Climate Clinic – Jurastudierende bieten Rechtsberatung an

"Wir haben noch die Chance, etwas zu ver­än­dern"

Interview von Katharina UharekLesedauer: 6 Minuten

Bei der Climate Clinic setzen sich mit Schwarmwissen angehende Jurist:innen für die Umwelt ein. Aber was macht der Verein genau und wer kann mitmachen?

LTO: Ihr engagiert euch bei der Climate Clinic, also einer bundesweiten studentischen Rechtsberatung für Klimarecht. Wer kann sich an euch wenden?

Baro Gabbert: Unsere Beratung kann jede oder jeder in Anspruch nehmen, der eine Frage rund um Klimaschutz und Recht hat. Dazu gehören Klimaaktivist:innen, Verbände, Universitäten, Schulen und Einzelpersonen. Es gibt allerdings ein paar Ausnahmen. Wir bearbeiten keine fallbezogenen Anfragen und begleiten auch keine konkreten Verfahren. Stattdessen recherchieren wir zu inhaltsbezogenen Anfragen und wollen so das Wissensgefälle zwischen Jurist:innen und Nichtjurist:innen im Umwelt- und Klimarecht ausgleichen.

Zu welchen Themen recherchiert ihr und wie läuft so eine Recherche ab?

Jasper Kamradt: Wir teilen die Recherche grob in zwei Kategorien ein. Einmal gibt es Projekte und Themen, die uns selbst interessieren und dann gibt es externe Anfragen. Für das jeweilige Projekt stellen wir dann Teams von drei bis acht Leuten zusammen und versuchen, gemeinsam Antworten zu finden. Manchmal können wir Anfragen innerhalb einiger Stunden beantworten, es gibt aber auch Projekte, die sich über Wochen und Monate erstrecken.

Das liegt zum einen natürlich auch daran, dass wir uns in der Climate Clinic alle ehrenamtlich engagieren und nicht rund um die Uhr an den Projekten arbeiten können. Zum anderen wollen wir uns in die jeweiligen Rechtsgebiete gewissenhaft einarbeiten. Das kann je nach Spezialität und Vorwissen einige Zeit in Anspruch nehmen.

Könnt ihr ein Beispiel für eine typische Anfrage nennen?

Baro: Es melden sich zum Beispiel immer wieder junge Menschen, die Bundes- oder Landespolitikerinnen mit Forderungen zur Klimapolitik kontaktiert haben. Sie bekommen dann zu hören: "Das finden wir alles ganz toll, aber rechtlich ist da leider nichts zu machen". Das ist oft natürlich vorgeschoben, wirkt aber wie ein Totschlagargument, wenn man sich selbst nicht auskennt. Wir versuchen Unklarheiten zu beseitigen und engagierten Leute mit juristischem Wissen bei ihren Forderungen zu unterstützen.

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"Die Themen Umwelt- und Klimarecht kommen an den Unis eigentlich kaum zu Sprache"

Was macht euch an der Arbeit in der Climate Clinic besonders Spaß und was sind die eher ungeliebten Aufgaben?

Julia Nassl: Die Themen Umwelt- und Klimaschutzrecht sind an den Unis nach wie vor sehr unterrepräsentiert. Das ändert sich zumindest in den öffentlich-rechtlichen Disziplinen allmählich. Von einem Verständnis von Klimaschutzrecht als Querschnittsmaterie sind wir aber noch weit weg. Es fehlt einfach der Praxisbezug. Die Climate Clinic setzt genau da an und schafft die Möglichkeit praxisnah in klimaschutzrelevante Rechtsmaterie einzutauchen und dabei zumindest einen kleinen Beitrag zu leisten.

Ein Verein bringt natürlich viel Bürokratie- und Dokumentationsaufwand mit sich. Da streiten wir uns nun nicht gerade drum.

Das Jura-Studium ist an sich ja schon ein Zeitfresser. Findet ihr ausreichend Mitstreiter:innen?

Baro: Viele unserer Mitglieder haben uns tatsächlich selbst gefunden und angeschrieben. Als wir die Climate Clinic gegründet haben, waren wir unsicher, ob unsere Idee jemanden interessiert. Und plötzlich haben sich 30-40 Interessierte gemeldet und wollten mitmachen. Das war ein extrem beeindruckender Moment.

Jasper: Zudem haben wir ein Human Resources Team, das sich darum kümmert, neue Mitglieder anzuwerben. Das funktioniert am besten über Social-Media und  über die juristischen Fakultäten. Derzeit haben wir ungefähr 50 Mitglieder. Von denen kümmern die meisten um die Recherche und der Rest um die Organisation der Climate Clinic.

"Am wichtigsten ist die eigene Motivation und für das Thema zu brennen"

Wer kann denn bei euch mitmachen? Erwartet ihr Vorkenntnisse im Bereich Umwelt- und Klimarecht?

Baro: Unsere Mitglieder sind hauptsächlich Studierende, aber auch Referendar:innen und Doktorand:innen. Auch als Vollurist:in kann man uns unterstützen, indem man Fragen beantwortet und die Jüngeren unterstützt.

Jasper: Neben allgemeiner juristischer Kenntnis, erwarten wir keine besonderen Vorkenntnisse im Klimarecht. Am wichtigsten ist die eigene Motivation, dass die Leute für das Thema brennen. Dazu ist es uns wichtig, dass die Mitglieder die Fähigkeit haben, sich in neue Bereiche einzulesen. Natürlich schadet es aber auch nicht, wenn man Vorkenntnisse mitbringt.

Welche Rechtsgebiete und Themen fallen in den Bereich Umwelt- und Klimarecht?

Baro: Meiner Meinung nach kann jede Frage eine „Klima-Frage“ sein. Klima und Recht bilden eine Querschnittsmaterie. Es handelt sich bei Klima- und Umweltrecht gerade nicht um ein eigenes Rechtsgebiet. Wichtig ist daher, Umweltaspekte gleich in die jeweiligen Rechtsbereiche zu integrieren. Wenn ich eine Vorlesung zum Kaufrecht höre, hat das selbstverständlich auch etwas mit Umweltthemen zu tun. Zum Beispiel die Frage, wie man vertraglich Lieferketten und Lagerung umweltschonend ausgestalten kann oder welche Auswirkungen Vereinbarungen zu Retouren und Online-Versand auf die Natur haben. An den deutschen Unis ist das Bewusstsein für solche Themen noch ausbaufähig.

"Wertvoll ist für uns auch der Input von Studierenden in niedrigeren Semestern"

Was, wenn ihr selbst mal nicht weiter wisst?

Julia: Wir arbeiten mit einem Expert:innenkreis von 20 bis 30 Volljurist:innen mit verschiedenen Hintergründen zusammen. Unter anderem Anwält:innen und wissenschaftliche Mitarbeiter. Um uns bei Unklarheiten abzusichern, wenden wir uns per Mail oder Telefon an unsere Expert:innen. Das machen wir dann je nach Fachgebiet. Wir haben verschiedene Kontakte, die wir konkret anfragen können, wenn wir mal nicht weiter wissen.

Genauso wertvoll ist für uns aber auch der Input von Studierenden in niedrigeren Semestern. Oft verwendet man in Rechercheantworten unbewusst Fachbegriffe, mit denen eine 17-jährige Klimaschützerin vielleicht gar nichts anfangen kann. Da können wir durch den Blickwinkel jüngerer Jurist:innen profitieren.

Die Mitglieder eures Vereins kommen von Fakultäten aus dem ganzen Bundesgebiet. Trefft ihr euch regelmäßig?

Julia: Genau, unsere Mitglieder kommen aus verschiedenen Teilen Deutschlands. Wir sind nicht an eine bestimmte Universität angebunden, deshalb organisieren wir uns vor allem online. Unabhängig von der Pandemie haben wir ein monatliches Online-Meeting eingeführt – sowohl etablierte als auch Neumitglieder sind hier herzlich willkommen.

Jasper: Um auch einen persönlichen Kontakt herzustellen haben wir die Online-Meetings durch Treffen in Ortsgruppen ergänzt. So können wir gemeinsam als Landesgruppe an Projekten arbeiten und neue Mitglieder besser einarbeiten.

Wie finanziert ihr die Climate Clinic?

Baro: Obwohl wir alle ehrenamtlich arbeiten, fallen natürlich Kosten an. Zum Beispiel haben die registerrechtlichen Dinge, wie die Eintragung des Vereins, uns zu Beginn Geld gekostet. In der Anfangszeit der Climate Clinic haben die Gründungsmitglieder das Geld ausgelegt. Auch die Einrichtung einer Website oder ein Teamwochenende müssen wir bezahlen können. Mit der Zeit hat sich deshalb unser Finance Team an Sponsor:innen gewandt und so die Finanzierung gesichert. Wir konnten etwa die Bewegungsstiftung für uns gewinnen. Unser ausgelegtes Geld haben wir inzwischen alle zurückerhalten.

Bei Auswahl der Sponsor:innen ist uns wichtig, dass diese politisch und rechtlich unabhängig und wir inhaltlich nicht gebunden sind.

"Für mich ist völlig klar, dass ich das, was ich im Studium gelernt habe, auch einsetzen möchte."

Und warum habt ihr euch dafür entschieden, euch gerade für Klimaschutz einzusetzen?

Baro: Einfach weil die Klimakrise eine Ungerechtigkeitskrise nach sich zieht. Sie verstärkt jede Ungleichheit und führt zu dramatischen Interessenskonflikten. Jurist:innen werden dazu ausgebildet, Lösungen zu finden, deshalb sollten sie sich dieser Krise annehmen.

Jasper: Dem kann ich mich nur anschließen. Für mich ist es auch völlig klar, dass ich das, was ich im Studium gelernt habe, auch einsetzen möchte. Ich weiß, dass man durch Recht viel bewirken kann. Es braucht Jurist:innen, die sich mit dem Thema beschäftigen. Ganz vorne mit dabei zu sein, das ist mir wichtig und macht vor allem auch Spaß.

Julia: Als jetzige Generation haben wir noch die Chance, etwas zu verändern. Mit der Climate Clinic wollen wir Türen öffnen und gemeinsam rechtliche Lösungen für eines der drängendsten Probleme unserer Zeit finden.

Vielen Dank für das Gespräch!

Mehr zum Thema Jurastudium und Klimaschutz sowie andere Themen zu Klima und Karriere gibt es zum Nachhören in der dritten Folge des LTO-Minipodcasts Klimaparagrafen. Unter anderem: Was tun Kanzleien für die Klimabilanz? Weitere Artikel zum Thema außerdem im LTO-Dossier Klima & Recht.

Baro Vicenta Ra Gabbert studierte Jura an der Bucerius Law School in Hamburg. 2020 initiierte sie die Climate Clinic, in der sie für die inhaltliche Ausrichtung verantwortlich ist und sich in den Bereichen Öffentlichkeitsarbeit und Recherche betätigt. Als Sachverständige und stellvertretende Vorsitzende des Bundesjugendkuratoriums berät sie die Bundesregierung in Querschnittsthemen der Kinder- und Jugendpolitik.

Jasper Kamradt ist Doktorand und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Öffentliches Recht und Europarecht an der Humboldt-Universität zu Berlin. Er engagiert sich als Rechtsberater und Teamhead bei der Climate Clinic.

Julia Nassl hat an der LMU in München Rechtswissenschaften studiert und arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin an einem Lehrstuhl für Völkerrecht. Bei der Climate Clinic ist sie für die Kommunikation mit externen Expert:innen zuständig.

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