Mit Jura an die Harvard University

Forschungsaufenthalt an der ältesten Universität der USA

von Florian Seitz, LL.M. (UCT)Lesedauer: 5 Minuten
Zwingend ist ein Auslandsaufenthalt während der Promotion nicht. Trotzdem bringt ein Perspektivenwechsel oft wertvolle Einblicke und Erfahrungen. Wie wäre es zum Beispiel mit einigen Monaten an einer Top-Universität der Ivy-League? Florian Seitz erinnert sich an seinen Forschungsaufenthalt an der Harvard University, amerikanischen Sportsgeist und Wiedersehen mit deutschen Studienkollegen.

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VERITAS: Das Motto der amerikanischen Eliteuniversität Harvard in Cambridge nahe Boston leitet Nachwuchsforscher schon seit Jahrhunderten zu Wissensmehrung und Wahrheitsfindung an. Wer als Doktorand die Möglichkeit erhält, für einige Zeit Teil dieser Gemeinschaft zu sein, wird nur selten zögern – und einen Aufenthalt im Nachhinein noch seltener bereuen.

Wie ich dorthin gekommen bin: Fachliche Schnittpunkte und gute Kontakte

Während sich Auslandsaufenthalte bereits während des Studiums, spätestens aber im Rahmen des LL.M.s oder in Stationen des Referendariats immer größerer Beliebtheit erfreuen, ist die Promotionszeit häufig noch dem Wälzen von Büchern bzw. Durchforsten von Datenbanken in der heimischen Universitätsbibliothek vorbehalten. Insbesondere bei rechtsvergleichenden Forschungsfragen bietet es sich aber an, den angestammten Schreibtisch zu verlassen und Probleme aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten. Bei meiner Dissertation, die sich mit der Anwendbarkeit von Schulordnungsrecht auf Internetäußerungen beschäftigt, drängte sich eine rechtsvergleichende Betrachtung geradezu auf: Denn während das Thema in Deutschland bislang sehr stiefmütterlich behandelt wurde, gibt es in den USA bereits Dutzende Gerichtsurteile und über einhundert Aufsätze hierzu. Schnell war auf amerikanischer Seite mit dem Berkman-Center for Internet & Society ein Institut gefunden, das sich schwerpunktmäßig mit dem Online-Kommunikationsverhalten von Kindern und Jugendlichen beschäftigt. Dank der Verbundenheit meines Heimatinstituts und des Berkman-Centers im Rahmen eines globalen Netzwerks von Internetforschungszentren und wegen der exzellenten Kontakte meines Doktorvaters zu den US-amerikanischen Partnern war der Grundstein für meinen Forschungsaufenthalt schnell und unbürokratisch gelegt.

Institutsalltag I: Flexibles Denken, flexible Arbeitsplätze und rollende Schreibtische

Klare Abgrenzungen, wie man sie in Deutschland liebt, sind im amerikanischen Forschungsleben weit weniger verbreitet: Interdisziplinarität wird gelebt, und ob jemand einen juristischen Hintergrund oder vielleicht Computerwissenschaften studiert hat, erscheint bei der täglichen Projektarbeit eher als Randnotiz. Diese Out-of-the-Box Arbeitsweise zahlt sich gerade bei so breiten Forschungsfeldern wie dem Zusammenspiel von Internet und Gesellschaft aus. Hinsichtlich meines eigenen Forschungsprojekts hat der Einblick in Nachbardisziplinen meinen Horizont jedenfalls deutlich erweitert. Die Flexibilität zeigt sich auch in der räumlichen Struktur: Feste Schreibtische oder gar Büros gibt es nur für wenige altgediente Mitarbeiter. Praktikanten, Gastwissenschaftler und Fellows suchen sich individuelle Schaffensplätze – das kann durchaus auch einmal der Küchentisch oder eines der Lounge-Sofas sein. Dank dieser Flexibilität lassen sich überall schnell und unkompliziert neue Kontakte knüpfen. Und für den kleinen Perspektivenwechsel zwischendurch lassen sich die Schreibtische – da auf Rollen montiert – auch einfach durch den Raum schieben.

Institutsalltag II: Das Bibliothekssystem der Harvard University – unendliche Weiten für unendliches Wissen

Neben den zahlreichen Kontakten zu anderen Wissenschaftlern trug die hervorragende Wissens-Infrastruktur der Harvard University sicherlich am meisten zum Gewinn meines Forschungsaufenthalts bei. In den dutzenden Bibliotheken der Universität findet sich alle nur erdenkliche nationale wie internationale Literatur. Freilich kann man einen Großteil der Informationen auch online über die Datenbankzugänge der Universität abrufen. Hat man aber einmal in den altehrwürdigen und zugleich luxuriös ausgestatteten Bibliothekshallen gearbeitet, so möchte man diese Atmosphäre kaum mehr freiwillig aufgeben.

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Was ich nicht vergessen werde I: Beim Baseball schlägt das amerikanische Herz höher

Auch jenseits der Universitätsmauern hat der Großraum Boston einiges zu bieten: Vor den Toren der Stadt wurden historische Schlachten geschlagen und einige der bedeutendsten amerikanischen Autoren haben Zeichen Ihres Wirkens hinterlassen. Eines der emotionalsten Erlebnisse meines Aufenthalts war aber sicherlich ein Besuch beim Heimspiel der Boston Red Sox, dem lokalen Baseball-Team im historischen Fenway Park Stadion. Ganze Familien fiebern bei den für Neulinge zunächst schwer verständlichen Spielzügen mit. Zum Glück hatte ich ein geduldiges Local-Fangirl an meiner Seite, die mir unermüdlich Abläufe und Regeln erklärte. Spätestens als während des achten Innings "Sweet Caroline", die inoffizielle Hymne der Red Sox, angestimmt wurde, hatte auch ich zumindest die Grundzüge eines amerikanischen Baseballspiels verstanden.

Was ich nicht vergessen werde II: too many Germans here

Bereits bei der Planung meines Aufenthalts wurde mir schnell klar, dass ich während des Sommers nicht der Einzige aus meinem Freundes- und Bekanntenkreis in den USA sein würde: Hatte ich meinen LL.M. bereits vor zwei Jahren in Kapstadt gemacht, so hatte es jetzt gleich mehrere meiner ehemaligen Studienkollegen hierfür in die USA verschlagen. Da bot es sich natürlich an, noch ein paar der anderen bekannten US-Universitäten wie die Columbia University in New York und die Stanford University im kalifornischen Silicon Valley zu besuchen. Und jeder Campus hat seinen eigenen, besonderen Charme: Erinnert Harvard mit seinen Klinkerfassaden an die Gründerzeit amerikanischer Bildungseinrichtungen, so erscheint die Columbia University stark vom pulsierenden Leben des umgebenden Manhattans geprägt. Und auf dem weitläufigen Stanford-Campus sind die Grenzen zwischen Lernen und einem Nachmittag im Park ohnehin fließend. Dank häufiger und günstiger Flugverbindungen war ein Coast-to-Coast Trip übrigens weder aufwendiger noch teurer als eine Bahnfahrt quer durch die Bundesrepublik.

Was man dort sonst noch tun kann

Wer ein ganzes Jahr in Harvard verbringen möchte, für den bietet sich ein komplettes LL.M.-Studium an. Die Auswahl der Studenten ist dabei sehr kompetitiv, die Arbeitsbelastung in den Kursen hoch und auch die Studiengebühren lassen sich kaum aus der Portokasse finanzieren.

Wie man am besten hinkommt

Flüge nach Boston gibt es ab zahlreichen deutschen Flughäfen direkt oder mit nur kurzen Zwischenaufenthalten. Im Sommer liegen die Preise zumeist etwas höher – der traumhafte Neuenglandsommer macht den Aufpreis aber schnell wett.

Wo man wohnen kann

Der Wohnungsmarkt ist recht angespannt und das Preisniveau liegt deutlich über dem Deutschen. Während des Summer-Breaks von Juli bis September vermieten viele Studenten ihre Zimmer unter – dann ist es einfacher über Portale wie Craigslist etwas Passendes zu finden. Ich selbst hatte mich für zweieinhalb Monate im Hobbyraum der Wohnung eines deutschen Physikdoktoranden eingemietet: keineswegs luxuriös, dafür aber nur fünf Fahrradminuten von der Uni entfernt.

Wie man das bezahlen kann

Abgesehen von einigen Kanzleien bietet auch der DAAD Kurzstipendien für Forschungsaufenthalte deutscher Doktoranden an. Der Bewerbungsprozess ist stark formalisiert und wenig transparent. Bei mir hat es nicht geklappt, sodass als kleiner Trost lediglich die steuerliche Absetzbarkeit als Fortbildungskosten bleibt.

Woran man sich als deutscher Jurist erstmal gewöhnen muss

Daran, dass es auf das Jurist-Sein gar nicht so sehr ankommt.

Was man unbedingt probiert haben sollte

Die nach Promis und Politikern benannten Burger-Kreationen mit Namen wie "Mark Zuckerberg" oder "Barack Obama" bei Bartley‘s am Harvard Square. Hier fühlen sich neu zugezogene Studenten ebenso wie Touristen schnell heimisch.

Empfehlen kann ich Stadt, Land und Aufenthalt jedem der...

... Wissenschaft einmal aus einer anderen Perspektive erleben will. ... sich nicht daran stört, von zahlreichen asiatischen Campus-Touristen als Foto-Souvenir mit nach Hause genommen zu werden. ... seinen Kleiderschrank im Schlussverkauf der Outlet-Center mal wieder günstig auffüllen möchte.

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