Automatisierung oder Industrialisierung juristischer Arbeit und künstliche Intelligenz – das werden die wesentlichen Themen der 5. Herbsttagung des Bucerius Centers on the Legal Profession (CLP).
Bis 2011 führte das Thema "Innovation in Kanzleien" in Deutschland ein Mauerblümchendasein. Natürlich gab es den Begriff, und es gab Kanzleien, die sich als innovativ bezeichneten. Doch was der Begriff tatsächlich beschreibt, war ungeklärt. Im Rahmen einer Recherche zu strategischen Optionen im Verdrängungswettbewerb stieß das Bucerius CLP auf viele Kanzleien, die sich selbst als innovativ bezeichneten – darunter diverse, die Externe nicht mit diesem Wort in Verbindung bringen würden. Fragte man Partner, was sich hinter der Bezeichnung verbirgt, erntete man Achselzucken. Offenbar konnte jeder für sich definieren, was Innovation bedeutet.
Welche Auswirkungen hat die zunehmende Industrialisierung der Wertschöpfungskette auf die Erbringung von Rechtsdienstleistungen? Welche Rolle spielen Standardisierung und Digitalisierung dabei? Wo ist in Zukunft noch Platz für den "Trusted Advisor"?
Kreativ ja – innovativ sind Anwälte aber nicht
Das Bucerius Center on the Legal Profession stellte eine These auf: Anwälte sind nicht innovativ. Um diese These zu überprüfen, definierte das Center zunächst, was aus betriebswirtschaftlicher Sicht Innovation eigentlich ist und ob Anwälte nach diesem Kriterium innovativ sein können. Das Bucerius CLP stellte für Kanzleien das Ergebnis im März 2012 zusammen – und ging damit den ersten systematischen Schritt in eine strukturierte Betrachtung anwaltlicher Tätigkeit und Geschäftsmodelle. Die Studie enthielt Untersuchungen zu Produkt-, Service- und Geschäftsmodellinnovation. Eine derartige Betrachtung - gang und gäbe in der Analyse von Unternehmen - gab es im Rechtsmarkt bis dahin nicht.
Die These des Bucerius CLP hatte sich indes nur teilweise bestätigt: Anwälte seien hochkreativ und findig, hieß es, hätten viele Ideen und seien manchmal trickreich – aber soweit die ureigene anwaltliche Tätigkeit betroffen sei, könne man nicht von Innovation reden. Denn die anwaltlichen Arbeitsprodukte, seien sie auch noch so "neu", seien nicht schutzfähig. Das sei aber einer der wichtigsten Bestandteile der Innovation: Mehr zu sein als die bloße Invention, also die Erfindung. Die These der Bucerus CLP: Innovation ist Erfindung plus wirtschaftlicher Verwertung.
Hier seien Anwälte benachteiligt: Sie könnten ihre Ideen nicht nur nicht schützen, sondern müssten damit rechnen, dass eine Idee, wenn sie gut ist, sofort und von jedem verwendet werden werde.
Gebrauchsanleitung für Neuerungen
Dennoch war das erste Arbeitsergebnis für die Kanzleien, mit denen das Bucerius CLP regelmäßig zusammenarbeitet, extrem wichtig: Erst durch die Systematisierung wurde es möglich, Maßnahmen zur Verbesserung der Marktstellung gezielt zu ergreifen. Die Feststellung "Wir sind eine innovative Kanzlei" oder der Vorsatz "wir müssen innovativer werden" helfen dabei nicht. Erst die strukturierte Betrachtung dessen, was kanzleiintern verbessert wird, um die Marktposition zu halten oder auszubauen, bringt Fortschritte.
Ausgehend davon stellten sich die Anschlussfragen: Wie gestaltet man den Prozess des Innovationsmanagements in Kanzleien? Wie kommt man vom Vorsatz zur Umsetzung? Das Bucerius CLP führte Workshops in Kanzleien in unterschiedlichen Zusammensetzungen durch – nur Partner, nur Associates, gemischte Gruppen, auch mit den Business Services Mitarbeitern. Im September 2013 flossen die Ergebnisse in eine "Gebrauchsanleitung" zur Einführung des Innovationsmanagements in Kanzleien. Gleichzeitig bereitete das Bucerius CLP die Herbsttagung 2013 vor, auf der die Aufgabe Innovation bereits behandelt wurde.
Inzwischen hatte das Thema Fahrt aufgenommen, insbesondere durch einen Artikel in der Harvard Business Review. Darin war die These vertreten worden, die Branche der Unternehmensberater stehe vor umstürzenden Veränderungen. Es sei dort das zu erwarten, was der Rechtsmarkt gerade erlebe: Gemeint war die damalige Freshfields-Idee, Projektjuristen für den Einsatz bei Mandanten aus dem Pool der Freshfields-Alumni zu rekrutieren.
Nachdem also Innovation noch vor nicht allzu langer Zeit ein Schattendasein geführt hatte, stand es plötzlich sehr prominent als "disruptive innovation", also als zerstörerisch, im Mittelpunkt. Und zwar verbunden mit einer These von* Richard Susskind, der sagte: Eine disruptive Veränderung sei in einem antiquierten System wie dem Rechtsmarkt gar nicht zu vermeiden: Alternative Service Provider, überwiegend technologiegetrieben, würden weite Teile dessen übernehmen, was bis dahin von Anwälten erledigt werde, und nicht nur das: Sie, die Maschinen, würden es schneller, besser und billiger erledigen.
* Kleine redaktionelle Änderung vorgenommen am 30.09.2015, 11:55 Uhr, aufgrund einer vorherigen fehlerhaften Angabe über Richard Susskind.
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Herbsttagung des Bucerius Center on the Legal Profession (CLP): . In: Legal Tribune Online, 29.09.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/17037 (abgerufen am: 02.12.2024 )
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