Die juristische Presseschau vom 1. bis 2. Mai 2012: Kein Kompromiss zur Tagesschau-App – Bundesgerichtshof hebt Winnenden-Urteil auf – Kritik an Ukraine

02.05.2012

Nach dem gescheiterten Kompromiss zur Tagesschau-App setzen acht große Zeitungsverleger ihre Klage gegen ARD und NDR fort. In der Presseschau auch: Belehrung für Festgenommene in der EU, Debatten zum Urheberrecht im Netz, Billy-Regale aus der DDR, Doping, und unter welchen Voraussetzungen ein Anwalt auf seinen Geisteszustand untersucht werden darf.

Kein Kompromiss zur Tagesschau-App: Zwar seien die Verhandlungen mit ARD und ZDF noch nicht gescheitert, doch die acht großen Zeitungsverlage, die im Sommer 2011 geklagt hatten, wollen ihre juristischen Schritte gegen die Tagesschau-App fortsetzen, berichtet auf ihrer Medienseite die SZ (Katharina Riehl). Wie auch die FAZ (Jan Hauser) meldet, habe man sich auf den Plan, dass die Fernsehanstalten sich vor allem auf Ton- und Bildberichterstattung beschränken sollten, nicht einigen können.

Weitere Themen – Rechtspolitik

Belehrung wird EU-Gesetz: Auf Vorschlag der EU-Kommission haben die Justizminister der verschiedenen Staaten eine Richtlinie verabschiedet, wonach jeder, der in der EU festgenommen wird, über seine Rechte belehrt werden muss. Das berichtet lto.de (age). Bisher werden die Rechte nur in einem Drittel der Mitgliedstaaten im Falle einer Festnahme mitgeteilt.

Bankenkontrolle: Eine durchgreifende Initiative zur Bankenkontrolle fordert in seinem Kommentar Mark Schrörs (FTD) anlässlich der Konferenz der EU-Finanzminister. Nicht nur strengere Maßstäbe für das Eigenkapital auf normativer Ebene wie Basel III seien erforderlich, auch die Kontrollinstanzen müssten gestärkt werden und bessere Mittel zur Durchsetzung der Regeln an die Hand bekommen.

Unterschätzter rechter Terror: Holger Schmidt (SWR-Terrorismus-Blog) bietet einen Link zum ARD-Radiofeature über die gescheiterten Ermittlungen gegen den Nationalsozialistischen Untergrund (NSU).

Kita-Pflicht: Das im NRW-Wahlkampf von Hannelote Kraft (SPD) in die Diskussion gebrachte Schlagwort von der "Kita-Pflicht" untersucht zeit.de (Katharina Schuler). Eine Pflicht zum Besuch für Kinder unter drei Jahren sei wegen des Erziehungsrechts der Eltern verfassungsrechtlich nicht haltbar, ab vier Jahren trete der Vorschulcharakter stärker in den Vordergrund, was eine Pflicht leichter begründen lasse.

Schuldverschreibungsgesetz: Rechtsanwalt Daniel M. Weiss (FAZ, Recht-Seite) fordert eine Reform des Schuldverschreibungsgesetzes (SchVG). In zwei spektakulären Fällen – beim Holzverarbeiter Pfleidener und beim Solarzellenproduzenten Q-Cells – hätten Gerichte die Anwendung des Gesetzes auf Schuldverschreibungen ausländischer Emittenten abgelehnt, die vor Schaffung des Gesetzes begeben worden seien. Dadurch sei es zur Insolvenz gekommen. Der Bundestag müsse unter anderem klarstellen, dass das Gesetz auch darauf anwendbar sei, wenn die Gläubiger dies beschlössen.

Urheberrecht im Netz: Gleich vier Beiträge befassen sich mit dem geistigen Eigentum im Zeitalter seiner digitalen Verwertbarkeit. Mirko Boehm (netzpolitik.org) von der Free Software Foundation Europe (FSFE) berichtet in einem Gastbeitrag über einen Besuch beim BDI anlässlich des Welttags für geistiges Eigentum. Dieser werde von der World Property Organization (WIPO) am 26. April begangen. Heftig gestritten wurde über den Begriff "Geistiges Eigentum" und das Internet als "öffentlichen Raum".

Leonhard Dobusch (zeit.de) plädiert unter dem Stichwort fair use dafür, Filesharing im Internet für private Zwecke zu gestatten und auf Breitbandnetze eine Grundgebühr zu erheben. Im Alltag privater Nutzer dürfe das Urheberrecht keine Rolle spielen.

Ebenfalls zeit.de (Gianna-Carina Grün) berichtet über die Open Access Initiativen weltweit für wissenschaftliche Publikationen. Viele Wissenschaftler machten sich für den freien Zugang zu Forschungsergebnissen stark und kritisierten die Praxis von Wissenschaftsmagazinen wie Science und Nature, Forschungsergebnisse, die mit staatlichen Mitteln erzielt worden seien, nur gegen weitere Zahlungen zur Verfügung zu stellen.

Auf der Bildungsseite der taz (Jöran Muuss-Merholz/ Felix Schaumburg) wird der "Leitmedienwechsel" im Bereich der schulischen Bildung vom Schulbuch zu digitalen Medien erläutert, deren freie Zugänglichkeit über das Netz durch das traditionelle Urheberrecht verhindert werde.  

Weitere Themen – Justiz

Bundesgerichtshof hebt Winnenden-Urteil auf: Der Bundesgerichtshof hat das Urteil gegen den Vater des Amokläufers von Winnenden aufgehoben. Wie unter anderem die SZ (Roman Deininger/ Wolfgang Janisch) berichtet, war Jörg K. wegen fahrlässiger Tötung in 15 Fällen zu einer Haftstrafe von einem Jahr und neun Monaten auf Bewährung verurteilt worden, weil er Munition frei herumliegen hatte lassen. Diese Entscheidung sei jetzt wegen Missachtung des Fragerechts der Verteidiger aufgehoben worden. Im Verfahren vor dem Landgericht Stuttgart, so die taz (Christian Rath), sei der wichtigsten Belastungszeugin ein Zeugnisverweigerungsrecht zugestanden worden. Das habe der Bundesgerichtshof beanstandet. Der Prozess wird noch einmal stattfinden. Eine erneute Verurteilung von Jörg K. sei nicht ausgeschlossen.

BGH zu Altersdiskriminierung: Das Urteil des Bundesgerichtshofs zur Altersdiskriminierung eines Klinikmanagers greift die Rechtsanwältin Carolin Goll-Müller (FAZ, Recht-Seite) auf. Sie empfiehlt Unternehmen, die entscheidungserheblichen Gründe zu dokumentieren, um juristische Konsequenzen vermeiden zu können.

Eine völlig neue Perspektive nimmt Professor Ulrich Noack (blog.handelsblatt.com), Zivilrechtler von der Uni Düsseldorf ein. Mit seiner Entscheidung behindere der BGH den Generationswechsel in Unternehmen, die Entscheidung über die Leitung eines Unternehmens müsse bei den Gesellschaftern, nicht beim Gericht liegen.

Landgericht Detmold zu Arzu Ö: Unter anderem spiegel.de (Jörg Diehl) berichtet über das Verfahren gegen den Bruder von Arzu Ö. Der Mann aus Detmold hat gestanden, seine Schwester Arzu erschossen zu haben. Klären muss das Landgericht unter anderem, ob er dabei planvoll gehandelt hat.

Landgericht Hamburg zu GEMA: Der Professor für Informations- und Medienrecht der Uni Münster Thomas Hoeren (FAZ, Recht-Seite) bezeichnet das Urteil des Landgerichts Hamburg im Streit mit YouTube als Pyrrhussieg für die GEMA, da die Online-Plattform trotzdem keine Lizenzen zahlen müsse.

Weitere Themen – Recht in der Welt

Kritik an der Ukraine: Die juristischen Aspekte der Haft der früheren Regierungschefin Julia Timoschenko werden breit dargestellt. Die FAZ (Stephan Löwenstein) stellt die Forderung von Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel (FDP) nach Rechtsstaatlichkeit in den Mittelpunkt, spiegel.de (Julia Jüttner) dokumentiert den Appell von Tochter Jewgenija, die Haftbedingungen zu verbessern, die taz (Daniel Bax) benennt das Unbehagen verschiedener Menschenrechtsorganisationen, denen die Fokussierung auf Timoschenko zu eng erscheine.

Die FTD (Nina Jeglinski) bringt eine Reportage über die Situation in Charkow, der Heimatstadt Timoschenkos, die auch Spielort der Euro ist.

Unabhängig davon, dass er die Freilassung von Timoschenko unterstützt, unterstellt Klaus Hillenbrand (taz) den "Deppen aus dem Bundestag" bei ihren Boykottforderungen eigensüchtige Motive hinsichtlich der Verlegung der Euro. Peter Sturm (FAZ) sieht in Sachen Rechtsstaatlichkeit mehr im Argen als nur die Haft von Frau Timoschenko.

England - Keine lebenslangen Dopingsperren: Das Vorhaben der britischen Antidoping-Behörde, bestimmte Sportler wegen der Nutzung verbotener Substanzen lebenslang zu sperren, ist vom Internationalen Sportgerichtshof CAS durchkreuzt worden. Das Gericht kippte die strengste der nationalen Dopingregeln, für die sich unter anderem auch aktive Sportler stark gemacht hatten. Dazu fr.de.

Sonstiges

Ikea-Regale von Stasi-Gefangenen: Unter anderem spiegel.de (Nicolai Kwasniewski) berichtet über Akten, die nahelegen, Möbel von Ikea, unter anderem das berühmte Billy-Regal, seien von politischen Gefangenen des Ministeriums für Staatssicherheit gebaut worden. Ikea wolle den Vorwürfen nachgehen.

Das Letzte zum Schluss

Der Anwalt und sein Geisteszustand: Die FAZ (Joachim Jahn) stellt eine Entscheidung des Anwaltsgerichtshofs Nordrhein-Westfalen vor. Wenn ein Anwalt es ablehne, sich trotz Aufforderung durch die Anwaltskammer vom Amtsarzt auf seinen Geisteszustand hin untersuchen zu lassen, könne ihm die Zulassung entzogen werden. Der Jurist habe für einen Steuerfreibetrag für Heizkosten binnen acht Jahren zahlreiche Gerichte mit Verfahren und Beschwerden überzogen und sei vom Bundesverfassungsgericht zweimal mit einer Missbrauchsgebühr belegt worden. Ferner habe er bei der damaligen Generalbundesanwältin Harms Strafanzeige gegen eine kriminelle Vereinigung gestellt, die nach seiner Vorstellung aus Richtern des Bundesverfassungsgerichts, des Bundesfinanzhofs und des Bundesverwaltungsgerichts bestanden habe.

Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.

(Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen epaper des jeweiligen Titels.)

lto/ro

(Hinweis für Journalisten)

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 1. bis 2. Mai 2012: Kein Kompromiss zur Tagesschau-App – Bundesgerichtshof hebt Winnenden-Urteil auf – Kritik an Ukraine . In: Legal Tribune Online, 02.05.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/6110/ (abgerufen am: 25.04.2024 )

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