BVerwG bestätigt Absenkung der Unterhaltsbeihilfe

Kein zusätz­li­ches Geld für Rechts­re­fe­ren­dare

von Constantin Baron van LijndenLesedauer: 6 Minuten
Viele Rechtsreferendare aus NRW erhielten 2015 nacheinem Urteil des OVG Münster Nachzahlungen. Noch mehr gibt es aber nicht. Das reiche nämlich, um die Existenz zu sichern. Und nur das müsse die Beihilfe schließlich, meint das BVerwG. 

Die im Jahr 2005 erfolgte Absenkung der Unterhaltsbeihilfe für nordrhein-westfälische Rechtsreferendare auf 85 Prozent der vorherigen Bezüge ist revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden. Das hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG)  am Donnerstag entschieden (Az. BVerwG 2 C 31.15). Seit dem Jahr 1999 stehen Rechtsreferendare in Nordrhein-Westfalen (NRW) nicht mehr im Beamtenverhältnis auf Widerruf, sondern in einem öffentlich-rechtlichen Ausbildungsverhältnis. In dieser Funktion erhalten sie keine Besoldung, sondern eine Unterhaltsbeihilfe, die zunächst in der Unterhaltsbeihilfenverordnung auf 100 Prozent des höchsten Anwärtergrundbetrags nach dem Bundesbesoldungsgesetz festgesetzt war. Im Jahr 2005 senkte NRW die Höhe der Unterhaltsbeihilfe jedoch durch eine Änderungsverordnung auf 85 Prozent dieses Betrags ab. Auf Grundlage der aktuellen Bezüge bedeutet dies einen Unterschied von etwa 150 bis 200 Euro monatlich.

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Klage rügt Verstoß gegen Zitiergebot, Bestimmtheitsgebot, Rechtsstaatprinzip

Der Kläger, der selbst von 2012 bis 2014 Rechtsrefendar in Nordrhein-Westfalen war, wandte sich gegen die Absenkung der Bezüge auf 85 Prozent. Nach seinem Vortrag war diese schon deshalb rechtswidrig, weil die Änderungsverordnung nicht klarstellt, auf welcher Rechtsgrundlage sie ergeht. Darin liege ein Verstoß gegen das Zitiergebot aus Art. 70 S. 3 der nordrhein-westfälischen Landesverfassung, der zur formellen Verfassungswidrigkeit führe. Außerdem sei es auch deshalb nicht möglich, von den Bestimmungen der ursprünglichen Unterhaltsbeihilfeverordnung durch die Änderungsverordnung abzuweichen, weil es sich bei der ursprünglichen Verordnung in Wahrheit gar nicht um eine solche, sondern um ein (unzutreffend bezeichnetes) Parlamentsgesetz gehandelt habe. Der Landtag könne allenfalls bestehende Gesetze durch den Erlass von Verordnungen ändern. Beim Erlass der ursprünglichen Verordnung von 1999 habe es sich aber nicht um die Änderung eines bestehenden Gesetzes, sondern um die erstmalige Regelung eines bislang nicht geregelten Problembereichs gehandelt; dies sei jedoch nur durch ein formelles Gesetz möglich. Von einem solchen wiederum dürfe später (2005) aber nicht durch eine Verordnung abgewichen werden, zumal in der Verordnungsermächtigung nicht ausreichend klar bestimmt werde, in welchen Punkten und in welchem Ausmaß ein Abweichen per Änderungsverordnung möglich sein soll. Schließlich sei die Ermächtigungsgrundlage zum Erlass der Änderungsverordnung in § 32 Abs. 3 S. 6 Juristenausbildungsgesetz NRW auch nicht hinreichend bestimmt, da die Vorschrift keine inhaltlichen Vorgaben für die Ausgestaltung der Unterhaltsbeihilfe mache.

BVerwG begründet neue Rechtsprechung zu Verordnungserlass

Das BVerwG folgt diesen Argumenten nicht. Ein Verstoß gegen das Zitiergebot der Landesverfassung liege zwar womöglich vor, könne aber vor dem BVerwG nicht gerügt werden; das Zitiergebot des Grundgesetzes (Art. 80 Abs. 1 S. 3 GG) finde hingegen auf die Landesgesetzgebung keine Anwendung, da es – anders als das Bestimmtheitsgebot – keine zwingend aus dem Rechtsstaatsgebot herzuleitende Vorgabe sei. "Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung erkennen lassen, dass er die Entscheidung des OVG in diesem Punkt für äußerst  fragwürdig hält", sagt Dr. David Poguntke, Rechtsanwalt der Kanzlei Streitbörger Speckmann in Bielefeld, der den Kläger in dem Verfahren vertritt. "Aber leider ist die Verletzung von Landesrecht außerhalb des eigentlichen Beamtenrechts nach der Rechtsprechung des BVerwG mit der Revision vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht angreifbar, weshalb dies nicht abschließend geprüft werden konnte. Interessanterweise rechneten die Vertreter des Landes - es waren fünf gekommen - vor der Verkündung eher mit einem Unterliegen zumindest aufgrund der nicht zitierten Ermächtigungsgrundlage." Auch mit ihrem zweiten Argument hatte der Kläger im Ergebnis keinen Erfolg: Nach Auffassung des BVerwG war es sehr wohl zulässig, die ursprüngliche Verordnung von 1999 als Verordnung und nicht als Gesetz zu erlassen. "In diesem Punkt schreibt die Entscheidung auch ein Stück Rechtsgeschichte", meint Poguntke, denn das BVerwG statuiert zur Begründung seines Ergebnisses eine neue Rechtsprechungslinie und geht deutlich über das hinaus, was in diesem Bereich bislang durch das Bundesverfassunggericht anerkannt war. Dazu holt es etwas weiter aus: Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nämlich ist es zulässig, dass der Landesgesetzgeber Rechtsverordnungen durch Parlamentsgesetz ändert, wenn es sich um eine Anpassung im Rahmen einer grundlegenden Reform eines Sachbereichs durch den Gesetzgeber handelt und die Vorschriften des Gesetzgebungsverfahrens sowie die Grenzen der Ermächtigungsgrundlage eingehalten sind (BVerfG, Beschl. v. 13.09.2005, Az. 2 BvF 2/03). Diese Rechtsprechung, die originär lediglich die Änderung von Rechtsverordnungen betrifft, weitet das BVerwG mit seiner Entscheidung ausdrücklich auch auf deren erstmaligen Erlass aus. "Das OVG ließ diesen Umstand hingegen in seinem Urteil nicht deutlich erkennen" so Poguntke.

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2/2: Unterhaltsbeihilfe soll nur Existenz sichern

Schließlich genüge die Verordnungsermächtigung in § 32 Abs. 3 S. 6 auch den Anforderungen des Bestimmtheitsgebots. Dies folge "bereits" aus der Verwendung des Wortes "Unterhaltsbeihilfe", aus dem sich ergäbe, dass dieser eine existenzsichernde Funktion zukommen müsse. Damit sei das Ausmaß des Spielraums des Verordnungsgebers hinreichend bestimmt. Ob er sich bei der Ermittlung der Unterhaltsbeihilfe etwa am Bundesausbildungsförderungsrecht (BAföG), am Steuerrecht, am Sozialhilferecht oder an den Pfändungsfreigrenzen orientiere oder ob er einen eigenen (mit Blick auf die existenzsichernde Funktion gewählten) Maßstab bilde, stehe in seinem Ermessen. Auch sei das erforderliche existenzsichernde Niveau im konkreten Fall nicht unterschritten worden. "Aus nur einem einzigen Wort auf Inhalt, Zweck und Ausmaß einer Ermächtigungsgrundlage zu schließen, halte ich unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts für recht fragwürdig" sagt Poguntke. "Allerdings wirft die Betonung der existenzsichernden Funktion auch neue Fragen auf. Gerade in Bundesländern, die aufgrund von ähnlichen Ermächtigungsgrundlagen und Rechtsverordnungen eher niedrige Unterhaltsbeihilfen gewähren, kann man sich fragen, ob eine solche Existenzsicherung in jedem Fall gewährleistet ist, insbesondere, wenn von dem Referendar noch Kinder oder Partner zu versorgen sind. Ich bin auf die Urteilsgründe sehr gespannt."

Ungleichbehandlung gegenüber Forstreferendaren irrelevant

Auch ein letztes Argument des Klägers vermag das BVerwG nicht zu überzeugen: die Ungleichbehandlung von Rechts- und Forstreferendaren. Letztere nämlich erhalten weiterhin volle 100 Prozent des höchsten Anwärtergrundbetrags nach dem Bundesbesoldungsgesetz. Nach Ansicht des Klägers gibt es für die unterschiedliche Behandlung keinen hinreichenden Grund, sodass die Änderungsverordnung nicht bloß formell, sondern infolge eines Verstoßes gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG auch materiell verfassungswidrig sei. Das BVerwG schließt sich dem nicht an. "Angesichts der sehr kleinen Anzahl an Forstreferendaren" bestehe für das Land "kein Bedarf […], die Konkurrenzsituation mit anderen Bundesländern auch bezüglich der Höhe der Unterhaltsbeihilfe im Blick zu halten." Soll wohl heißen: Dem Land ist nicht zuzumuten, seine Rechtsreferendare deutlich besser zu bewerten, als andere Bundesländer, weil von dort sonst zahlreiche Referendare zuziehen könnten – auch, wenn in der im Vergleich zu Forstreferendaren geringeren Entlohnung eine Ungleichbehandlung liegt. Im Übrigen hätten Rechtsreferendare in tatsächlicher und in rechtlicher Hinsicht wesentlich bessere Möglichkeiten, die Unterhaltsbeihilfe durch den Verdienst aus einer Nebentätigkeit, etwa bei einem Rechtsanwalt, aufzustocken.

Referendare mussten wissen, was das LBV geleugnet hat

In letzter Instanz konnte der Kläger also keine weiteren Erfolge verbuchen. Für seine Kollegen und Nachfolger hat er dennoch viel erreicht – allen Bemühungen der Behörden zum Trotz. Die Vorinstanz hatte ihm in einem anderen, ebenfalls bedeutsamen Punkt Recht gegeben: Danach hatte das Land NRW zu Unrecht 85 Prozent des Anwärtergrundbetrages nach dem Landesbesoldungsgesetz gezahlt und nicht, wie in der Veränderungsverordnung vorgesehen, 85 Prozent des Anwärtergrundbetrages nach dem Bundesbesoldungsgesetz (Urt. v. 27.10.2014, Az. 3 A 1217/14). Diese Entscheidung hatte das Landesamt für Besoldung und Versorgung (LBV) anerkannt, was 2015 zu meist mittleren dreistelligen Nachzahlungen an nordrhein-westfälische Rechtsreferendare führte. Die Rückzahlungen wurden allerdings maximal bis zum 1. Januar 2011 gewährt – ältere Forderungen sind nach Auffassung des LBV allerdings verjährt. Das Argument: Die Referendare hätten Kenntnis von der Rechtslage haben müssen, an der es der Behörde selbst mangelte. Diese Auffassung wurde zwischenzeitlich von den Verwaltungsgerichten in Köln und Münster bestätigt.

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