Die juristische Presseschau vom 3. Mai 2012: Drama am BGH – Streitschlichtung unter Migranten – Ehe und Demenz

03.05.2012

Noch immer ist der Vorsitz am 2. BGH-Strafsenat verwaist und weiterhin sorgt dies am BGH für Querelen, Intrigen und interessante Rechtsprobleme. Außerdem in der Presseschau: ein Blick auf die Arbeit eines arabischen Friedensrichters in Berlin, die BGH-Entscheidung zur Heirat mit einem Dementen und die Frage, wer den Gewinn aus einem weggeworfenen Lottoschein verlangen kann.

BGH-Drama: Seit Jahresbeginn steht der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs unter dem kommissarischen Vorsitz von Andreas Ernemann, der auch den 4. Strafsenat leitet. Weil umstritten ist, ob ein Vorsitzender Richter zwei Strafsenate leiten kann, hat die Konstellation bereits zu "40 Besetzungsrügen, einem halben Dutzend Befangenheitsanträgen und ein paar Verfassungsbeschwerden"  geführt, berichtet die SZ (Wolfgang Janisch).

Dass eine Sitzgruppe des 2. Strafsenats, die im Januar zunächst die Besetzung des Senats für rechtswidrig hielt, ihre Position nach einem Gespräch mit  dem BGH-Präsidium aufgab, sieht der Aachener Anwalt Thomas Koll als Beleg für die Befangenheit der Richter. Die SZ zitiert aus dienstlichen Erklärungen, die Richter des 2. Strafsenats im Befangenheitsverfahren abgegeben haben. Danach habe das Gespräch mit dem Präsidium der Beeinflussung von Richtern gedient. Inzwischen habe auch BGH-Präsident Klaus Tolksdorf Einsicht in die dienstlichen Erklärungen genommen, was laut SZ eventuell unzulässig war.

Weitere Themen – Rechtspolitik

 

Justizielle Vergangenheitsbewältigung: Die FAZ (Katja Gelinsky) berichtet über den Vortrag des Rechtsprofessors Horst Dreier auf einer Veranstaltung des Bundesjustizministeriums zur Aufarbeitung der NS-Vergangenheit. Im Mittelpunkt des Artikels stehen die Rolle des einflussreichen Verfassungsrichters Willi Geiger, der in der NS-Zeit Mitläufer gewesen sei, sowie die Parteiverbotsverfahren gegen die SRP und die KPD.

Staat und Katastrophenschutz: Der emeritierte Umweltrechtler Michael Klöpfer schreibt in einem Gastbeitrag für die FAZ-"Staat und Recht"-Seite über Katastrophenschutz als essentielle Aufgabe des Staates, die eines Tages zu einem "Grundrecht auf Katastrophenschutz" führen könne.

Migrantische Friedensrichter: Zeit.de (Cigdem Akyol) schildert am Beispiel des Berliners Hassan Allouche, wie ein arabischer Friedensrichter in Deutschland arbeitet. Er könne Eskalationen und Ehrenmorde vermeiden, im Falle von bereits begangenen Straftaten verhindere er aber auch die Bestrafung der Täter.

Weitere Themen - Justiz

EuGH zu Software: Die Funktionalität einer Computer-Software sei nicht urheberrechtlich geschützt, entschied jetzt der Europäische Gerichtshof, Ideen seien nicht monopolisierbar. Geschützt sei nur der konkrete Quellcode, berichten FAZ (Caroline Freisfeld) und lto.

BVerfG zu Peter Müller: Der saarländische Ex-Ministerpräsident Müller kann nicht als Richter am Verfahren um die Anfechtung zweier Bundespräsidentenwahlen mitwirken, weil er selbst als Wahlmann an den jeweiligen Bundesversammlungen teilgenommen hat. Das beschloss jetzt der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts laut taz (Christian Rath).

Bundesgerichtshof zu Ehe und Demenz: Der blog.beck.de (Hans-Otto Burschel) beschreibt ein Urteil des Bundesgerhichtshofs aus dem April. Danach kann die Eheschließung mit einem Dementen ausnahmsweise bestehen bleiben, wenn dieser von seiner Ehefrau jahrelang aufopferungsvoll gepflegt wurde. Die staatliche Sicherung der Eheschließungsfreiheit sei hier nicht erforderlich.

FG Hannover zu Ferienwohnungen: Das Finanzgericht Hannover hat die steuerliche Absetzbarkeit der Verluste einer Ferienwohnung zugelassen, wie lto.de meldet. Auch wenn der Vermieter diese teilweise selbst nutze und über 30 Jahre hinweg kein Überschuss entstehe, könne eine Gewinnerzielungsabsicht vorliegen. Das Finanzgericht lehnte damit die Position des Bundesfinanzhofs ab, der in solchen Fällen eine Gewinnerzielungsabsicht verneint.

EuGH zu Anti-Diskriminierung: Die Anwältin Gudrun Germakowski bespricht auf dem Handelsblatt-Rechtsboard das etwa zwei Wochen alte EuGH-Urteil "Meister". Weil die Nichtbeantwortung von Fragen nach den Auswahlkriterien bei der Einstellung nun als Indiz für eine Diskriminierung gelten könnte, sei der alte Rat "Schweigen ist Gold" nicht mehr richtig.

FDLR-Prozess am OLG Stuttgart: Seit einem Jahr wird am Oberlandesgericht Stuttgart gegen die beiden ruandischen Milizenführer Ignace Murwanashyaka und Straton Musoni wegen Verbrechen der FDLR-Miliz im Ostkongo verhandelt. Die taz (Dominic Johnson) zieht eine Zwischenbilanz des Prozesses, wonach sich gezeigt habe, dass die FDLR einen ruandischen Hutu-Parallelstaat auf kongolesischem Boden gebildet habe.

Klage gegen Ukraine? Der außenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion Philipp Mißfelder will wegen der Haftbedingungen der Oppositionspolitikerin Julia Timoschenko eine Klage Deutschlands und anderer EU-Staaten gegen die Ukraine prüfen. Die Klage könne gegebenenfalls beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte eingereicht werden. FDP-Politiker lehnten den Vorschlag ab, berichtet Handelsblatt.com.

Anklage wegen Kuh: Die Staatsanwaltschaft Wetzlar hat die Eigentümerin einer Kuh, die eine Spaziergängerin tödlich angegriffen hat, wegen fahrlässiger Tötung angeklagt, berichtet spiegel.de.

Veräußerung herrenloser Grundstücke: Anwalt Alexander Knauss schildert auf lto.de, welche Pflichten eine Kommune bei der Suche nach den Eigentümern von Grundstücken mit ungeklärten Vermögensverhältnissen hat. Beim Verkauf so genannter herrenloser Grundstücke in Leipzig seien diese Pflichten nicht erfüllt worden. Es bestehe der Verdacht, dass sich hier ein "Netzwerk aus Gutachtern, Bauträgern, Rechtsanwälten gemeinsam mit städtischen Mitarbeitern systematisch auf Kosten der Alteigentümer bereichert hat".

Vergaberecht und Frauenquoten: Rechtsprofessor Christoph Brüning prüft auf lto.de, ob die von einigen EU-Staaten geplante Bindung öffentlicher Aufträge an die Einhaltung von Frauenquoten mit EU-Recht vereinbar ist. Er verneint dies, da Frauenquoten keine auftragsbezogenen, sondern unternehmensbezogene Bedingungen darstellen.

Weitere Themen – Recht in der Welt

USA - Keine Immunität für DSK: Der französische Ex-Politiker Dominique Strauß-Kahn kann sich in einem Zivilprozess wegen mutmaßlicher sexueller Nötigung eines Zimmermädchens nicht auf seine Immunität als ehemaliger IWF-Chef berufen. Dies entschied laut SZ (Stefan Ulrich) jetzt ein New Yorker Richter. Strauss-Kahn habe sich im Strafverfahren nicht auf Immunität berufen, deshalb könne er dies nun auch im Zivilprozess nicht tun.

USA – FATCA: In einem Gastbeitrag für die FAZ beschreibt Thomas Richter vom Fondsverband BVI den Foreign Account Tax Compliance Act. Er soll ausländische Banken zur Kooperation mit US-Steuerbehörden zwingen. Inzwischen verhandelten Staaten wie Deutschland über eine zwischen-staatliche Lösung auf Gegenseitigkeit, die auch dem deutschen Fiskus zugute komme.

China – Hausarrest: In einem Interview mit Phelim Kine von Human Rights Watch beschreibt die taz (Jutta Lietsch), warum der Hausarrest für den blinden Regimegegner Chen gegen chinesisches Recht verstieß.

Israel – Erstschlag: Der Rechtsprofessor Stefan Talmon untersucht in einem Beitrag für die FAZ die israelische Drohung mit einem Angriff auf iranische Atomanlagen. Da kein gegenwärtiger iranischer Angriff vorliege, verstoße bereits die Drohung gegen Völkerrecht. Deutschland mache sich mit der Lieferung eines U-Boots an Israel aber nicht zum Mitverantwortlichen für etwaige völkerrechtswidrige Handlungen Israels.

Das Letzte zum Schluss

Lotterie-Konfusion: Ein Richter in Searca (Arkansas) musste einen kuriosen Fall entscheiden. Eine Lotteriegewinnerin hatte ihren Lottoschein weggeworfen, nachdem ein Automat fälschlich angezeigt hatte, dass sie nicht gewonnen habe. Den Lottoschein fischte eine andere Frau aus dem Papierkorb und holte den Gewinn ab. Neben diesen beiden Frauen beanspruchte auch die Inhaberin des Ladens, in dem Automat und Papierkorb standen, den Gewinn für sich. Der Richter entschied zugunsten der ursprünglichen Inhaberin des Lotterietickets, berichtet spiegel.de.

Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.

Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.

lto/chr

(Hinweis für Journalisten)  

Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 3. Mai 2012: Drama am BGH – Streitschlichtung unter Migranten – Ehe und Demenz . In: Legal Tribune Online, 03.05.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/6117/ (abgerufen am: 25.04.2024 )

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