Die juristische Presseschau vom 31. Mai 2012: Schwedische Staatsanwälte in England - Weniger Kooperationsverbot - Schnellgerichte bei EM

31.05.2012

Die Entscheidung des höchsten britischen Gerichts zur Auslieferung Assanges hat Potential zum Meilenstein der britischen Rechtsgeschichte. Außerdem in der Presseschau: Das polnische Sicherheitskonzept zur Fußball-EM, Lockerung des Kooperationsverbotes, BGH zur RSS-Feed-Haftung, BFH zur Grundsteuer bei Mietausfällen, Charles Taylors Strafmaß und ein später Sieg der Gabriele Pauli.

Assange-Auslieferung: Der Londoner Supreme Court hat den Berufungsantrag von Julian Assange abgelehnt und damit eine Auslieferung an Schweden grundsätzlich ermöglicht. Wie die FTD (Sebastian Borger) berichtet, habe das Gericht die Frage, ob der Auslieferungsantrag einer schwedischen Staatsanwältin den Vorgaben des Europäischen Haftbefehls entspreche,  bejaht.

Assanges Anwältin habe jedoch die Möglichkeit eines erneuten Einspruchs herausgeholt. Dies nennt die SZ (Christian Zaschke/Gunnar Herrmann) ein "Novum in der britischen Rechtsgeschichte" - ein letztinstanzliches Urteil "ist zunächst nicht rechtskräftig". Der Grund: Die Urteilsbegründung verweise bei der Prüfung der Antragsvoraussetzungen auf das Wiener Vertragsrechtsübereinkommen, ohne dass das Übereinkommen Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sei.

Marin Majica (FR) erläutert dazu: Die "sehr technische" Frage sei gewesen, ob ein schwedischer Staatsanwalt eine "gerichtliche Instanz" sein könne, denn nur diese könne bei britischen Behörden einen solchen Antrag stellen.  Der eigentlich Skandal des Falles sei aber, dass Assange seit über 500 Tagen unter Hausarrest stehe. Telepolis (Thomas Pany) informiert ebenfalls und verlinkt die Entscheidung.

Weitere Themen – Rechtspolitik

Kooperationsverbot lockern: Über den Gesetzentwurf von Bundesbildungsministerin Schavan (CDU), den Artikel 91b des Grundgesetzes erweitert zu wollen, um so dem Bund die finanzielle Förderung von Hochschulen zu ermöglichen, berichtet die SZ (Christopher Schrader/Roland Preuß).

Leutheusser-Schnarrenberger zur Urheberrechtsdebatte: Im Staat und Recht-Teil der FAZ findet sich ein Gastbeitrag von Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) zur Bedeutung des Urheberrechts. Dieses sei "die Wirtschaftsordnung des Internetzeitalters", immer weitere Gesetze könnten jedoch eine "Gefahr der Verschlechterung" für den Schutz geistigen Eigentums mit sich bringen.

Innenministerkonferenz: Über das Zusammentreffen der Innenminister von Bund und Ländern informiert die SZ (Susanne Höll): Dabei gehe es u.a. um Verbote radikal- islamischer Vereine, eine Reform des Bleiberechts für Ausländer und das NPD-Verbotsverfahren.

Wendt gegen Stehplätze: Rainer Wendt, Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft, hat sich, so bild.de, nach den jüngsten Vorfällen in deutschen Fußballstadien gegen Stehplätze ausgesprochen.

Eurobonds und Star Wars: Franz C. Meyer und Christian Heidfeld leiten auf  verfassungsblog.de ihre Serie zu Eurobonds unter dem Titel "Episode I: The Phantom Menace" ein und spielen dazu etwas Musik.

Steuerabkommen mit Schweiz: Laut FTD (Tobias Bayer) hat das Schweizer Parlament das Steuerabkommen mit Deutschland gebilligt, es könne aber noch ein Referendum geben.

Weitere Themen – Justiz

BFH zu Grundsteuer bei Mietausfällen: Der Bundesfinanzhof hat am Mittwoch eine Anpassung der "Geld-zurück-Garantie" für Grundstückseigentümer bei Mietausfällen für verfassungsgemäß erklärt, weiß die FTD (Robert Kracht). Gekürzt worden sei die Möglichkeit, die Grundsteuer nachträglich zu reduzieren; so habe eine "gerechte Lastenverteilung" zwischen Eigentümern und Kommunen erreicht werden sollen.

BGH zur Haftung für RSS-Feeds: Die nun im Volltext veröffentlichte Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur Haftung des Betreibers eines "Informationsportals" bei der "Einbindung" von RSS-Feeds mit rechtsverletzendem Inhalt bespricht Thomas Stadler (Internet-law.de).

OVG Hamburg zu Feuerwehr-Altersgrenze: Die im Hamburgerischen Feuerwehrgesetz vorgesehene Altersgrenze von 60 Jahren für den aktiven Dienst bei der Freiwilligen Feuerwehr sei mit deutschem Recht und EU-Rechten vereinbar und stelle keine unzulässige Altersdiskriminierung dar, so laut lto.de eine jetzt veröffentlichte Entscheidung des Oberverwaltungsgericht Hamburg.

OLG Zweibrücken zu Werbung mit Testergebnissen: Das Oberlandesgericht Zweibrücken entschied nun, für ein Fahrradschloss dürfe nicht mit einem alten, bereits revidierten Testergebnis Werbung gemacht werden; dazu lto.de.

LG Frankfurt zu Wohnungslüften: Auch Berufstätigen kann bei Schimmelgefahr in der Wohnung das bis zu viermalige Lüften pro Tag zugemutet werden, entschied das Landgericht Frankfurt. Dies meldet lto.de.

Verurteilung wegen Lynchjustiz-Aufruf: Ein 18-Jähriger, der nach der ersten Verhaftung im Mordfall "Lena" per Facebook zu Lynchjustiz aufgerufen hatte, sei, so meldet zeit.de, vom Amtsgericht Emden wegen öffentlichen Aufrufens zu Straftaten zu einem zweiwöchigen Jugendarrest verurteilt worden.

"Arztgattin" verurteilt: Im so genannten "Arztgattin"-Prozess vor dem Landgericht Bochum ist die Angeklagte Nicole S. gestern wegen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt worden. spiegel.de berichtet.

Hells Angels-Verbote und Razzien: Mit dem gestern vom Berliner Innensenator Frank Henkel (CDU) ausgesprochenen Verbot der Berliner Hells Angels sowie den Pannen um die Razzien bei der Durchsetzung desselben befasst sich ausführlich der Tagesspiegel (Werner van Bebber). Möglicherweise hätten Polizisten die Rocker gewarnt. Die Berliner Zeitung (Regine Zylka) informiert, welche Gruppen genau verboten wurden.

Getöteter Rocker: Über die schleppend laufenden Ermittlungen im Falle des am Dienstag nahe Gladbeck erschossenen Bandidos Hans B. berichtet spiegel.de (Jörg Diehl).

Freie NSU-Verdächtige: Zur Freilassung dreier NSU-Verdächtiger nimmt Hans Leyendecker (SZ) ausführlich Stellung und befindet: Stark sei ein Rechtsstaat, "der seine Prinzipien mit mutiger Gelassenheit und kühlem Kopf" verteidige.

Beate Zschäpe: Ein ganzes Dossier mit dem Titel "Beate, die braune Witwe" widmet die Zeit (Christian Fuchs/John Goetz) Beate Zschäpe und den Fragen, "Wer sie ist? Was trieb sie an?".

Commerzbank verliert: Wie die FAZ knapp meldet, hat ein Londoner Gericht eine Berufung der Commerzbank gegen die Verurteilung zu einer Zahlung an Investmentbanker in Millionenhöhe abgelehnt. Diese hatten auf Nachzahlung gekürzter Boni geklagt.

Weitere Themen – Recht in der Welt

Den Haag I- Charles Taylor: Nachdem Charles Taylor, ehemals liberianisches Staatsoberhaupt, bereits im April für schuldig befunden war, ist nun durch das Sondertribunal der Vereinten Nationen für Sierra Leone das Strafmaß auf 50 Jahren Haft festgesetzt worden. Die FR (Bettina Vestring) erläutert die Verurteilung wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit.

spiegel.de (Honrad Knaup) berichtet über Reaktionen auf die Entscheidung, insbesondere den Vorwurf der "Klassenjustiz".

Stefan Klein (SZ) stört, dass man wieder "nur die Kleinen" hänge, George W. Bush oder Tony Blair würde nicht der Prozess gemacht.

Den Haag II- Callixte Mbarushimana: Der Einspruch der Anklagebehörde des Internationalen Strafgerichtshofs gegen die Einstellung des Verfahrens gegen Callixte Mbarushimana, politischer Führer der ruandischen Hutu-Miliz FDLR, ist zurückgewiesen worden, wie die taz (Dominic Johnson) berichtet. Ihm sei vorgeworfen worden, gemeinsam mit zwei in Stuttgart vor Gericht stehenden FDLR-Führern im Kongo eine "Terrorkampagne" koordiniert zu haben.

EM-Sicherheitskonzept: Laut einem Bericht des Handelsblattes (Andreas Schulte Köln) hat Polen nicht nur ein Aufgebot von 10.000 Polizisten für die Fußballeuropameisterschaft bereit gestellt und elektronische Fußfesseln für Hooligans mit Stadionverbot vorgesehen; auch solle es "Schnellgerichte" geben, die "Straftäter gleich an Ort und Stelle verurteilen", so das  Handelsblatt.

Tf1 verliert gegen YouTube: Ein "Musterprozess" des europäischen Privatsenders Tf1 gegen YouTube wegen Urheberrechtsverletzungen ist vorerst verloren. Wie die FAZ (Jürg Altwegg) knapp informiert, hat ein Pariser Gericht in kurzen Sequenzen aus dem Fernsehprogramm von Tf1 auf YouTube keine Rechtsverletzung erblickt.

Sonstiges

Gute Unternehmensführung: Für lto.de erläutert Rechtsanwalt Oliver Maaß die jüngsten Anpassungen beim Deutschen Corporate Governance Kodex. Eine variable Aufsichtsratsvergütung etwa gebe es doch nicht, dafür solle die Besetzung transparenter gestaltet werden.

Das Letzte zum Schluss

Sieg für Pauli: Die ehemalige CSU-Rebellin Gabriele Pauli hat vor dem Landgericht Traunstein einen Sieg gegen Springer errungen, wie die Gerichtsreporterin Gisela Mertens auf ihrem Blog meldet: Weder dürfe sie zukünftig als "durchgeknallte Frau", noch verschiedene Mode-Fotos von ihr als "klassische Pornographie" betitelt werden.

Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in den heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/dc


(Hinweis für Journalisten)

Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 31. Mai 2012: Schwedische Staatsanwälte in England - Weniger Kooperationsverbot - Schnellgerichte bei EM . In: Legal Tribune Online, 31.05.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/6298/ (abgerufen am: 18.04.2024 )

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