Anwälte reizen Fristen gern bis zum Schluss aus. Warum es dennoch höchste Zeit ist, sich intensiv mit den Fragen der Digitalisierung zu beschäftigen, erklären die Macher des Anwaltszukunftskongresses René Dreske und Ralph Vonderstein.
LTO: Datenbanken, elektronische Akten, digitales Diktieren – Soldan und Wolters Kluwer Deutschland begleiten die Anwälte in Deutschland schon eine ganze Weile bei der Modernisierung ihrer Kanzleien. Warum veranstalten Sie jetzt einen Anwaltszukunftskongress?
Vonderstein: Der Arbeitsalltag der Juristen hat sich bereits tiefgreifend gewandelt. Beste Beispiele sind das elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach oder das besondere elektronische Anwaltspostfach. Digitales Arbeiten ist für Juristen heute nicht mehr fortschrittlich, sondern selbstverständlich geworden.
Auch als Informationsdienstleister spüren wir diesen Wandel: Hochwertige juristische Inhalte müssen heute universell verfügbar sein und permanent synchronisiert werden. Der gesamte Rechtsdienstleistungsmarkt steht erst am Anfang eines gravierenden Veränderungsprozesses. Der damit einhergehende Handlungsdruck auf die Kanzleien wird stetig zunehmen.
So schreibt z.B. das Bucerius Center on the Legal Profession auf seiner Webseite: "Der Einsatz von Technologie wird den Rechtsmarkt stark verändern: Traditionelle Geschäftsmodelle werden infrage gestellt, der Wettbewerbsdruck steigt und neue Anforderungsprofile entstehen. Die Rechtsbranche wird sich in vielen Teilen neu erfinden müssen, um diesen Herausforderungen und Chancen begegnen zu können." Mit dem Anwaltszukunftskongress wollen wir diese Entwicklung noch stärker in das Bewusstsein der Anwälte rücken.
"Standardaufnahmen können Maschinen übernehmen"
LTO: Ist das notwendig? Erkennen die Anwältinnen und Anwälte die Zeichen der Zeit nicht?
Dreske: Anwälte arbeiten mit Fristen und reizen diese auch gerne bis zum Schluss aus. Das zeigt sich auch im Umgang mit dem besonderen elektronischen Anwaltspostfach. Kaum war der Starttermin verschoben, ließ das Interesse erst einmal nach. Es ist aber gefährlich, Neuerungen zu ignorieren – und das gilt nicht nur für das besondere elektronische Anwaltspostfach. Wir wollen mit unserem Kongress auch vermitteln, dass neue Technologien keine Bedrohung darstellen, sondern vielmehr eine Chance sind.
LTO: Wenn Sie in die Zukunft blicken: Wie wird Ihrer Meinung nach die Kanzlei von morgen aussehen? Wohin geht die Reise?
Vonderstein: Die eingesetzte Kanzleiorganisationssoftware wird zur zentralen Anwendung werden, die neben der klassischen Arbeit in der Sachbearbeitung nun auch die Fallbearbeitung durch den Anwalt unterstützt.
Die Digitalisierung endet aber nicht bei den Aufgaben innerhalb des Kanzleimanagements. Das zeigt sich schon heute. Auf dem Zukunftskongress steht deshalb die Frage im Vordergrund, welche Inhalte juristischer Arbeit mittelfristig Maschinen übernehmen werden.
Denn längst nicht jedes Rechtsproblem ist einzigartig und verlangt eine ganz individuelle Herangehensweise. Standardprobleme bieten sich eben auch für eine standardisierte Bearbeitung an. Schon heute gibt es einige junge Unternehmen, die sehr innovative Lösungen zur Rechtsberatung im Internet anbieten. Einige dieser Start-ups stellen ihre Geschäftsmodelle auch auf dem Zukunftskongress vor.
"Anwälte können von Legal-Tech-Unternehmen lernen"
LTO: Konzentrieren sich diese Angebote nicht nur auf Leistungen, für die man ohnehin keinen Anwalt braucht?
Dreske: Das würde ich nicht so sagen. Richtig ist, dass diese Aufgaben standardisiert und für einen Anwalt auch nicht kompliziert sind. Aber vielfach werden diese Rechtsprobleme gar nicht an den Anwalt herangetragen, weil die Betroffenen glauben, dass ihr Problem zu klein und der Aufwand zu groß ist, wenn sie dafür einen Rechtsanwalt einschalten. Viele der so genannten Legal-Tech-Unternehmen sorgen mit ihren Angeboten erst dafür, dass die Betroffenen überhaupt ihre Rechte wahrnehmen.
LTO: Wie sollen denn die Anwälte Ihrer Meinung nach auf diese Herausforderungen reagieren?
Vonderstein: Wir sind nicht der Auffassung, dass der Computer oder Internet-Plattformen den Anwalt verdrängen werden, um das ganz deutlich zu sagen. Aber der klassische Anwalt kann unserer Meinung nach eine ganze Menge von diesen jungen Mitbewerbern im Rechtsberatungsmarkt lernen.
Die juristischen Angebote im Internet fordern den Anwalt verstärkt dazu auf, sein Leistungsangebot zu überdenken: Was erwarten die Mandanten von ihm? Was können Anwälte an Mehrwert bieten, damit die Mandanten auch bereit sind, mehr dafür zu zahlen? Die Mandanten sind kritischer geworden und dazu tragen sicherlich auch die Angebote im Internet bei.
Durch die neuen Wettbewerbssituationen wie auch die neu entstehenden Geschäftschancen in diesem Umfeld werden zudem aus unserer Sicht optimierte Kanzleiabläufe und digitale Schnittstellen zu einem erfolgskritischen Faktor werden. Der heute in vielen Kanzleien immer noch führende "analoge" Prozess der Bearbeitung wird durch einen "digital" geführten Prozess ersetzt werden müssen.
LTO: Auf dem Anwaltszukunftskongress sprechen Experten auch über Supercomputer wie Watson und künstliche Intelligenz. Ist das nicht sehr weit weg vom Anwaltsgeschäft?
Dreske: Der digitale Fortschritt vollzieht sich so rasant. Vieles, was heute noch nach Zukunftsmusik klingt, wird morgen schon Realität sein. Deshalb ist es so wichtig, sich die Zeit zu nehmen, um sich mit den neuen Herausforderungen zu beschäftigen und auch über das eigene Fachgebiet hinauszudenken. Denn mit der Digitalisierung entstehen ganz neue Allianzen. Wer hätte noch vor einigen Jahren an die Verbindung zwischen Jura und Informatik gedacht? Aus Zukunft wird in diesen Zeiten schnell Gegenwart.
René Dreske ist Geschäftsführer der Hans Soldan GmbH. Ralph Vonderstein ist Leiter des Geschäftsbereichs Recht und Geschäftsführer bei Wolters Kluwer Deutschland. Weitere Informationen zum Anwaltszukunftskongress finden Sie hier.
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Warum ein Anwaltszukunftskongress?: . In: Legal Tribune Online, 21.07.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/20067 (abgerufen am: 07.12.2024 )
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