European Law Students' Association

"Nicht nur in der Bib­lio­thek und im Hör­saal"

von Anna K. BernzenLesedauer: 4 Minuten
Seit 30 Jahren an europäischen Universitäten präsent: Die European Law Students' Association vereint junge Juristen zum fachlichen und persönlichen Austausch. Wie der mit dem Studium vereinbar ist, warum die Menschenrechte dabei ein zentrales Thema sind und was ein Jurastudent am BGH zu suchen hat, erklärt Philip Hagedorn, ihr deutscher Präsident, im Gespräch mit LTO.

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LTO: Blicken wir dreißig Jahre zurück: Wie fing im Jahr 1981 alles an? Hagedorn: Damals schlossen sich fünf Jurastudenten aus Österreich, Polen, Ungarn und der Bundesrepublik Deutschland in Wien zur European Law Students' Association (ELSA) zusammen. Das geschah, im wahrsten Sinne des Wortes, vor dem Hintergrund des Eisernen Vorhangs. Mit dieser Erfahrung im Hinterkopf war es das Ziel der Gründer, junge Juristen aus den verschiedenen Rechtssystemen zusammenzubringen. LTO: Und heute? Hagedorn: Im Jahr ihres runden Geburtstags hat ELSA 35.000 Mitglieder in 42 europäischen Ländern. Darunter sind nicht nur Staaten der Europäischen Union, sondern zum Beispiel auch Länder wie die Türkei und seit kurzem Aserbaidschan. Die deutschen Studenten stellen 7.500 der ELSA-Mitglieder, die sich auf 43 Hochschulen verteilen. Das ist die mit Abstand größte nationale Gruppe. LTO: Der Eiserne Vorhang ist mittlerweile gefallen. Welche Ziele verfolgt ELSA heute? Hagedorn: Wir wollen jungen Juristen die Möglichkeit bieten, über den Tellerrand ihres Jurastudiums zu blicken. Wer sich bei ELSA engagiert, kennt sich am Ende eben nicht nur fachlich aus, sondern hat auch mal etwas anderes als die Bibliothek und den Hörsaal gesehen. LTO: Wie verschaffen Sie den Studenten diesen Blick über den Tellerrand? Hagedorn: In den lokalen Gruppen an den Hochschulen sorgen die Studenten selber dafür: So organisieren sie Seminare, Vorträge und Ausflüge zu Gerichten und Kanzleien. Deutschlandweit bieten wir die ELSA Moot Court Competition an, deren Finale jedes Jahr am Bundesgerichtshof (BGH) stattfindet. Demnächst kommt noch eine Contract Competition dazu. Damit wollen wir dem modernen juristischen Arbeitsumfeld Rechnung tragen. Außerdem findet in Zusammenarbeit mit dem Europarat ein internationaler Moot Court für Menschenrechte statt.

"Wir geben angehenden Juristen die Möglichkeit, praktische Eindrücke zu sammeln"

LTO: Weshalb gerade das sperrige Thema Menschenrechte? Hagedorn: Da die Gründung im geteilten Europa stattfand, sind die Menschenrechte ein beständiges Thema in unserer Arbeit. Vor einigen Jahren nahm etwa eine Delegation von ELSA am Aufbau des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag teil. LTO: In diesem Jahr liegt der Fokus aber auf dem Medizinrecht. Wie passt das zusammen? Hagedorn: Während die Menschenrechte immer präsent sind, rückt ELSA alle drei Jahre ein Nischenthema in den Mittelpunkt ihrer Arbeit. Das Medizinrecht ist ein Rechtsgebiet, dem in der Lehre und teils auch in der Praxis nicht genug Aufmerksamkeit zukommt. Die Studenten sollen an dem Beispiel sehen, dass es nicht nur Mergers and Acquisitions gibt. LTO: Man könnte meinen, dass die Studenten neben ihrem Studium nicht auch noch Fachvorträge hören wollen. Hagedorn: Das entspricht so nicht meinen Erfahrungen. Wir geben angehenden Juristen aber auch die Möglichkeit, praktische Eindrücke zu sammeln. In Legal Research Groups forschen sie zum Beispiel im Vorfeld des Deutschen Juristentags zu eigenen Themen wie dem Persönlichkeitsrecht im Internet. Ihre Ergebnisse präsentieren sie auf dem Juristentag dem Fachpublikum. LTO: Das klingt nach einer Menge Arbeit zusätzlich zum Studium. Hagedorn: Es ist sicher ein Aufwand, der Gewinn der Nachwuchs-Forscher ist aber groß: Sie lernen, ein Thema professionell zu bearbeiten und aufzubereiten. Ihre Ergebnisse können sie mit Fachleuten diskutieren. Und mit ein bisschen Glück werden sie sogar veröffentlicht.

"Bei ELSA können Studenten ihre Fähigkeiten ohne Notendruck ausbauen"

LTO: Mit dem Deutschen Juristentag haben Sie einen bekannten Partner an Land gezogen. Wie kommen Sie an diese Kooperationen? Hagedorn: ELSA ist mittlerweile eine feste Größte in der europäischen Rechtsszene. Wir haben einen großen Förderkreis aus Unternehmen und Kanzleien. Aus dem Pool kommen viele unserer Kontaktpersonen. Aber auch unser Beirat unterstützt uns: Darin sitzt zum Beispiel die ehemalige Justizministerin Herta Däubler-Gmelin und die deutsche Generalanwältin beim Europäischen Gerichtshof, Juliane Kokott. LTO: Klingt, als hätte ELSA die Frauenquote bereits erfüllt. Hagedorn: Da sind wir der Wirtschaft in der Tat einen Schritt voraus. Im Bundesvorstand sind genau drei Männer und drei Frauen. Aber nicht nur das Geschlecht ist für uns irrelevant, auch der Studiengang. Mittlerweile gibt es einige ELSA-Gruppen an Fachhochschulen. LTO: Damit sind Sie auch der deutschen Juristenausbildung einen Schritt voraus. Warum machen Sie keinen Unterschied? Hagedorn: In anderen europäischen Ländern gibt es doch längst fast nur noch einen Bachelor und Master of Law. Wer in seinem Studium Jura als Schwerpunkt hat, kann Elsa beitreten. Der angestrebte Abschluss ist für uns nicht von Bedeutung. LTO: Inwiefern profitieren die Fachhochschul-Studenten von ihrer ELSA-Mitgliedschaft? Hagedorn: Gerade im Hinblick auf die Soft Skills können sie während ihres ELSA-Engagements kräftig üben. Sie lernen zum Beispiel auf Englisch zu verhandeln, kritikfähig zu sein oder zielstrebig im Team auf einen Kompromiss hinzuarbeiten. Viele Hochschulen bieten zwar auch passende Kurse an. Bei uns können die Studenten ihre Fähigkeiten aber ohne Notendruck ausbauen. LTO: Blicken wir zum Abschluss 30 Jahre in die Zukunft: Wie sieht ELSA im Jahr 2041 aus? Hagedorn: Ich werde sie nicht wiedererkennen. Aber ich bin mir sicher, dass sie weiterhin so erfolgreich und sympathisch sein wird. LTO: Herr Hagedorn, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.
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