren aktueller Durchgang noch bis Ende April 2020 geladen wird.

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"Unverantwortlich und unfair" – oder doch ein "Privileg"?

Eine Gruppe von Prüflingen, die aus Sorge vor Nachteilen in ihrer weiteren Juristenausbildung anonym bleiben möchte, kritisierte das Vorgehen des Landes gegenüber LTO: Sie halten es für "unverantwortlich und auch unfair, die Entscheidung, ob eine Teilnahme an der Prüfung ohne Gefahr möglich ist, auf die Prüflinge abzuwälzen." Die Entscheidung betreffe ja nicht nur die eigene Gesundheit, sondern auch die vieler anderer. Außerdem müsse und könne nur das Prüfungsamt feststellen, "ob ein hinreichend sicherer Prüfungsablauf gewährleistet werden kann", sagen sie.

Auf LTO-Anfrage betonte ein Sprecher des hessischen Landesjustizministeriums, dass man sich die Entscheidung gut überlegt habe: "Natürlich hätten wir es uns einfacher machen und die Prüfungen wie viele andere Bundesländer verlegen können. Wir glauben aber, dass die Kandidatinnen und Kandidaten ein berechtigtes Interesse daran haben, ihre Ausbildung möglichst ohne Zeitverlust fortsetzen zu können." So mancher Kandidat sei sogar "ausgesprochen dankbar" für diese Möglichkeit gewesen und habe das Prüfungsamt für seine "Standhaftigkeit" gelobt.

Auch die hessische Landesjustizministerin selbst nahm gegenüber LTO Stellung zu den Vorwürfen: "Für uns war es das erklärte Ziel, den jungen Menschen den Einstieg in den Beruf zum geplanten Zeitpunkt zu ermöglichen und damit finanzielle Nachteile abzuwenden", sagte Eva Kühne-Hörmann. Sie spricht von einem "Privileg", das die Kandidaten des Zweiten Examens gehabt und das die Kandidaten des Ersten Examens bald noch hätten, und machte klar, dass "sämtliche Vorkehrungen zum Gesundheitsschutz bei diesem Angebot an die Prüflinge" beachtet würden.

Wer den Mindestabstand nicht einhält, fällt durch – zumindest theoretisch

Die Prüflingsgruppe, die sich an LTO wandte, kritisierte zudem, dass das Land angesichts der aktuellen Situation verschärfte Regelungen für die mündliche Prüfung geschaffen habe. Tatsächlich machte Hessen bekannt: "Sollten einzelne Kandidatinnen und Kandidaten wiederholt den jederzeit zu allen anderen Personen einzuhaltenden Mindestabstand von 1,50 Metern unterschreiten, so kann das Justizprüfungsamt dies [...] als erheblichen Verstoß gegen die Ordnung des Prüfungsverfahrens werten und die davon betroffene Prüfungsleistung mit der Note 'ungenügend' bewerten."

Der Ministeriumssprecher kommentierte dies auf LTO-Anfrage so, dass angesichts der besonderen Situationen auch besondere Maßnahmen ergriffen werden müssten. Die Regelung gehe auf Fälle zurück, in denen Kandidaten "den Abstand ersichtlich nicht einhielten und sich etwa nach der Prüfung in die Arme fielen oder sich in Gruppen ohne deutlichen Abstand aufhielten. Meines Wissens hat man deshalb aber noch niemanden wirklich durchfallen lassen, die Prüflinge agieren schon aus eigenem Interesse im Normalfall der Situation angemessen."

Die hessische Lösung mag man nun so oder so bewerten. Die Kandidaten für die mündliche Prüfung im Zweiten Examen, die über ihr Antreten erstmals selbst entscheiden durften, haben jedenfalls mit den Füßen abgestimmt: Von 170 geladenen Prüflingen sind nach Ministeriumsangaben 133 erschienen. Von den 37 nicht angetretenen Kandidaten hätten zudem nicht alle von ihrem Wahlrecht Gebrauch gemacht – so zählten etwa auch die "gewöhnlichen" Ausfälle wegen Krankheit oder anderer Verhinderungen in die Zahl mit hinein.

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