Die juristische Presseschau vom 12. Juni 2018: Streik­recht für Lehrer? / See­ho­fers Mas­ter­plan auf Eis / Geständnis im Staufen-Fall

12.06.2018

Das BVerfG will heute entscheiden, ob verbeamtete Lehrer streiken dürfen. Außerdem in der Presseschau: Vorerst stoppen Merkels Zweifel Seehofers Asylpolitik-Masterplan und Lebensgefährte gibt Geständnis im Staufener Missbrauchsfall ab.

Thema des Tages

BVerfG - Streikrecht für Lehrer: Am heutigen Dienstag soll das Bundesverfassungsgericht über das Streikrecht für verbeamtete Lehrer entscheiden. Vier Lehrer hatten sich mit Verfassungsbeschwerden gegen Disziplinarmaßnahmen gewendet, die sie wegen der Teilnahme an Streikaktionen erhalten hatten. Die SZ (Wolfgang Janisch) zeichnet die mündliche Verhandlung im Januar nach – sie lasse eine gewisse Tendenz zur Aufrechterhaltung des Streikverbots erkennen.

Rechtspolitik

Seehofers Masterplan zur Asylpolitik: Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hat die für den morgigen Dienstag geplante Präsentation seines Masterplans zur Asylpolitik verschoben. Grund seien Differenzen zwischen ihm und Bundeskanzlerin Merkel (CDU) darüber, ob bereits in einem anderen EU-Land registrierte Flüchtlinge an der deutschen Grenze zurückgewiesen werden sollen. Merkel wolle sich an EU-Recht halten und Flüchtlinge nicht abweisen. Die SZ (Stefan Braun/Nico Fried) und das Hbl (Till Hoppe/Moritz Koch u.a.) fassen die Streitpunkte zusammen. focus.de meldet zudem, die SPD erarbeite nun ein eigenes Migrationskonzept.

Gudula Geuther (deutschlandfunk.de) sieht ein Desaster für Seehofer und die Koalition. Der bereits seit drei Jahren schwelende Streit lege nun mit der neuen Rolle Seehofers als Innenminister die Regierung lahm. Fraglich sei, wie der Konflikt aufzulösen sei. Geuther betont zudem, das EU-Recht stütze Merkels Position.

Die taz (Christian Rath) befasst sich ausführlich mit der Frage, ob eine Zurückweisung von Flüchtlingen an der deutschen Grenze überhaupt mit EU-Recht vereinbar wäre. Zudem sei fraglich, was in der Praxis geschehe, sollte Seehofer die Zurückweisung anordnen. Das Hbl (Frank Specht) spricht mit Bayerns Innenminister Joachim Herrmann über das Vorhaben, mögliche Folgekonflikte mit Nachbarstaaten und Abschiebungen nach Afghanistan und in den Irak. Die Welt (Manuel Bewarder/Heike Vowinkel) befragt Daniel Thym, Mitglied des Sachverständigenrats deutscher Stiftungen für Integration und Migration, ausführlich dazu, ob die bisher unterlassene Zurückweisung bereits registrierter Flüchtlinge rechtswidrig ist.

Ankerzentren: "Der Anker ist ein Symbol für Hoffnung und Treue. Die Ankerzentren dagegen vermitteln in erster Linie Hoffnungslosigkeit. Universelle Menschenrechte, subjektive Rechtspositionen, Menschenwürde und Kinderrechte werden dabei über Bord geworfen." Die Advocacy Managerin bei Save the Children Deutschland Meike Riebau und die Anwältin Nerea González Méndez de Vigo erläutern auf verfassungsblog.de ausführlich ihre Kritik an den geplanten Ankerzentren.

Familiennachzug für subsidiär Geschützte: Bei der Anhörung im Innenausschuss des Bundestags beanstandeten verschiedene Seiten den Gesetzentwurf zum Familiennachzug für subsidiär Geschützte. So moniert etwa Bellinda Bartolucci von Pro Asyl, das geplante Kontingent von 1.000 Flüchtlingen pro Monat könne einen Anspruch auf Familiennachzug nicht ersetzen. Der Leiter der Berliner Ausländerbehörde, Engelhard Mazanke, sieht Probleme in der verwaltungstechnischen Umsetzung. Die SZ (Ulrike Schuster) fasst die Kritik zusammen. Am kommenden Freitag soll der Bundestag über das geplante Kontingent abstimmen.

Ermittlungen bei Kinderpornografie: Jost Müller-Neuhof (Tsp) befürwortet den Beschluss der Justizministerkonferenz, Kinderpornografie-Ermittlern zu erlauben, am Computer erzeugtes kinderpornografisches Material hochzuladen, um das Vertrauen der Verdächtigen zu erschleichen. "Es geht darum, dass Täter fürchten müssen, entdeckt zu werden. Ihre Angst ist der beste Schutz."

Parteienfinanzierung: Staatsrechtsprofessorin Sophie Schönberger schildert auf verfassungsblog.de, warum die geplante Anhebung der Obergrenze der Parteienfinanzierung verfassungswidrig ist. Sie widerspreche den vom Bundesverfassungsgericht "mühsam austarierten Grenzen" und schüre das Klischee der "Selbstbedienungsmentalität" der Parteien. Auch die FAZ (Peter Carstens) schildert Kritik von Staatsrechtlern an der geplanten Reform. So sehe Michael Koß das Vorbringen als "schlicht verheerend" für die Demokratie.

EU-Richtlinie für Whistleblower-Schutz: Der Fachanwalt für Strafrecht Wolfgang Kaleck stellt auf lto.de den im vergangenen April vorgelegten Entwurf für eine Richtlinie zum Schutz von Whistleblowern vor und zeigt Verbesserungspotential auf. Kritisch setzt er sich auch mit dem Umgang mit Hinweisgebern im Gesetzentwurf des Bundesjustizministeriums zur Umsetzung der EU-Richtlinie zu Geschäftsgeheimnissen auseinander.

Musterfeststellungsklage: Der Chef des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv) Klaus Müller erklärt im Interview mit dem Hbl (Dietmar Neuerer), warum er den Gesetzentwurf für die Musterfeststellungsklage für einen guten Kompromiss hält. Er plädiert dafür, die Voraussetzungen für eine Klagebefugnis nicht weiter zu verschärfen und fordert vom Gesetzgeber Ressourcen, damit der vzbv seine Klagekompetenz bei den anstehenden neuen Sachverhalten behalten könne.

Abmahnungen von Online-Händlern: Eine Online-Händlerin hat eine Petition gegen Abmahn-Missbrauch im Online-Handel gestartet. Die SZ (Nils Wischmeyer) schildert ihre Forderungen und zeigt anhand einzelner Fälle das Geschäftsmodell spezialisierter Abmahner, welche Kleinstunternehmer im Online-Handel wegen kleiner Fehler ruinierten. In einem gesonderten Beitrag unter dem Titel "Schützt die Kleinen" zeichnet die SZ (Nils Wischmeyer) das Konzept der Abmahnanwälte und -vereine nach und bringt Vorschläge für eine Reform des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb. Die Politik habe hier bislang zu wenig getan.

Justiz

LG Freiburg – Kindesmissbrauch: Im Staufener Missbrauchsfall hat vor dem Landgericht Freiburg der Prozess gegen die Mutter des Opfers Michaela Berrin T. sowie gegen ihren Lebensgefährten Christian L. begonnen. Angeklagt sind sie unter anderem wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern, schwerer Vergewaltigung und Zwangsprostitution in rund 50 Fällen. L. hat bereits umfassend gestanden. Er sei der Haupttäter und T. ihm hörig gewesen. Er gab zudem Einblick in seine Biographie und erklärte, selbst als Kind missbraucht worden zu sein. T. kündigte an, ebenfalls auszusagen. Die SZ (Ralf Wiegand), die FAZ (Rüdiger Soldt), Die Welt (Per Hinrichs) und spiegel.de (Jan Friedmann/Beate Lakotta) berichten über den Prozessauftakt und fassen die Vorwürfe zusammen. Ein Urteil sei Mitte Juli zu erwarten.

Alfons Kaiser (FAZ) zeigt sich im Leitartikel bestürzt über den "Abgrund an Grausamkeit". Er fragt, wie es sein kann, dass die Überwachung rückfallgefährdeter Sexualstraftäter nicht engmaschig genug ausfalle und der Therapieansatz sein Ziel verfehle. Die Politik müsse dies aufarbeiten.

BGH – Akteneinsicht im Fall Amri: Die Oppositionsparteien Bündnis 90/Die Grünen, FDP und Die Linke wollen vor dem Bundesgerichtshof erreichen, dass der Untersuchungsausschuss des Bundestages zum Fall Amri Einsicht in die Akten des Bundesnachrichtendienstes und des Bundesamtes für Verfassungsschutz erhält. Konkret wollen sie erfahren, welche Unterlagen die Behörden an das Parlamentarische Kontrollgremium weiter gegeben haben, schreibt die taz (Sabine am Orde). So wolle die Opposition zwei an Union und SPD gescheiterte Beweisanträge durchsetzen.

Fall Susanna F.  Auslieferung von Ali B.: Die SZ (Moritz Baumstieger/Ronen Steinke) erklärt, warum die Auslieferung von Ali B. durch die kurdische Autonomieregierung im Nordirak an den Präsidenten der Bundespolizei Dieter Romann juristisch heikel sei. Zum einen sei die Rechtmäßigkeit der Auslieferung strittig, zum anderen könnte das Umgehen eines ordentlichen Auslieferungsverfahrens ein Verfahrenshindernis im Prozess gegen B. bedeuten.

StA München II – Dieselskandal: Die Staatsanwaltschaft München II ermittelt nun auch gegen den Audi-Chef Rupert Stadler sowie gegen ein weiteres Vorstandsmitglied wegen Betrugs zulasten von Autokäufern und mittelbarer Falschbeurkundung im Rahmen des Dieselskandals. Bei beiden habe die StA am gestrigen Montag die Privatwohnungen durchsucht. Das Hbl (Jan Keuchel/Stefan Menzel) berichtet ausführlich über die Vorwürfe gegen Stadler und sein mögliches Wissen über die Abgasmanipulationen. Die SZ (Markus Balser/Klaus Ott) bringt ebenfalls einen Beitrag. Laut Angaben von spiegel.de handele es sich bei dem zweiten Beschuldigten um den Audi-Beschaffungschef Bernd Martens.

Markus Balser (SZ) erkennt in den Ermittlungen gegen Stadler, "dass die Branche von einer ernsthaften Aufklärung wohl noch meilenweit entfernt ist". Die politische Bilanz des Abgasskandals falle beschämend aus.

BAG zu vertraglicher Ausschlussklausel: Ausschlussfristen im Arbeitsvertrag gelten nicht nur für den Arbeitnehmer, sondern auch für den Arbeitgeber. Dies betont das Bundesarbeitsgericht in einem Urteil vom 7. Juni 2018. Die Rechtsanwältin Janine Fischer erläutert die Entscheidung für lto.de und den zugrundeliegenden "kuriosen Sachverhalt".

LG Hagen zu Messerangriff auf Bürgermeister: Das Landgericht Hagen hat Werner S. wegen eines Messerangriffs auf den Bürgermeister von Altena Andreas Hollstein zu einer zweijährigen Bewährungsstrafe verurteilt. Das Gericht sah in dem Angriff eine gefährliche Körperverletzung sowie Bedrohung, erkannte aber keinen Tötungsvorsatz. Ein politisches Attentat aus ausländerfeindlichem Motiv schloss das Gericht ebenfalls aus, meldet die SZ (Christian Wernicke).

ArbG Berlin – Kündigung wegen angeblicher Volksverhetzung: Die Berliner Bildungsverwaltung konnte sich vor dem Arbeitsgericht Berlin nicht gütlich mit dem gekündigten Grundschullehrer einigen. Sie hatte ihm fristlos gekündigt und Anzeige erstattet, weil er in YouTube-Videos mutmaßlich volksverhetzende Aussagen tätigte. Der Lehrer betonte vor Gericht, er habe sich nichts vorzuwerfen. focus.de schreibt auch über das rege Interesse an dem Gütetermin.

Recht in der Welt

Italien – Seenotrettung: Nachdem sich Italien geweigert hat, ein Boot mit 629 aus Seenot geretteten Bootsflüchtlingen an Bord anlegen zu lassen, klärt die SZ (Jan Bielicki) darüber auf, was das Seerecht für diese Fälle vorsieht. Letztlich sei es höchst zweifelhaft, dass Italien rechtmäßigerweise die Häfen geschlossen hielt: Hier greife die Pflicht, Personen, die unmittelbar Hilfe brauchen, zu helfen. Juristen aus Menschenrechtsorganisationen sehen in der Verweigerung Italiens zudem einen Verstoß gegen die Genfer Flüchtlingskonvention.

IGH – Katar gegen Vereinigte Arabische Emirate: Katar klagt vor dem Internationalen Gerichtshof gegen die Vereinigten Arabischen Emirate wegen "Diskriminierung Katars und katarischer Bürger", meldet zeit.de. Die Emirate werfen Katar Terrorunterstützung und zu enge Beziehungen mit dem Iran vor. Sie kappten daher im Juni 2017 zusammen mit Ägypten, Bahrain und Saudi-Arabien die diplomatischen Beziehungen und blockieren den Staat seither über den Land- und Seeweg.

Sonstiges

Schutzrechte bei der Fußball-WM: Wer sich die diesjährige Fußball-WM kommerziell zunutze machen möchte – etwa durch Werbung mit dem WM-Logo oder durch Ausrichtung eines "Public Viewing", sollte die Schutzrechte der Fifa kennen. lto.de (Hasso Suliak) klärt darüber auf.

Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.

Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.

lto/vb

(Hinweis für Journalisten)

Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.

Sie können die tägliche LTO-Presseschau im Volltext auch kostenlos als Newsletter abonnieren.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 12. Juni 2018: Streikrecht für Lehrer? / Seehofers Masterplan auf Eis / Geständnis im Staufen-Fall . In: Legal Tribune Online, 12.06.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/29079/ (abgerufen am: 20.04.2024 )

Infos zum Zitiervorschlag
Jetzt Pushnachrichten aktivieren

Pushverwaltung

Sie haben die Pushnachrichten abonniert.
Durch zusätzliche Filter können Sie Ihr Pushabo einschränken.

Filter öffnen
Rubriken
oder
Rechtsgebiete
Abbestellen