Der EuGH beanstandet die maltesischen Regeln für den finanziellen Erwerb der Staatsbürgerschaft. BRAK-Präsident fordert Schutz der Anwaltschaft im GG. Der GBA bringt Spionagefall im Umfeld des AfD-Politikers Krah zur Anklage am OLG Dresden.
Thema des Tages
EuGH/Malta – Staatsbürgerschaft: Die bislang in Malta bestehende Möglichkeit, die Staatsangehörigkeit des Landes u.a. durch Zahlung von mindestens 600.000 Euro zu erlangen, verstößt gegen EU-Recht, insbesondere die Pflicht zu loyaler Zusammenarbeit. Dies entschied der Europäische Gerichtshof in einem von der EU-Kommission eingeleiteten Vertragsverletzungsverfahren. Zwar sei das Staatsangehörigkeitsrecht grundsätzlich Sache der Mitgliedstaaten, diese müssten dabei jedoch EU-Recht beachten, so der EuGH. Die maltesische Regelung gefährde das gegenseitige Vertrauen der Mitgliedsstaaten, das Grundlage der gegenseitigen Anerkennung nationaler Entscheidungen sei. Die Regelung Maltas lasse den Erwerb der Staatsangehörigkeit zu einer bloßen finanziellen Transaktion verkommen, ohne das erforderliche Verbundenheits- und Loyalitätsverhältnis vorauszusetzen. Hierdurch werde letztlich auch die Unionsbürgerschaft “vermarktet”. Malta und der EuGH-Generalanwalt hatten darauf gepocht, dass die EU im Staatsangehörigkeitsrecht keine Kompetenz habe und die Mitgliedstaaten deshalb frei entscheiden können, nach welchen Kriterien sie ihre Staatsangehörigkeit vergeben. Es berichten FAZ (Thomas Gutschker), taz (Christian Rath), beck-aktuell und LTO.
Reinhard Müller (FAZ) begrüßt die Entscheidung. "In einer Zeit, in der auch Deutschland unter der Ampelregierung einen Ausverkauf der deutschen Staatsangehörigkeit eingeleitet hat", sei das Signal wichtig, dass das rechtliche Band nicht "beliebig verliehen, verramscht oder versteigert werden darf."
Rechtspolitik
Anwaltschaft im Grundgesetz: Aufgrund der Entwicklungen in den USA fordert der Präsident der Bundesrechtsanwaltskammer, Ulrich Wessels, das Prinzip der freien und unabhängigen Anwaltschaft im Grundgesetz zu verankern. Die geltenden Regeln über die Freiheit, Unabhängigkeit und Selbstverwaltung der Anwaltschaft stünden bisher nur in der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO), einem einfachen Gesetz, und damit unter dem Vorbehalt entsprechender politischer Kräfteverhältnisse. beck-aktuell berichtet.
Datenschutzaufsicht: Für LTO analysiert Markus Wünschelbaum, Referent beim Hamburgischen Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit, die im Koalitionsvertrag festgehaltene Absicht, eine "Bündelung der Zuständigkeiten und Kompetenzen bei der Beauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI)" herbeizuführen. Der Autor diskutiert mehrere Modelle und favorisiert letztlich jenes, das der Bundesbehörde die zentrale Koordinierung vorbehält, darüber hinaus aber die föderale Aufteilung beibehält. Durch Verankerung eines One-Stop-Shop-Prinzips könnten dann auch Landesbehörden verbindliche Entscheidungen treffen.
Bundeshaushalt/EU-Schuldenregeln: Nun schreibt auch die Zeit (Mark Schieritz), dass die von der kommenden Bundesregierung geplante Neuverschuldung gegen EU-Schuldenregeln verstoßen könnte. "In Berlin" sei man sich der Problematik bewusst, setze jedoch auf eine großzügige Anwendung der erst im vergangenen Jahr in Brüssel vereinbarten Regeln.
Justiz
OLG Dresden – Spionage durch AfD-Mitarbeiter: Der Generalbundesanwalt hat beim Oberlandesgericht Dresden Anklage gegen zwei Angeschuldigte erhoben, denen eine gegen die Bundesrepublik gerichtete geheimdienstliche Tätigkeit für einen ausländischen Dienst vorgeworfen wird. Zum einen soll Jian G., ehemaliger Mitarbeiter des damaligen Europaabgeordneten Maximilian Krah (AfD), im Auftrag eines chinesischen Geheimdienstes Informationen zu teils geheimen Beratungen und Entscheidungen des EU-Parlaments übermittelt sowie auch Dossiers über führende AfD-Politiker angefertigt haben. Daneben wird der Chinesin Yaqi X. vorgeworfen, als Mitarbeiterin des Flughafens Leipzig/Halle Informationen über dortige Flugbewegungen gesammelt und G. übermittelt zu haben. Die Angeschuldigten befinden sich seit dem vergangenen Jahr in Untersuchungshaft. Es berichten spiegel.de (Ann-Katrin Müller/Sven Röbel), LTO und beck-aktuell.
EuGH zu Schnellladestellen/Vergabe: Die deutsche Autobahn GmbH musste das Netz für Schnellladestellen an Autobahnraststätten nicht zwingend neu ausschreiben, entschied jetzt der Europäische Gerichtshof. Bei “unverhersehbaren Umständen” gelte eine Ausnahmevorschrift des EU-Vergaberechts, die auch die Erweiterung einer bereits bestehenden Konzession erlaubt. Diese Ausnahmevorschrift ist auch anwendbar, wenn die ursprüngliche Konzession inhouse, also ohne Ausschreibung, vergeben wurde. Ob die Verkehrswende "unvorhersehbar" war, muss nun das Oberlandesgericht Düsseldorf prüfen. Die Autobahn GmbH hatte die Konzession der einst staatlichen Tank und Rast erweitert, wogegen das niederländische Unternehmen Fastned klagt. Die FAZ (Katja Gelinsky) berichtet.
BVerfG zu richterlicher Befangenheit: Nach Beschluss des Bundesverfassungsgerichts von Anfang März verletzt es das Recht auf rechtliches Gehör, wenn sich die Entscheidung über einen Befangenheitsantrag nicht eingehend mit dem in der Rüge beschriebenen Vergleichsdruck durch das Gericht befasst. Das Oberlandesgericht München muss sich daher erneut mit einer Befangenheitsrüge befassen. In dieser war moniert worden, dass die Vorsitzende Richterin eines am Landgericht München I geführten Zivilverfahrens mit einem Streitwert von mehreren Millionen Euro aus prozessökonomischen Gründen wiederholt auf einen Vergleich gedrängt hatte. beck-aktuell berichtet.
BGH zu Tod von Hanna Wörndl/Befangenheit: Aus Anlass der Anfang April erfolgten Aufhebung der Verurteilung im sogenannten Eiskeller-Fall durch den Bundesgerichtshof erklärt Thomas Fischer auf LTO die Voraussetzungen der Befangenheit im Strafprozess. Entgegen landläufiger Meinung muss diese nur zu "besorgen" sein und nicht bewiesen werden, was in den allermeisten Fällen wohl auch nicht möglich wäre. Eine Befangenheitsrüge muss sich darüber hinaus auf Tatsachen und konkrete richterliche Handlungen stützen. Das im Mordfall Hanna Wörndl zutage getretene "kumpelhafte Zusammenwirken" der Richterin am Landgericht Traunstein mit einem Staatsanwalt sei zu vermeiden.
BGH zu Impfkritik und Volksverhetzung: Die bildliche Herstellung eines Zusammenhangs zwischen der Shoah und anderen NS-Verbrechen mit Nachteilen, die Kritiker von Coronaimpfungen erlitten, erfüllt den Tatbestand der Volksverhetzung in der Tathandlungsvariante des Verharmlosens des NS-Völkermords. Dies bestätigte der Bundesgerichtshof mit seiner Abweisung einer Revision nach einer Verurteilung zu 80 Tagessätzen wegen eines Facebook-Posts, der das Eingangstor des Vernichtungslagers Auschwitz mit der Aufschrift "Impfen macht frei" persiflierte. Es berichten beck-aktuell und LTO.
OVG Berlin-BB zu Niqab am Steuer: Mit unanfechtbarem Beschluss hat das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg den Zulassungsantrag einer Muslima verworfen, die mit sogenannter Vollverschleierung – Niqab – Auto fahren möchte. Das Verwaltungsgericht Berlin hatte zu Beginn des Jahres die beantragte Ausnahmeregelung verweigert, nach Einschätzung des OVG ohne Rechtsfehler, so LTO.
LG München II zu falschem Wissenschaftler: In der Reihe "Akteneinsicht" dokumentiert die SZ (Annette Ramelsberger) eine Reportage vom sogenannten Stromstoßprozess, bei dem das Landgericht München II Anfang 2020 einen damals 30-Jährigen wegen mehrfachen Mordversuchs zu 11 Jahren Haft verurteilte. Der bis heute in einer psychiatrischen Klinik Untergebrachte hatte zahlreiche Frauen dazu gebracht, sich selbst lebensgefährliche Stromstöße zu verpassen.
LG Frankfurt/M. zu Recht auf Vergessen: beck-aktuell (Maximilian Amos) stellt zwei Entscheidungen des Landgerichts Frankfurt/M. vor, das Mitte März Voraussetzungen eines Anspruchs gegenüber einer Suchmaschine auf Auslistung eines unzutreffenden Medienberichts aus der Trefferliste zum eigenen Namen näher definierte. Während Google bisher verlangte, dass eine einstweilige Verfügung gegen eine Falschberichterstattung dem jeweiligen Medium zugestellt sein muss, hält das Landgericht dies bei Medienberichten aus dem Ausland nicht für zumutbar. Es genüge, wenn die Verfügung Google vorgelegt werde.
LG Paderborn zu Angriff auf Blitzer: Mit nun veröffentlichter Entscheidung hat das Landgericht Paderborn bereits Ende Oktober die erstinstanzliche Verurteilung eines jungen Mannes wegen Störung öffentlicher Betriebe gemäß § 316b Abs. 1 Nr. 3 Strafgesetzbuch bestätigt. Der Angeklagte hatte einen mobilen Blitzer getreten und umgeschubst und hierdurch den Messbetrieb für eine Stunde unterbrochen. Seine Einlassung, er sei unabsichtlich über ein Kabel gestolpert, sei durch anderslautende Beweis widerlegt, so das LG laut beck-aktuell.
VG Berlin zu Pornoseiten: Die von einer zypriotischen Betreiberfirma angebotenen Seiten Youporn und Pornhub bleiben in Deutschland weiterhin gesperrt. Das Verwaltungsgericht Berlin wies Eilanträge der Betreiberin zurück; die Anordnungen der Landesmedienanstalten zur Sperre der Seiten durch Accesprovider bleiben damit in Kraft. Die Antragstellerin weigere sich fortdauernd, ihre Angebote den Belangen des Kinder- und Jugendschutzes entsprechend zu sichern und habe daher kein schutzwürdiges Interesse an der Außervollzugsetzung der Sperrverfügungen, so das VG. Die FAZ (Michael Hanfeld) berichtet.
SG München zu Familiengeld/Betreuungsgeld: Der Bezug österreichischen Betreuungsgelds hindert nicht daran, auch das bayerische Familiengeld in Anspruch zu nehmen. Nach der von beck-aktuell berichteten Entscheidung des Sozialgerichts München verfolgen beide Leistungen unterschiedliche Zwecke. Das Betreuungsgeld sei eine Lohnersatzleistung, während das Familiengeld nicht die Existenz sichere, sondern die Erziehungsleistung honoriere. Das unionsrechtliche Kumulierungsverbot greife daher nicht.
Recht in der Welt
EuGH/Polen – Steuerbefreiungen: In einem Fall aus Polen entschied der Europäische Gerichtshof, dass allgemeine und abstrakte Befreiungen von einer direkten Steuer grundsätzlich nicht als illegale staatliche Beihilfe zu werten sind. Ob die hierfür vom EuGH definierten Ausnahmen auch im Fall einer Grundsteuerbefreiung für Grundstücke gelten, die Teil der Eisenbahninfrastruktur sind, müsse nun das Oberste Verwaltungsgericht Polens klären, schreibt beck-aktuell.
Frankreich – Überfall auf Kim Kardashian: Am zweiten Tag des Strafverfahrens zum Raubüberfall auf Kim Kardashian schilderte der vermeintliche Drahtzieher, wie ein Reifendefekt seines Fahrrads den Abtransport der Beute behinderte. Die Tasche mit dem erbeuteten Schmuck sei in einer Abflussrinne gelandet, so der Angeklagte laut bild.de (Katharina Zilkowski/Jörg Ortmann).
USA – Harvard vs. US-Regierung: Die gegenwärtige US-Regierung folge nicht dem aus Ungarn oder Polen bekannten Prinzip des "legalen Autoritarismus", bei dem "unter Nutzung der formalen Handlungsformen des Rechtsstaates" liberale demokratische Prinzipien unterwandert werden - stattdessen werde der offene Rechtsbruch einkalkuliert und dann geschaut, "wer sich denn einschüchtern lässt und klein beigibt." Zu dieser Einschätzung gelangt Rechtsprofessor Hans Michael Heinig auf dem Verfassungsblog nach Studium der Klageschriften der Harvard-Universität gegen das Einfrieren von Bundesmitteln. Der ungewisse Ausgang des Verfahrens dürfte erhebliche Auswirkungen sowohl auf die Autonomie der Wissenschaft als auch die Unabhängigkeit der Justiz haben.
USA – Google / Meta: Mehrere aktuelle Kartellverfahren in den USA entscheiden über die Zukunft der Internet-Giganten Google und Meta. Über ihre jeweilige Marktbeherrschung beeinflussten beide Unternehmen auch das politische Klima, schreibt die Zeit (Johanna Jürgens). Der öffentliche Schulterschluss der Unternehmens-Chefs mit der neuen Regierung diene wohl auch dazu, eine Zerschlagung zu verhindern.
USA – Strabag vs. Deutschland: Im Recht und Steuern-Teil der FAZ schreiben die Anwälte Markus Perkams und Felix Dörfelt über das in den USA durchgeführte Schiedsverfahren des österreichischen Strabag-Konzerns gegen Deutschland. Das ICSID-Schiedsgericht der Weltbank hatte die Bundesrepublik zu mehr als 300 Millionen Euro Schadensersatz verurteilt. Die Begleichung dieser Schuld könne aber als unionsrechtlich illegale Beihilfe gewertet werden. Deutschland müsse sich daher zwischen EU-Recht und völkerrechtlichen Verpflichtungen entscheiden.
Syrien – Strafverfolgung: Nach dem Sturz des Assad-Regimes in Syrien steht nun auch eine Strafverfolgung seiner Gräueltaten an. Der SWR-RadioReportRecht (Philip Raillon) spricht mit dem syrischen Anwalt Anwar Albuni darüber, wie dies gelingen soll und geht zudem auch auf den Erkenntnisgewinn durch in Deutschland stattgefundene Verfahren ein, auf den sich die syrische Justiz zukünftig stützen könne.
Sonstiges
Bodycams: Aus Anlass des tödlichen Polizeieinsatzes in Oldenburg, bei dem der 21-jährige Lorenz A. erschossen wurde, schreibt die FAZ (Jannis Holl/Karin Truscheit) über den Einsatz polizeilicher Bodycams. Ob diese eingeschaltet werden, obliege der freien Entscheidung der Polizei. Ein im Text zitierter Kriminologe spricht daher von "Herrschaftsstrafrecht", da in der Regel nur das gefilmt werde, "was dem Polizisten nützt."
Abschiebungen nach Griechenland: bild.de (Peter Tiede/Liana Spyropoulou) schildert die Schwierigkeiten bei der Abschiebung von Flüchtlingen, die bereits in Griechenland internationalen Schutz erhalten haben, nach Griechenland. Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht dies Mitte April für rechtmäßig erklärt, nun weigere sich jedoch Griechenland, die Personen zurückzunehmen. Der in Deutschland erhaltene Aufenthaltstitel habe den griechischen Aufenthaltstitel ungültig gemacht. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge prüfe derzeit, wie man verhindern könne, dass nun wieder deutsche Verwaltungsgerichte eine Abschiebung nach Griechenland verhindern.
Das Letzte zum Schluss
Eigenanbau: Ganz so weit wie die Bundesrepublik ist Großbritannien noch nicht bei der Legalisierung von Cannabis. Laut spiegel.de hindert das aber die Polizei in Essex und anderen Gebieten nicht daran, Cannabis in Eigenregie anzubauen. Die ungewöhnliche Maßnahme dient im übertragenen Sinne auch der Selbstversorgung: Der Anbau soll sicherstellen, dass beschlagnahmte Pflanzen voll ausreifen und damit auch ihren vollen Marktwert nachweisen können. Eben dies ist Voraussetzung für die Beschlagnahme des mit den Pflanzen potenziell zu erzielenden Gewinns – den die Polizei dann zur Hälfte selbst behalten darf.
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Am Freitag erscheint eine neue LTO-Presseschau.
LTO/mpi/chr
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Die juristische Presseschau vom 30. April 2025: . In: Legal Tribune Online, 30.04.2025 , https://www.lto.de/persistent/a_id/57094 (abgerufen am: 24.05.2025 )
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