Die juristische Presseschau vom 30. April 2013: Presse-Lotto am Münchner OLG – Lebensmittelpranger gestoppt – Streit um Filbinger-Tagebücher

30.04.2013

Das OLG München hat gelost – und nun schauen so einige große Zeitungen in die Röhre, was "ihren" Platz beim NSU-Prozess angeht. Die Entrüstung lässt nicht lange auf sich warten. Außerdem in der Presseschau: Selbstanzeige auf dem Prüfstand, OVG Münster stoppt Lebensmittel-Pranger, Streit um Filbinger-Tagebücher – und warum der "Kläger-König" hinter Gitter muss.

OLG München – Presseplätze für NSU-Prozess verlost: Die Presseplätze für den NSU-Prozess sind vom Oberlandesgericht München nun im Losverfahren erneut vergeben worden. "Vier große deutsche Tageszeitungen" sind nach Berichten der SZ (Annette Ramelsberger) und der FAZ (Karin Truscheit) dabei nicht zum Zug gekommen; vier Plätze waren für türkische Medien reserviert worden. Einzelne Medien, die nun keinen Platz mehr haben, wie die taz und die Welt, erwögen nun ihrerseits juristische Schritte. Der SWR-Terrorismus-Blog (Holger Schmidt) veröffentlicht die Liste der akkreditierten Medien.

Im Interview mit lto.de (Claudia Kornmeier) erläutert der Dortmunder Medienrechtler Tobias Gostomzyk, warum sich die betroffenen Medien nicht auf Vertrauensschutz berufen können und warum er die Verfügung des OLG rechtlich für schwer angreifbar hält.

Kurt Kister (SZ) kritisiert das Verfahren scharf: Es regiere "der Zufall", beim Losen gebe es "keine Gerechtigkeit, keine Vernunft". Das "Akkreditierungs-Lotto" habe nun zum Ergebnis, dass etliche Medien mit Plätzen bedacht worden seien, "die sich noch nie mit Rechtsterrorismus oder ernsthafter Gerichtsberichterstattung beschäftigt haben." Die Liste lese sich "in Teilen wie eine Farce", die Art der Kontingentierung sei falsch gewesen. Auch Reinhard Müller (FAZ) hält "die Kontingente, die Beschränkungen des Verfahrens" für "weltfremd und nicht sachgerecht". Ein "verständiges Gericht" hätte, "wenn es schon Kontingente bildet, auch Medien mit einem nationalen Anspruch berücksichtigen müssen." Per Hinrichs (Welt) schlägt in die gleiche Kerbe und bemängelt die "Missachtung nicht nur der großen Medien", sondern auch aller Interessierten durch die "Lottoshow" des Gerichts. Christian Rath (taz) relativiert die Kritik: Das neue Verfahren sei "besser als das alte"; auch die Möglichkeit der "nachträglichen Poolbildung" sei ein Fortschritt. Nachträgliche Klagen hätten dagegen wohl "kaum eine Chance". Auch der Strafrechtler Henning Ernst Müller (blog.beck.de) verteidigt das Losverfahren – und fragt süffisant, wie die selbsternannten "Qualitätsmedien" sich denn eine mit der Pressefreiheit vereinbare Lösung vorstellten, bei der sie garantiert an Plätze kämen.

Weitere Themen – Rechtspolitik

Union prüft Selbstanzeige: Die Unionsparteien haben eine von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) geleitete Arbeitsgruppe eingerichtet, welche eine abermalige Verschärfung der Regeln zur strafbefreienden Selbstanzeige bei Steuerhinterziehung prüfen soll. In der Diskussion sei auch eine "Staffelung nach Höhe der Schadenssummen", so die FAZ (Joachim Jahn).

Heike Göbel (FAZ) kritisiert dieses "Zurückweichen vor den Attacken von SPD und Grünen": Das "geltende Selbstanzeige-Recht" stelle ein "Element der Befriedung" im "spannungsgeladenen Verhältnis zwischen dem immer mehr Geld fordernden Staat und seinen Bürgern" dar. Der Rechtsanwalt Karsten Randt betont in einem Gastbeitrag für den Finanzmärkte und Geldanlage-Teil der FAZ die "lange Tradition" der Selbstanzeige in Deutschland und begründet diese mit praktischen Gründen der Anreizschaffung. Klaus Volk (Handelsblatt) verweist auf andere Strafmilderungstatbestände im Strafgesetzbuch und betont, das die "Rückkehr zur Steuerehrlichkeit" keine "moralische Leistung" sein müsse.

Prioritäten bei der Organtransplantation: In einem Gastbeitrag für die SZ beschäftigt sich der Münchner Oberarzt Andreas Umgelter vor dem Hintergrund des Transplantationsgesetzes und der einschlägigen Richtlinien der Bundesärztekammer mit den Regeln für die Vergabe von Spenderorganen. Angesichts der Knappheit gespendeter Organe bestehe ein "Entscheidungsdilemma" zwischen Dringlichkeit und Erfolgsaussichten der Transplantation; der Gesetzgeber lasse eine Entscheidung zwischen beiden Kriterien bislang offen. Angesichts der Unmöglichkeit, diese Abwägung "medizinisch-wissenschaftlich" zu begründen, müsse diese "ethische Entscheidung" aber "in einer Demokratie demokratisch festgelegt werden".

Die FAZ (Joachim Müller-Jung) berichtet derweil über das "bemerkenswerte Manifest" des Chirurgen Rüdiger Siewert und des Generalsekretärs im Verband der Universitätsklinika Deutschlands, Rüdiger Strehl, zur Reform der Architektur des deutschen Transplantationswesens. Diese forderten die Gründung eines Bundesinstituts für Transplantationsmedizin.

Grüne Steuerpläne verfassungswidrig?: Der Steuerzahlerbund hält die von den Grünen am Wochenende als Teil ihres Wahlprogramms beschlossenen Steuerpläne für "teilweise verfassungswidrig". Die Kritik entzünde sich vor allem an der geplanten allmählichen Abschaffung des Ehegattensplittings und der Rückwirkung der vorgesehenen Vermögensabgabe, so die FAZ (Johannes Leithäuser).

Verzicht auf V-Leute: Der von den Grünen in ihrem Wahlprogramm geforderte Verzicht des Verfassungsschutzes auf V-Leute stößt auf Kritik. Jörg Diehl (spiegel.de) hält die Zusammenarbeit mit Verbindungsleuten beispielsweise im "braunen Sumpf" zwar für "schwer auszuhalten", letztlich aber unverzichtbar. Insbesondere scheide auch ein Rückgriff auf verdeckte Ermittler aus, da Polizeibeamte keine Straftaten begehen dürften. Ähnliche Kritik formuliert Lisa Caspari (zeit.de).

Friedrich will Einreiseregister: Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) fordert am Rande seines US-Besuchs für Europa ein zentrales Einreiseregister nach dem US-Vorbild "Esta", wie spiegel.de (Matthias Gebauer) zu berichten weiß.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 30. April 2013: Presse-Lotto am Münchner OLG – Lebensmittelpranger gestoppt – Streit um Filbinger-Tagebücher . In: Legal Tribune Online, 30.04.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/8635/ (abgerufen am: 18.04.2024 )

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