Die juristische Presseschau vom 21. März 2025: Auch Bun­desrat kann zustimmen / BAG zu Betriebs­rats­ver­gü­tung / VG Berlin zu Sch­merz­griff

21.03.2025

Landesverfassungsgerichte lehnen Eilanträge gegen Grundgesetzänderung ab. Arbeitgeber sind beweispflichtig, wenn sie fehlerhafte Betriebsratsvergütung senken. Polizeiliche Schmerzgriffe sind nur zulässig, wenn es kein milderes Mittel gibt.

Thema des Tages

Schuldenbremse / Sondervermögen: Der Bundesrat wird an diesem Freitag voraussichtlich den drei Grundgesetzänderungen zur Lockerung der Schuldenbremse zustimmen. Für die Zwei-Drittel-Mehrheit werden 46 der 69 Stimmen des Bundesrats benötigt. Die Landesregierungen, an denen nur CDU, SPD und Grüne beteiligt sind, kommen zwar nur auf 41 Stimmen. Da aber Bayern (CSU/FW) auch zustimmen wird, sind 47 Stimmen gesichert, berechnete die FAZ (Jonas Wagner)

Ex-Verfassungsrichter Peter M. Huber kritisiert im Interview mit der FAZ (Reinhard Müller) den neuen Art. 109 Abs. 3 Satz 8 GG als "verfassungswidriges Recht", weil der Bund hier die Schuldenbremsen der Landesverfassungen außer Kraft setze. "Gebietskörperschaften, deren Verfassungsordnung von der übergeordneten Ebene vorgegeben wird, sind allerdings keine Staaten mehr, sondern Selbstverwaltungskörperschaften." Die Regel sei ein "Staatsstreich".

Die Landesverfassungsgerichte von NRW, Hessen, Bremen und BaWü haben Eilanträge der jeweiligen FDP-Landtagsfraktionen (überwiegend als unzulässig) abgelehnt. Die Fraktionen wollten eine Zustimmung der jeweiligen Landesregierung zur Grundgesetzänderung verhindern, weil die Lockerung der Schuldenbremse für die Länder zugleich die jeweilige Landesverfassung ändere, ohne den jeweiligen Landtag zu beteiligen. In NRW ist die Bestimmung der Landesverfassung jedoch nicht strenger als die geplante Grundgesetzregelung. In Hessen kann eine Fraktion nicht die Rechte des Landtags in Prozessstandschaft geltend machen. In Bremen hieß es: Aus der Landesverfassung ergebe sich kein Recht des Landtags, dass die Bundesratsmitglieder keinem verfassungswidrigen Gesetz zustimmen. In Baden-Württemberg wurde der Eilantrag zwar als zulässig eingestuft, aber nach einer Folgenabwägung abgelehnt. Es berichten LTO, beck-aktuell und spiegel.de.

Rechtspolitik

Bundesjustizminister:in: Über die Besetzung des Justizministeriums werde weniger diskutiert als über die Besetzung anderer Ministerien, hat LTO (Markus Sehl) festgestellt. Bisher seien folgende Namen zu hören: Felor Badenberg, Günter Krings, Roman Poseck (alle CDU), Andrea Lindholz (CSU), Dirk Wiese, Nancy Faeser, Katarina Barley, Boris Pistorius (alle SPD).

Vorratsdatenspeicherung: NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) fordert im Interview mit der SZ (Christoph Koopmann/Christian Wernicke) die Einführung der Vorratsdatenspeicherung. Dies sei der "Lackmustest" für die neue Bundesregierung. 

Geldwäsche: Das Ampel-Aus verhinderte die gesetzliche Einrichtung eines bundesweiten Immobilientransaktionsregisters, das Sicherheitsbehörden wie das BKA jedoch weiter für erforderlich halten, weil es Geldwäsche-Ermittlungen erleichtern würde. Im Jahr 2023 haben Notare bei rund 7300 Grundstückskäufen einen Geldwäscheverdacht gemeldet, Tendenz steigend. Es berichtet die FAZ (Oliver Schmale). 

Ausbürgerung: 25 deutsche Manager:innen warnen die kommende Koalition vor Plänen, bei extremistischen Doppelstaatler:innen den Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit anzuordnen. Solche Pläne sendeten ein fatales Signal. "Sie verunsichern Doppelstaatler in Deutschland, schrecken internationale Fachkräfte ab und gefährden damit unsere wirtschaftliche Stärke." Beteiligt haben sich laut spiegel.de Vorstandsmitglieder u.a. von Deutscher Bank, SAP und Demeter.

Whistleblowing: Die eigentlich für Mitte 2025 geplante Evaluation des Hinweisgeberschutzgesetzes verzögert sich bis 2026. Das Bundesjustizministerium verweist auf den fehlenden Bundeshaushalt 2025. Noch im Sommer 2025 solle allerdings eine Evaluation der Meldestelle beim Bundesamt für Justiz vorgelegt werden. Es berichtet netzpolitik.org (Thomas Rudl).

Asyl: welt.de (Benjamin Stibi) weist auf rechtliche Probleme beim im Sondierungspapier vorgesehenen Übergang vom Amtsermittlungs- zum Beibringungsgrundsatz in Asylverfahren hin. Dies würde bedeuten, dass das Verwaltungsgericht offensichtliches Wissen über die Lage im Herkunftsland nicht berücksichtigen dürfe, wenn es vom Asylsuchenden nicht erwähnt wird. Dies dürfte gegen EU-Recht verstoßen.

Rechtsprofessor Daniel Thym stellt die Thesen seines neuen Buchs "Migration steuern" nun auch im Interview mit dem Hbl (Sven Prange) vor.  

AfD-Verbot: Heribert Prantl (SZ) fordert in seiner Kolumne erneut ein AfD-Verbotsverfahren. Unter Verweis auf ein Verbotsverfahren ließen sich Forderungen der AfD auf Gleichbehandlung bei Ausschuss-Vorsitzen und anderen Posten im neuen Bundestag leichter ablehnen. 

EU: Davide Rauhe hofft auf dem JuWissBlog, dass der transatlantische Bruch mit den USA zu einer Stärkung der EU führen wird, etwa durch Schaffung einer supranationalen EU-Armee. Auch in früheren Krisen wie der Finanzkrise oder der Corona-Pandemie habe die EU zusätzliche Kompetenzen und Finanzierungsmöglichkeiten erhalten. 

Justiz

BAG zu VW-Betriebsratsvergütung: Wenn der Arbeitgeber die Vergütung eines Betriebsrats nach unten korrigieren will, hat er die Darlegungs- und Beweislast, dass die bisherige Vergütung fehlerhaft ist. Dies entschied das Bundesarbeitsgericht im Fall eines VW-Betriebsrats, der sich gegen seine Zurückstufung wehrte. Der Fall wurde an das LAG Niedersachsen zurückverwiesen. Es berichten beck-aktuell und LTO

VG Berlin zu Schmerzgriff: Das Drücken von Schmerzpunkten an Hals und Kiefer eines Aktivisten der Letzten Generation war ebenso unverhältnismäßig wie das Verdrehen von Armen und Beinen durch Polizeibeamte. Dies stellte das Verwaltungsgericht Berlin fest. Als milderes Mittel hätte es genügt, wenn drei Polizisten den Aktivisten, der sich nicht aktiv wehrte, weggetragen hätten. Es berichten LTO (Max Kolter), beck-aktuell und spiegel.de (Jean-Pierre Ziegler).

EuGH zu Ausbildungsvertrag eines Profisportlers: Die EU-Richtlinie über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen ist im Fall eines Profisportler-Ausbildungsvertrags nur anwendbar, wenn entsprechende Klauseln im Hauptteil des Vertrags unklar sind. Dies entschied der Europäische Gerichtshof in einem Fall aus Lettland. Bei klaren Klauseln könne es aber auf weitergehenden Schutz nach nationalem Recht ankommen. Konkret ging es um einen lettischen Basketballer, dessen Eltern, als er noch minderjährig war, einen Vertrag mit einem Unternehmen schloss, das die sportliche Ausbildung des Spielers finanzierte, gegen die Zusage, später 15 Jahre lang jährlich zehn Prozent der Profi-Einnahmen des Sportlers zu erhalten. Das Unternehmen verlangt jetzt 1,6 Mio. Euro pro Jahr, der Sportler hält den Vertrag jedoch für missbräuchlich. LTO berichtet. 

BVerfG zu fehlenden Schulplätzen: Das Recht auf schulische Bildung ist erst dann verletzt, wenn über einen längeren Zeitraum überhaupt kein Unterricht angeboten wird, entschied das Bundesverfassungsgericht. Noch zulässig sei es dagegen, wenn Eltern darauf verwiesen werden, dass die erforderlichen Schulplätze erst zu Beginn des nächsten Schuljahres zur Verfügung stehen. Geklagt hatte eine Frau, die mit zwei Kindern im Wege des Familiennachzugs nach Deutschland kam. beck-aktuell berichtet. 

KG Berlin zu fehlendem Fahrradhelm: Eine Fahrradfahrerin, die 2022 ohne Helm von einem Autofahrer angefahren wurde und schwere Kopfverletzungen erlitt, muss sich keine Mitschuld anrechnen lassen. Dies entschied das Kammergericht im Oktober 2024 laut beck-aktuell. Im Jahr 2022 trugen nur 34 Prozent der Radfahrer:innen einen Fahrradhelm. Im Unfallzeitpunkt habe also kein allgemeines Bewusstsein bestanden, dass das Tragen eines Helms beim Radfahren zum eigenen Schutz erforderlich ist, so das KG.

LG Berlin zu Einziehung von Grundstücken: Das Landgericht Berlin hat auf Antrag der Staatsanwaltschaft die Einziehung von 58 Grundstücken angeordnet, die dem teilweise kriminellen Remmo-Clan zugerechnet werden. Formell galten zwei Frauen als Eigentümerinnen, die das Gericht jedoch als Strohfrauen einstufte. Die Immobilien seien tatsächlich von zwei Männern mit Erlösen aus kriminellen Geschäften gekauft worden. Die FAZ (Marlene Grunert) berichtet und geht auch auf den noch ungeklärten Streit ein, wer hier die Beweislast trägt. 

VG Stuttgart zu Verdachtsfall AfD: Der AfD-Landesverband Baden-Württemberg durfte vom Landesamt für Verfassungsschutz als rechtsextremistischer Verdachtsfall eingestuft werden. Das entschied das Verwaltungsgericht Stuttgart laut beck-aktuell. Eine Begründung liegt noch nicht vor.

AfD-Klagen: Der Journalist Joachim Wagner spricht im Interview mit spiegel.de (Maria Fiedler) über sein neues Buch "Stresstest AfD". Es habe "in der Geschichte der Bundesrepublik noch keine Partei gegeben, die so häufig geklagt hat", was Gerichte und Verfassungsgerichte stark belaste. Die AfD verliere rund 80 Prozent ihrer Prozesse, wobei "Gerichte zum Teil rechtlich ganz schöne Klimmzüge vollbringen" mussten. Wenn die Ausgrenzung zu sehr übertrieben wird, gewinne die AfD aber auch gelegentlich. Die deutschen Gerichte hätten den Stresstest bisher im Großen und Ganzen bestanden.

Recht in der Welt

IStGH – Krieg in Gaza/Netanjahu: 77 deutschsprachige Völkerrechtslehrer:innen haben in einer gemeinsamen Erklärung die Bundesregierung aufgefordert, den Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs gegen den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu zu beachten. Der Appell wurde auf FAZ-Einspruch veröffentlicht.

Rumänien –  Călin Georgescu: Die FAZ (Tobias Zick) schildert vertieft die Begründung des rumänischen Verfassungsgerichts für die Annulierung des Erstrunden-Siegs des Rechtsextremisten Călin Georgescu bei der rumänischen Präsidentschaftswahl. Inzwischen hat das Wahlbüro den Kandidaten Georgescu unter Berufung auf das Verfassungsgericht von der Wahlwiederholung ausgeschlossen, was das Verfassungsgericht inzwischen bestätigte, aber noch nicht begründete. In einer rumänischen Umfrage sagten 46 Prozent der Befragten, die Wahlannulierung sei "ungerechtfertigt", 41 Prozent hielten sie dagegen für "notwendig, um die Fairness des Wahlprozesses zu gewährleisten". 

USA – Greenpeace: Nun berichten auch FAZ (Katja Gelinsky) und spiegel.de vertieft über das Urteil einer Jury in North Dakota, die Greenpeace zur Zahlung von 660 Millionen Dollar Schadensersatz an den Energiekonzern Energy Transfer verurteilte. 400 Millionen Dollar der Summe sind als “punitive damages” (Strafschadensersatz) gedacht. Parallel hat Greenpeace International in den Niederlanden Energy transfer verklagt, um den Schadensersatz ggf. ersetzt zu bekommen. 

Sonstiges

DAV-Präsident von Raumer: Die FAZ (Katja Gelinsky) portraitert Stefan von Raumer, der im Februar zum neuen Präsidenten des Deutschen Anwaltvereins gewählt worden war. Er sei ein gut verdienender Einzelanwalt. Im DAV-Vorstand war er bisher der "Außenminister", zuständig für Europa und Internationales. 

RA Lennart Hartmann: LTO-Karriere (Franziska Kring/Hasso Suliak) stellt den Rechtsanwalt Lennart Hartmann vor, der vor seinem Jurastudium als Profifußballer u.a. bei Hertha BSC Berlin spielte. Inzwischen hat er eine Kanzlei spielt aber auch in der Fernsehserie "Lenßen hilft" einen Anwalt.

KI im Unternehmen: Unternehmen, die künstliche Intelligenz nutzen, müssen seit dem 1. Februar ihre Mitarbeiter:innen schulen. Dies sieht die EU-KI-Verordnung vor. Die Einzelheiten schildern die Anwälte Hans-Hermann Aldenhoff und Christopher Götz auf LTO

Das Letzte zum Schluss

Sexspielzeug statt Leichenteil: Die Polizei in Hargesheim (RhPf) wurde gerufen, weil auf einem Feld ein vermeintliches Leichenteil gesehen wurde. Tatsächlich handelte es sich aber um ein Sex-Spielzeug in Form eines weiblichen Hinterns. spiegel.de berichtet. 
 
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Am Montag erscheint eine neue LTO-Presseschau.

LTO/chr

(Hinweis für Journalist:innen)   

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Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 21. März 2025: . In: Legal Tribune Online, 21.03.2025 , https://www.lto.de/persistent/a_id/56839 (abgerufen am: 26.04.2025 )

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