Examen in der Coronazeit

9 Tipps für die Vor­be­rei­tung in der Krise

Gastbeitrag von Dr. Toni Böhme  Lesedauer: 7 Minuten

Examenskandidaten befinden sich sozusagen im Ausnahmezustand des Ausnahmezustands, meint Toni Böhme. Chaos ist ihr größter Feind – der sich mit diesen Tipps besiegen lässt.

Das juristische Deutschland steht weitgehend still. Der Vorlesungsbeginn an Universitäten ist verschoben, Examensprüfungen in vielen Bundesländern sind abgesagt, die Gerichte fahren auf "safe mode", Staatsanwaltschaften erledigen das Nötigste, Repetitorien sind gezwungen, ihre Kurse über das Internet anzubieten, etwa per Livestream, Video oder Podcast.

Maßgeblich betroffen von der Krise rund um das Coronavirus sind auch Examenskandidaten. Wer Jurist ist, weiß, wie es dem Prüfling von Tag eins seiner Vorbereitung an geht. Er steht unter erheblicher Anspannung, das soziale Leben ist über zwölf bis achtzehn Monate auf nur ein Ereignis ausgerichtet: das (schriftliche) Examen. Und nun die Krise. Keine der klassischen und traditionellen, die ein jeder Kandidat einmal durchschreitet, nein, dies ist eine echte Krise.

Dieser Beitrag verkennt nicht, dass die Probleme der Juristen, Examenskandidaten und der übrigen an der Juristerei Interessierten sicher nicht die zentralen Probleme sind, die diese Zeit zu lösen hat. Ärzte, Krankenschwestern und Pflegekräfte stoßen an ihre Belastungsgrenzen und gehen darüber hinaus. Diesen Helden des Nicht-Alltags gebührt der größte Respekt.  

Es geht an dieser Stelle darum, einen Blick in die Welt des Examenskandidaten während der Coronakrise zu werfen. Nach einer kurzen Bestandsaufnahme finden alle Interessierten den einen oder anderen hilfreichen Tipp zum Umgang mit der vorübergehend veränderten Situation während der Examensvorbereitung. 

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Das Problem: Die Krise stellt den Alltag auf den Kopf 

Aktuell wissen viele Prüflinge weder ob und ggf. wann ihr Examen stattfindet noch unter welchen Bedingungen. Zumindest die mündlichen Prüfungen entfallen in weiten Teilen des Landes, schriftliche Prüfungen werden verschoben. Die Betroffenen dürften sich fühlen wie die Teilnehmer an den Olympischen Sommerspielen 2020, bevor die Spiele kürzlich dann doch abgesagt wurden: Sie sind einerseits gezwungen, die Spannung hochzuhalten, weiter zu lernen und den Ausnahmezustand auszublenden, wissen aber andererseits nicht einmal, ob sie werden zeigen können, wofür sie lernen.

Anders als in gewöhnlichen Zeiten ist der Examenskandidat während der Coronasituation nicht isoliert "im Tunnel", verbringt den Großteil des Tages nicht in der Bibliothek, im Repetitorium oder in der Lerngruppe. Nein, er ist - entsprechend den Vorgaben der jeweiligen Coronaverordnungen - zu Hause. Grundsätzlich eine schöne Botschaft, doch gehen mit der Isolation zu Hause, in der studentischen Wohngemeinschaft, im Elternhaus oder in der eigenen Wohnung Ablenkungen einher, die der sich gewissenhaft auf das Examen vorbereitende Kandidat so gar nicht gebrauchen kann.

Ein Großteil der Examenskandidaten zehrt maßgeblich von der Struktur des Tages. Morgens von 8 bis 12 Uhr Kurs Zivilrecht I, Mittagspause, 13 bis 16 Uhr Unterrichtsnachbereitung, 16 bis 18 Uhr Klausurbesprechung und 18 bis 20 Uhr Sport. Ein geregelter Tagesablauf ist so nicht mehr möglich. Der Unterricht zur Examensvorbereitung, ob an Universitäten oder in Repetitorien, ist ausgesetzt, Bibliotheken sind geschlossen, Fitnessstudios ohnehin, Lerngruppen sollen nach Empfehlung der Verantwortungsträger im Sinne des social distancing gemieden werden. 

Der Ausweg: Sich selbst eine künstliche Normalität schaffen 

Der Examenskandidat dieser Zeit ist so gesehen in einem Ausnahmezustand im Ausnahmezustand. Was bleibt zu tun in einer Zeit wie dieser? Wer die juristische Examenssituation nicht kennt, wird den Prüflingen dazu raten, die Ruhe zu bewahren, sich zu entspannen, einfach einmal abzuschalten. Das ist aber – mit Verlaub – so effektiv, wie dem Hungernden zur Nahrungsaufnahme zu raten. Ruhe zu bewahren wäre in einer Zeit der Unruhe sicher die logische Reaktion, doch vom Großteil der Menschen ist sie evolutionsbedingt nicht umsetzbar.

Also "weiter, immer weiter!", wie es Oliver Kahn einmal treffend formulierte. Um zu vermeiden, dass es zu unnötigen Verlusten an Lernzeit infolge der grundlegend veränderten Umstände kommt, hilft dem Examenskandidaten dieser Zeit nur eins: künstliche Normalität herstellen. Er muss sich selbst altbekannte Strukturen schaffen – nur auf andere Weise. Legen wir los! 

Tipp 1: Erstellen Sie sich einen Lernplan für die nächsten drei Monate 

Niemand kann sicher sagen, wie lange die aktuelle Ausnahmesituation andauern wird. Daher ist es wichtig, längerfristig als zwei Wochen darauf vorbereitet zu sein. Mit anderen Worten: Es muss ein Lernplan her für das, was in den nächsten drei Monaten zu schaffen ist. Den Plan unbedingt schriftlich festhalten und am besten mit Kleber an die Wohnzimmertür heften. Also: Struktur (+). 

Tipp 2: Diszipliniert sein und Zeit nutzen 

Der beste Lernplan in künstlicher Normalität nützt nichts, wenn er nicht eingehalten wird. Daher gilt: arbeiten! Die Coronakrise hat so gesehen sogar "neue" Zeit freigelegt. Zeit, die eigentlich im Fitnessstudio oder im Sportverein, in der Hochschulgruppe oder in Bus oder Bahn auf dem Weg in die Präsenzkurse verwendet worden wäre. Mit anderen Worten: Es lässt sich vorarbeiten, wenn täglich zwei Stunden mehr effektive Lernzeit zur Verfügung stehen. 

Tipp 3: Online-Angebote fürs Rep nutzen 

In weiten Teilen der juristischen Welt finden derzeit keine Präsenzkurse der Repetitorien statt. Viele aber sind bemüht, die Examenskandidaten dennoch zu betreuen, sei es über Kurse als Livestream oder über Videos des aufgezeichneten Unterrichts, auch Podcasts bieten manche an. Diese Angebote zu nutzen, ist ein Muss. Sollte ein Anbieter keine Online-Kurse zur Verfügung stellen, obliegt es dem Examenskandidaten, darauf hinzuwirken, dass solche Kurse stattfinden.  

Dabei bitte im Hinterkopf behalten: Seien Sie nicht unnötig hart zu Ihren Dozenten, wenn einmal das Video hängt, der Ton stockt oder ein Aspekt nicht gleich klar wird. Alle Anbieter, gleich wie sie heißen, tun ihr Bestes in der aktuellen Lage. Wie für alle in der Krise gilt: Machen Sie das Beste aus den Karten, die Sie auf der Hand haben. 

Tipp 4: Get me out (1) 

Nehmen Sie sich – künstlich – aus der Informationsflut, sowohl die Krise als auch das Examen betreffend, heraus. Das heißt: Einmal pro Woche den Status des eigenen Examens unter Zuhilfenahme der einschlägigen Seiten des Prüfungsamtes checken, wenn es bis zu Ihrem ursprünglich geplanten Termin noch mehr als zwei Monate sind. Für diejenigen, die planmäßig im Mai schreiben, sind auch mehrere Checks pro Woche okay, aber keinesfalls jeden Tag oder mehrmals täglich. Das macht verrückt und nimmt Normalität, auf die der Examenskandidat dieser Zeit so dringend angewiesen ist.

Gleiches gilt für die aktuelle Nachrichtenlage: Schalten Sie alle Push-Funktionen Ihres Smartphones ab und konsumieren Sie besser einmal am Tag ausführlich Nachrichten als ständig während des Lernens. 

Tipp 5: Finanzielle Absicherung klären 

Versuchen Sie, für finanzielle Sicherheit auf wenigstens dreimonatige Sicht zu sorgen. Für den Fall, dass der Nebenjob infolge der Krise entfällt oder sonst eine Notlage entsteht, muss Sicherheit her. Das heißt, falls möglich, Eltern oder Verwandte nach einer Finanzspritze fragen, das Gespräch mit dem Vermieter zwecks Stundung suchen oder den eigenen Arbeitgeber um einen Vorschuss bitten.

Wie die konkrete Ausgestaltung aussieht, spielt keine Rolle. Finanzielle Sicherheit ist aber grundlegend, auch wenn das vielleicht zu unangenehmen Gesprächen führt. Alles andere hemmt nur die künstliche Normalität, indem es ablenkt. Wer nicht weiß, wie er in der Krise über die Runden kommt, kann auch nicht vernünftig lernen. 

Tipp 6: Erklären Sie Ihrem Umfeld, was die Examenszeit bedeutet 

Holen Sie Familie, Freunde und Bekannte ins Boot. Der Examenskandidat dieser Zeit sollte bei allen Strategien bedenken: Er ist ohnehin schon der Eigenartige aus Sicht der anderen. Nun aber, in einer Zeit, in der doch viele zu Hause sind, der Vater endlich den Garten umgraben kann, während die Mutter die Sommerreifen auf die Familienkutsche zieht, müssen die Mitmenschen wissen, wie es Ihnen geht.

Machen Sie ihnen klar, dass die Examenszeit, die Phase des Lernens, durch die aktuelle Krise nicht verlängert oder ausgesetzt wird. Für Sie geht erst einmal alles weiter, vor allem die Vorbereitung. Diese Ausnahmelage in der Krisensituation müssen Sie Eltern, Freunden, Mitbewohnern vermitteln.

Tipp 7: Urlaub für die Lerngruppe 

Schicken Sie Ihre Lerngruppe in den Urlaub – oder treffen Sie sich virtuell. Die Ansteckungsgefahr ist es schlicht nicht wert, die Treffen auf Teufel komm raus weiterlaufen zu lassen. Mal ehrlich: Das geht genauso gut oder schlecht über Facetime/Skype/Viber.  

Tipp 8: Get me out (2) 

Schließlich: Sie brauchen einen Ausgleich. Fitnessstudio geschlossen? Versuchen Sie es mit Joggen. Wobei der Hinweis erlaubt sei, auch Nichtstun auf der Couch kann für Ausgleich sorgen. Seien Sie diszipliniert, aber vergessen Sie nicht, dass Sie auch nur ein Mensch sind, der Pausen und Ruhe braucht. 

Tipp 9: Literatur organisieren

Schließlich ist es ratsam, ausreichend Literatur für die Umsetzung Ihres Lernplans bei Ihnen zu Hause zu haben. Beck-Online zum Beispiel gewährt Studenten während der Coronakrise Zugangsmöglichkeiten für die Heimnutzung der Datenbank. Tauschen Sie aktuelle Literatur mit Leidensgenossen aus, unterstützen Sie sich gegenseitig (gerne auch dann, wenn die Bibliotheken irgendwann wieder öffnen).

Diese Tipps sind kein abschließender Katalog zum optimalen Umgang mit der Krise, sie verstehen sich vielmehr als Anregungen. Generell gilt: Künstliche Normalität in der Krise ist der Weg zum Ziel. Irgendwann wird dann aus künstlicher auch wieder echte Normalität. Bis dahin: Alles Gute, Gesundheit und viel Erfolg!  

Der Autor Dr. Toni Böhme ist Richter und Dozent für Öffentliches Recht bei einem Juristischen Repetitorium. 

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