Ist die Besoldung von Richtern und Staatsanwälten angemessen? Darüber entscheidet nun das BVerfG. Außerdem in der Presseschau: Die Reform des Aufenthalts- und Bleiberechts soll "eine einladende und eine abweisende Botschaft" haben, der BGH befasst sich mit der Legalität von Kräutermischungen und ein wundersamer Fristenablauf.
Thema des Tages
BVerfG - Richterbesoldung: Das Bundesverfassungsgericht muss entscheiden , ob die derzeitigen Gehälter von Richtern und Staatsanwälten verfassungsmäßig sind. Darüber verhandelte es am gestrigen Mittwoch. Mehrere Verwaltungsgerichte hatten sich im Wege der konkreten Normenkontrolle an das Gericht gewandt. Richter und Staatsanwälte haben einen verfassungsrechtlichen Anspruch auf angemessene Besoldung. Die im Grundgesetz festgehaltenen "Grundsätze des Berufsbeamtentums" garantieren eine "amtsangemessene Alimentation". Diese sind eine Konsequenz des Streikverbots für Berufsbeamte.Die Gehälter seien laut den Vorlagen nicht angemessen, da sie hinter der allgemeinen Einkommensentwicklung zurück blieben. Richter verdienten als Berufsanfänger sogar weniger als der Durchschnitt der Bevölkerung. Das Einstiegsgehalt betrage durchschnittlich 41.000 Euro. Durch die zu geringe Besoldung gäbe es Probleme bei der Nachwuchsrekrutierung, da Absolventen mit Prädikatsexamina wegen der besseren Gehälter Anstellungen in Topkanzleien bevorzugten. Aufgrund der rückläufigen Bewerberzahlen würden bereits Juristen mit ausreichenden Examina als Richter beschäftigt. Es sei zu befürchten, dass darunter die Rechtsprechung leide – beispielsweise, weil die Akzeptanz der Urteile in der Öffentlichkeit abnehme, wenn diese nicht von den besten Juristen gefällt würden. Das Bundesverfassungsgericht werde kein Mindestgehalt für Richter festlegen können – dies sei Sache des Gesetzgebers. Aber es könne eine "Grenze der Unteralimentation" und Indizien für die Abkoppelung der Richter von der allgemeinen Gehaltsentwicklung benennen. Mit dem Urteil ist im Frühjahr 2015 zu rechnen. Von dem Verfahren berichten die FAZ (Helene Bubrowksi), die SZ (Wolfgang Janisch) und die Badische Zeitung (Christian Rath).
Mira Gajevic (BerlZ) hält die derzeitigen Einstiegsgehälter von Richtern für "schäbig“. Sie gibt zu bedenken, dass ein funktionierender Rechtsstaat sich gute Richter leisten wollen muss. Wanderten alle Spitzenjuristen in die Wirtschaft ab, würde der Rechtsstaat schnell zum "Pflegefall". Reinhard Müller (FAZ) kritisiert, dass die Schere zwischen Richter- und Anwaltsgehältern immer weiter auseinanderklaffe. "Irgendwann ist die Unabhängigkeit der Justiz in Gefahr. Und daran hängt der Rechtsstaat."
Der Vizepräsident der Bundesrechtsanwaltskammer Ekkehart Schäfer stellt im Interview mit der SZ (Karoline Meta Beisel) die verschiedenen Gehälter von Rechtsanwälten dar. Diese könnten die rückläufige Bewerberzahl für den Staatsdienst erklären.
Rechtspolitik
Reform des Aufenthalts- und Bleiberechts: Die Bundesregierung brachte am gestrigen Mittwoch einen Gesetzentwurf des Bundesinnenministers Thomas de Maizière (CDU) zur Reformierung des Aufenthalts- und Bleiberechts auf den Weg. So sollen unter anderem neue Ausweisungsgründe eingeführt werden. Beispielsweise soll eine Abschiebung von geduldeten Ausländern möglich sein, wenn diese zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mehr als zwei Jahren verurteilt worden sind. Auf die Abschiebung könne ein Einreiseverbot von bis zu zehn Jahren folgen. Bei Fluchtgefahr soll eine Abschiebehaft angeordnet werden können – wobei eine solche Gefahr beispielsweise vermutet werde, wenn der Betroffene über seine Identität getäuscht hat. Gut integrierte und geduldete Migranten sollen hingegen unter bestimmten Voraussetzungen eine Aufenthaltsgenehmigung erhalten können. Das geplante Gesetz steht unter erheblicher Kritik. Dies berichten die SZ (Roland Preuss), die BerlZ (Mira Gajevic) und die taz (Daniel Bax).
Mira Gajevic (BerlZ) hält den jetzigen Gesetzentwurf für besser als den bisherigen. Gut sei er deswegen noch lange nicht geworden. Sie kritisiert insbesondere die geplanten Regelungen zur Abschiebehaft. Eine Fluchtgefahr sei laut dem Entwurf auch gegeben, wenn zur Einreise "erhebliche Geldbeträge für einen Schleuser aufgewandt" wurden. Gajevic weist darauf hin, dass die Abschiebehaft kein "Kuschelknast" sei und wirft die Frage auf, wieso beispielsweise eine syrische Familie, die mit der Hilfe von Schleusern nach Deutschland gekommen ist, um hier bei Angehörigen unterzukommen, in Gewahrsam genommen werden sollte.
Umgehen des Bestellerprinzips: Justizminister Heiko Maas (SPD) möchte in Zukunft die Maklerkosten auf den Vermieter übertragen, wenn dieser die Vermittlung der Wohnung veranlasst hat. Ein Mieter solle nur dann zahlen müssen, wenn er den Makler schriftlich mit der Wohnungssuche beauftragt hat. Die Welt (Thorsten Jungholt) schildert, wie Makler künftig dieses geplante Bestellerprinzip umgehen könnten, und stützt sich dabei unter anderem auf die Angaben eines im Rahmen einer ARD-Reportage interviewten Maklers.
Steuern für Betriebsfeier: Für Betriebsfeiern soll es ab 2015 einen Steuerfreibetrag von 110 Euro pro Arbeitnehmer geben. Diese Neuregelung soll am morgigen Freitag zusammen mit dem "Zollkodexanpassungsgesetz" – verschiedenen Anpassungen an das EU-Recht – verabschiedet werden. Dies meldet das Handelsblatt (Donata Riedel).
Justiz
EGMR - MH 17: Der Anwalt Elmar Giemulla vertritt die Angehörigen von Deutschen, welche bei dem mutmaßlichen Abschuss des Flugs MH-17 über der Ukraine ums Leben gekommen sind, vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Er reichte im November Klage ein und fordert Schadensersatz von der Ukraine. Er ist der Ansicht, diese habe staatliche Schutzpflichten vernachlässigt. Die SZ (Ralph Hötte/Hans Leyendecker) berichtet von den neuen Entwicklungen im Verfahren. Giemulla vertrete mittlerweile die Meinung, die Ukraine habe den Luftraum nicht gesperrt, um die Überflug-Gebühr nicht zu verlieren. Diese betrage bis zu zwei Millionen Euro täglich. Unterstützt wird der Anwalt in seinen Vorwürfen vom Siemon Wezemann. Dieser arbeitet für das rennommierte Stockholmer Institut für Friedensforschung, Sipiri.
BGH zu Mieterrechten: Der Bundesgerichtshof entschied am gestrigen Mittwoch, dass Mieter auch dann Geld vom Vermieter zurück verlangen können, wenn sie bewusst Reparaturen erledigt haben, zu welchen sie nicht verpflichtet waren. Die Welt (Berrit Gräber) stellt aus diesem Anlass Pflichten und Rechte der Mieter hinsichtlich der Schönheitsreparaturen dar und weist darauf hin, dass fast jeder zweite Mietvertrag unwirksame Klauseln zum Renovieren beinhalte.
BGH zu Kräutermischungen: Ein Mann handelte im Internet mit sogenannten "Kräutermischungen", welche Cannabinoide enthielten und eine Wirkstoffmenge von 1,75 Gramm aufwiesen. Das Landgericht Landshut verurteilte ihn deswegen zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren auf Bewährung. Der Bundesgerichtshof setzt sich nun im Rahmen der Revision mit dem Fall auseinander und wird die Entscheidung treffen müssen, ab welcher Menge der Verkauf synthetisch hergestellter Cannabinoide illegal sein soll. Aus diesem Grund sei ein Sachverständiger beauftragt worden, welcher am gestrigen Mittwoch sein Gutachten vorstellte. Dieser ist der Ansicht, besagte "Kräutermischungen" seien weitaus gefährlicher als Haschisch, eine Überdosierung schnell erreicht. Am 14. Januar ist das Grundsatzurteil des BGH zu erwarten. Darüber informiert der Tagesspiegel (Ursula Knapp).
OLG München - NSU-Prozess: Am gestrigen Mittwoch wurde der Zeuge Carsten Sz. im NSU-Prozess als Zeuge vernommen. Der ehemalige V-Mann unter dem Decknamen "Piatto" lebt nun im Zeugenschutzprogramm. spiegel.de (Julia Jüttner) und die SZ (Tanjev Schultz) berichten über seine Aussage und aus diesem Anlass auch über ihn als Person sowie über seine Arbeit als V-Mann des brandenburgischen Landesverfassungsschutzes. "Piatto" hat unter anderem seinen V-Mann-Führer über das untergetauchte Trio informiert. Dieses sei ihm persönlich jedoch nicht bekannt gewesen. Er habe lediglich Informationen seiner Quelle, Jan W., weiter gegeben. Der Vorsitzende Richter Manfred Götzl hielt dem Zeugen Details aus den V-Mann-Berichten vor. Erinnern konnte sich "Piatto" allerdings kaum. Die Informationen seien allerdings wohl richtig, wenn er sie damals so abgegeben habe. Ausführlich berichtet auch die taz (Sabine am Orde). Ein Anwalt der Nebenklage gehe davon aus, die Erinnerungslücken seien vorgetäuscht.
StA München II - Haderthauer: Die Staatsanwaltschaft München II ermittelt gegen die frühere Leiterin der bayrischen Staatskanzlei Christine Haderthauer (CSU) nun auch wegen Steuerhinterziehung. Sie soll bei Geschäften mit Modellautos 55.000 Euro an Steuern hinterzogen haben. Bislang lag der Fokus der Ermittlungen auf dem Verdacht des Betrugs. Dies berichtet die SZ (Mike Szimanski).
VG Köln - Jugendgefährdende Filme: Ein Sammler wollte den pornographischen und indizierten Film "Heiße Träume" in seine Sammlung aufnehmen. Sein entsprechender Antrag wurde von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien abgelehnt. Das Verwaltungsgericht Köln entschied am 22. September dieses Jahres, dass die besagte Stelle dazu verpflichtet ist, auf Antrag von Bürgern indizierte Filme oder Tonträger herauszugeben. Dieser Anspruch ergebe sich aus dem Informationsfreiheitsgesetz. Die Bundesprüfstelle hat bereits Rechtsmittel eingelegt. Sie ist der Ansicht der Jugendschutz spreche gegen eine Vervielfältigung des indizierten Materials. Mit dem Urteil befasst sich jetzt auch die FAZ (Helene Bubrowski). Der Artikel setzt sich unter anderem mit der Auslegung des Informationsfreiheitsgesetzes auseinander und gibt verschiedene Kritikpunkte an der Rechtsprechung des VG wieder. So verkomme die Bundesprüfstelle zu einer "Bundeskopierstelle für jugendgefährdende Medien".
AG Köln – Femen: Die Femen-Aktivistin Josephine W. protestierte gegen die Missachtung von Frauenrechten in der katholischen Kirche, indem sie letztes Jahr, barbusig und mit der Aufschrift "I am god", einen Weihnachtsgottesdienst im Kölner Dom unterbrach. Das Amtsgericht Köln verurteilte sie nun am gestrigen Mittwoch wegen Störung der Religionsausübung zu einer Geldstrafe von 1.200 Euro. Femen bezeichnet das Urteil als "moderne deutsche Inquisition". Dies melden die FAZ (Reiner Burger), spiegel.de und die taz.
Recht in der Welt
China - Todesstrafe gegen Deutschen: Die Zeit (Stefan Willeke) befasst sich im Dossier ausführlich mit einem Deutschen, welcher in China seine Ex-Freundin sowie ihren neuen Partner umgebracht hat. Er wurde wegen dieser Tat im August diesen Jahres zum Tode verurteilt. Derzeit läuft das Berufungsverfahren vor dem Oberen Volksgericht der Provinz Fujian. Der Artikel schildert ausführlich die Ereignisse von der Tat bis zur Berufung und geht dabei auf den möglichen Ausgang des Verfahrens, diplomatische Schwierigkeiten und den Zustand des Täters ein.
IStGH - Kenyatta: Am gestrigen Mittwoch hatte die Anklage einen Antrag auf Vertagung im Prozess gegen den kenianischen Staatspräsidenten Uhuru Kenyatta vor dem Internationalen Strafgerichtshof gestellt. Bislang reichten die Beweise nicht aus, um einen Prozess zu eröffnen. Der Antrag wurde abgelehnt. Nun sei die Anklage angehalten, das Verfahren entweder einzustellen oder weitere Beweise vorzubringen. Die Chefanklägerin Fatou Bensouda ist der Ansicht, Kenia halte möglicherweise belastendes Material gegen Kenyatta zurück. Ihm werden Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorgeworfen. Dies meldet spiegel.de.
Sonstiges
Parlamentarische Kontrolle der Geheimdienste: internet-law.de (Thomas Stadler) setzt sich mit der parlamentarischen Kontrolle der Geheimdienste, speziell des Bundesnachrichtendienstes, auseinander. Besagte Kontrolle funktioniere überhaupt nicht, obwohl entsprechende Rechtsgrundlagen existierten, welche dem Parlament weitreichende Kontrollkompetenzen einräumen. Anhand eines Beispiels wird verdeutlicht, dass Handlungsbedarf bestehe.
Das Letzte zum Schluss
Wundersamer Fristablauf: blog.sowhy.de berichtet von einem wundersamen Fristablauf. Im betreffenden Fall erhielt die Mandantin ein Schreiben des Amtsgerichts vom 04.11.2014. Die Richterin bot ihr statt des Erlasses eines Strafbefehls an, das Verfahren gemäß § 153 Absatz 2 der Strafprozessordnung einzustellen, sofern sie freiwillig auf ihre Fahrerlaubnis verzichtet. Der Betroffenen wurde eine Frist von zwei Wochen eingeräumt. Ungeduld oder schneller laufende Uhren mögen es bedingt haben, aber merkwürdigerweise wurde bereits am 10.11.2014 der Strafbefehl erlassen.
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Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/vb
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 4. Dezember 2014: BVerfG zu Richterbesoldung – BGH zu Mieterrechten – BGH zu Kräutermischungen . In: Legal Tribune Online, 04.12.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/14009/ (abgerufen am: 25.04.2024 )
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