Die juristische Presseschau vom 21. Februar 2012: Neue Partnerschaft für Anwälte – Neues Gremium für Staatsanwälte – Neue Klage wegen Wulff

21.02.2012

Das Echo auf die vom Justizministerium vorgeschlagene neue Rechtsform für Anwälte ist überwiegend positiv. Außerdem in der Presseschau: Pläne zur Stärkung der Unabhängigkeit von Staatsanwälten, eine Verfassungsklage der niedersächsischen SPD wegen Wulff und warum man Gott in England nicht verklagen kann.

Neue Rechtsform für Anwälte: Vorige Woche hat das Bundesjustizministerium Pläne für eine "Partnerschaftsgesellschaft mit beschränkter Berufshaftung" vorgelegt. Danach können sich die Partner einer Anwaltspartnerschaft von der individuellen Haftung befreien, wenn die Gesellschaft eine Haftpflichtversicherung abschließt, die Schäden von mindestens 2,5 Millionen Euro pro Fall abdeckt (bisher waren 250.000 Euro versichert). Den Entwurf und Reaktionen stellt das Handelsblatt (Heike Anger) vor. 

Im Interview mit der FTD (Katharina Peuke) befürwortet Wolfgang Ewer, der Vorsitzende des Deutschen Anwaltvereins, die Reform. Sie nutze Anwälten und Mandaten, die besser als bisher abgesichert seien. Auf dem Handelsblatt-Rechtsboard kritisiert Anwalt Ulrich Noack das Vorhaben. Es bereichere nur den "Teilchenzoo des Gesellschaftsrechts" um ein weiteres Element. Er befürwortet eine große Reform, bei der auch Anwälte eine Kommanditgesellschaft bilden können.

Weitere Themen – Rechtspolitik

Staatsanwälte in Baden-Württemberg: Der Stuttgarter Justizminister Rainer Stickelberger (SPD) will mit mehreren Maßnahmen die Unabhängigkeit der Justiz stärken. Das berichtet die FAZ (Rüdiger Soldt). Unter andem soll als bundesweites Novum ein Staatsanwaltschafts-Wahlausschuss eingerichtet werden. Dieser Ausschuss sei für den Fall vorgesehen, wenn sich das Justizministerium und der Hauptstaatsanwaltsrat nicht über die Beförderung von Staatsanwälten einigen können. 

Bundesanwaltschaft und Naziterror: Generalbundesanwalt Harald Range hatte jüngst vorgeschlagen, dass die Bundesanwaltschaft bei Staatsschutzdelikten mit "länderübergreifenden Zusammenhängen" immer zuständig sein soll. Die taz (Christian Rath) stellt fest, dass die höchste Strafverfolgungsbehörde auch unter Geltung solcher Zuständigkeitsregeln nicht hätte gegen die Zwickauer Zelle ermitteln können. 

Urheberrecht: Als Beginn einer neuen Serie zum Urheberrecht beschreibt die FAZ (Caroline Freisfeld u.a.) dessen Geschichte. 

Unisex-Tarife bei Versicherungen: Die Bundesregierung will das EuGH-Urteil, das geschlechtsspezifische Versicherungstarife ablehnte, nur für neue Versicherungsverträge umsetzen. Das berichtet die FTD (Herbert Fromme)

Weitere Themen - Justiz

BAG zu Datenschutz: Der Betriebsrat hat Anspruch darauf, die Daten aller Mitarbeiter zu bekommen, die innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen krank waren, damit er das betriebliche Eingliederungsmanagement kontrollieren kann. Ein entsprechendes Urteil des Bundesarbeitsgerichts stellt die Anwältin Ann-Charlotte Ebener in der FTD vor. Im konkreten Streitfall hatte der Arbeitgeber die Liste der betroffenen Mitarbeiter unter Berufung auf den Datenschutz verweigert. 

BGH zu erfundener Vergewaltigung: Der Bundesgerichtshof hat ein Aufsehen erregendes Urteil des Landgerichts Kassel bestätigt. Darin wurde ein Lehrer nach Wiederaufnahme des Verfahrens vom Vorwurf der Vergewaltigung freigesprochen. Der BGH lehnte jetzt die Revision der Nebenklägerin ab, die die Vergewaltigung erfunden haben soll. Das berichtet lto.de.

Fackel-Demo zulässig: Das Verwaltungsgericht Karlsruhe erlaubte rechten Demonstranten in Pforzheim das Mitführen von Fackeln. Diese seien nach Ansicht des Gerichts im konkreten Fall kein Symbol nationalsozialistischer Machtausübung, so focus.de.

Klage wegen Wulff: Die SPD reicht heute Klage beim niedersächsischen Staatsgerichtshof in Bückeburg ein. Die Landesregierung soll den Landtag bei Fragen zur Veranstaltungsreihe "Nord-Süd-Dialog" falsch informiert haben, berichtet Bild (M. Voltmer/M. Nicolay).

Beschlagnahme von Facebook-Daten: Ein Reutlinger Amtsrichter versuchte in einem Strafprozess gegen einen mutmaßlichen Einbrecher, den Facebook-Account des Beschuldigten zu beschlagnahmen und betrat damit rechtliches Neuland, so spiegel.de (Richard Meusers). Da nur die Facebook-Europazentrale in Irland Zugriff auf die Daten habe, habe der Richter jetzt ein Rechtshilfeersuchen nach Irland schicken müssen.

Polizeigewalt in Rosenheim: Die taz (Marlene Halser) berichtet über einen Prozessbeginn am Amtsgericht Rosenheim. Wegen Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte ist eine vierköpfige Familie angeklagt, die ihrerseits die Polizei unnötiger Gewaltanwendung bezichtigt. Anlass war ein Disput mit zwei Zivilpolizisten im Treppenhaus der Familie. 

U-Bahn-Gewalt in Berlin: focus.de berichtet vom Prozessauftakt am Landgericht Berlin. Nach einer Auseinandersetzung im U-Bahnhof wurde ein 23-Jähriger in den Straßenverkehr gehetzt, wo er von einem Auto erfasst wurde und starb. Die beiden Angeklagten legten ein Teilgeständnis ab. 

Weitere Themen – Recht in der Welt

Mubarak-Prozess: Die Anklage hat gegen den ehemaligen ägyptischen Staatschef Hosni Mubarak die Todesstrafe gefordert. Das meldet spiegel.de. Er habe den Einsatz scharfer Munition gegen friedliche Demonstranten erlaubt. 

Verbot von griechischen Tarifverhandlungen: Im Zuge der Sparpolitik habe das griechische Parlament die Aushandlung von Tarifverträgen mit Lohnerhöhungen verboten, berichtet die taz (Hannes Koch). Dies verstoße jedoch gegen die EU-Grundrechtecharta, die in Artikel 28 das Recht auf Tarifverhandlungen garantiere. 

Sonstiges

Ehrensold für Wulff: Ob der zurückgetretene Bundespräsident nun lebenslangen Ehrensold erhält, prüft auf lto.de der Rechtsprofessor Christoph Degenhart. Er kommt zum Schluss: "Erklärt ein Bundespräsident, aus politischen Gründen, auch wenn sie mit persönlichen Gründen unentwirrbar verbunden sind, zurückzutreten, so ist der Anspruch auf Ruhebezüge schwerlich angreifbar." Die Regelung sei aber reformbedürftig. Wie spiegel.de meldet, fällt die Entscheidung, ob Wulff den Ehrensold erhält, im Bundespräsidialamt. Darauf angwiesen ist auch Wulffs Anwalt Gernot Lehr, der Wulff auch nach dem Rücktritt berät. Nach Schätzungen des Handelsblatts (Heike Anger) muss Wulff bereits über 100.000 Euro Anwaltskosten bezahlen.

Quote in Anwaltskanzleien: Das Handelsblatt (Aled Wyn Griffiths) berichtet über eine Tagung der Bucerius Law School zum Frauenanteil in Anwaltskanzleien. Nach Ansicht des Autors müsste es möglich sein, dass über die Aufnahme von AnwältInnen als PartnerInnen auch noch entschieden wird, wenn diese schon 45 sind und die Familienphase abgeschlossen haben.  

Das Letzte zum Schluss

Gott verklagen? Der Anwalt Wolf Reuter beschreibt auf seinem Blog einen Prozess in England. Dort wollte ein anglikanischer Vikar, der sich gemobbt fühlte, gegen die Church of England klagen. Prozessual war dies in England nicht möglich, was die dortige Presse auf die Kurzformel brachte "Gott kann man nicht verklagen". In Deutschland so Reuter, könne man die Kirche zwar verklagen, scheitere dann aber am kirchlichen Arbeitsrecht, was im Ergebnis auf das gleiche hinauslaufe. 

Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.

Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.

lto/chr

(Hinweis für Journalisten)

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 21. Februar 2012: Neue Partnerschaft für Anwälte – Neues Gremium für Staatsanwälte – Neue Klage wegen Wulff . In: Legal Tribune Online, 21.02.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/5595/ (abgerufen am: 25.04.2024 )

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