Die juristische Presseschau vom 27. bis 29. Februar 2016: NPD-Verbot, die Zweite / Ver­zö­ge­rung im Fischer-Senat / Nein zu Zweiklas­sen­justiz

29.02.2016

Justiz

OLG Frankfurt zu Verzögerung beim BGH: Das Oberlandesgericht Frankfurt hat trotz Fluchtgefahr den Haftbefehl gegen einen mutmaßlichen Drogendealer aufgehoben, weil die Dauer der Untersuchungshaft nicht mehr verhältnismäßig war. Die Verfahrensverzögerung nach Eingang beim 2. Senat des Bundesgerichtshofs sei der Justiz zuzurechnen. Hohe Belastung führte der Senatsvorsitzende Thomas Fischer zur Begründung an, er habe aber trotz weit höherer Rückstände als bei anderen Strafsenaten keinen Überlastungsantrag gestellt, schreibt die FR (Ursula Knapp).

EuGH – Facebook-Datenschutz: Sind deutsche Datenschützer für die Prüfung des Datenschutzes auf Facebook zuständig und kann einem deutschen Unternehmen aufgrund der Nutzung einer Facebook-Fanpage eine Mitverantwortung für Verstöße gegen Datenschutzrecht durch Facebook vorgeworfen werden? Zu diesen Fragen soll sich auf Anfrage des Bundesverwaltungsgerichts nun der Europäische Gerichtshof äußern, meldet lto.de.

BVerwG – "Idiotentest": Das Bundesverwaltungsgericht hat auf ein Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs hin zu entscheiden, ob die Medizinisch-Psychologische Untersuchung zukünftig bereits bei Verurteilung wegen Alkoholfahrten mit nur 0,3 Promille angeordnet werden soll, schreibt der Spiegel (Guido Kleinhubbert). Eine Senkung von derzeit 1,6 Promille auf 1,1 befürworte auch der Verkehrsgerichtstag, darunter zu gehen sei jedoch lediglich Bereicherung der MPU-Beraterbranche.

BGH zu Boykottaufrufen: internet-law.de (Thomas Stadler) weist auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes aus diesem Januar hin. Danach sei ein "Boykottaufruf regelmäßig dann von der Meinungsfreiheit gedeckt [...], wenn er nicht im eigenen wirtschaftlichen Interesse erfolgt, sondern in der Sorge um politische, wirtschaftliche, soziale oder kulturelle Belange der Allgemeinheit und damit also der Einwirkung auf die öffentliche Meinung dient".

BGH zu Befangenheit wegen Facebook-Post: Mit der Aufhebung eines Urteils durch den Bundesgerichtshof, weil der Befangenheitsantrag gegen den Vorsitzenden Richter zu Unrecht abgelehnt worden war, befasst sich nun auch blog.beck.de (Bernd von Heintschel-Heinegg). Der Spiegel (Bruno Schrep) führt ein Kurzinterview mit Rechtsanwalt Benjamin Tschau, der den für den Befangenheitsantrag maßgeblichen Facebook-Eintrag gefunden hatte.

LSG Mainz zu Sozialhilfe für EU-Bürger: Halten sich EU-Bürger ohne Aufenthaltsrecht oder lediglich zur Arbeitssuche in Deutschland auf, haben sie keinen Anspruch auf Hartz VI-Leistungen. Das Landessozialgericht Rheinland-Pfalz hat am 11. Februar in einer Eilentscheidung befunden, dass dann auch Sozialhilfeleistungen nach Sozialgesetzbuch XII verweigert werden dürfen, schreibt lto.de. Der Ansicht des Bundessozialgerichts, nach sechsmonatigem Aufenthalt sei das Ermessen zugunsten einer Leistungspflicht nach SGB XII auf Null reduziert, widersprach das LSG.

LG Hannover – Salzhemmendorf: Im Verfahren um den Brandanschlag auf eine bewohnte Flüchtlingsunterkunft in Salzhemmendorf wurde ein Gutachter zur Schuldfähigkeit der beiden mutmaßlichen Haupttäter gehört. Dem mutmaßlichen Werfer des Molotow-Cocktails bescheinigte er volle Steuerungsfähigkeit, sein mutmaßlicher Mittäter habe sich nicht gegen ihn durchsetzen können. Am heutigen Montag sollen die Plädoyers gehalten werden, berichtet spiegel.de (Wiebke Ramm).

LG Neubrandenburg – Auschwitz-Prozess: Am heutigen Montag beginnt ein weiterer Auschwitz-Prozess, dieser vor dem Landgericht Neubrandenburg. Der Angeklagte wurde für einen anderen Aufenthalt in Auschwitz bereits 1948 in Polen zu fast vier Jahren Haft verurteilt. Das Gericht bezweifelt seine Verhandlungsfähigkeit und will diese zunächst prüfen, die Staatsanwaltschaft hatte Verfahrenseröffnung durch das Oberlandesgericht erzwungen, berichtet die Montags-FAZ (Frank Pergande).

Auschwitz-Prozesse: Der Spiegel (Gisela Friedrichsen) befasst sich mit der Ansicht des seinerzeitigen Staatsanwalts Fritz Bauer, Auschwitz sei eine Tötungsmaschinerie und der Nachweis einer Tätigkeit in Auschwitz genüge als Nachweis der Beteiligung an den Tötungen. Die seinerzeit mit dem Verlangen nach individuellem Kausalitätsnachweis von der Justiz torpedierte Theorie sei nun aber, seit der Verurteilung Demjanjuks, Grundlage der neuen Bewertung der Geschehnisse in Auschwitz durch die deutsche Justiz geworden.

LG München – Jameda: Ärzte klagen regelmäßig gegen das Bewertungsportal Jameda und haben Verfahren um einzelne Bewertungen und die Löschpraxis vor dem Landgericht München bereits gewonnen. Nun will eine Ärztin ganz aus dem Portal gelöscht werden und das Gericht muss klären, ob das Portal unseriös arbeitet und, ob das ein Grund ist, sich der Bewertung zu entziehen, schreibt die FAS (Corinna Budras).

LG Braunschweig – Klagen gegen VW: Der für Sammelklagen gegen Unternehmen bekannte US-amerikanische Anwalt Michael D. Hausfeld bringt sich mit einer Niederlassung in Berlin auch in Deutschland in Stellung, um hier Ansprüche gegen VW wegen der Abgasaffäre gebündelt gelten zu machen, schreibt die WamS (Nikolaus Doll/Tina Kaiser).

AG Lüdinghausen zu "Gotteslästerung": Vor dem Hintergrund der jüngsten Verurteilung wegen Bekenntnisbeschimpfung spricht die BadZ (Michael Sauer) mit Privatdozent Philipp Reimer über § 166 Strafgesetzbuch.

StA Berlin – Lageso: Die Staatsanwaltschaft Berlin hat, laut zeit.de nun Haftbefehl gegen den Referatsleiter am Lageso und den Chef einer Sicherheitsfirma beantragt, gegen die wegen mutmaßlicher Korruption bei der Vergabe von Aufträgen zum Betreiben von Flüchtlingsunterkünften ermittelt wird.

Ermittlungen wegen Cum-Ex-Deals: Nachdem in der vergangenen Woche bekannt wurde, dass die BaFin von Banken Auskunft zu deren Beteiligung an sogenannten Cum-Ex-Deals verlangt, haben nun Staatsanwaltschaften angekündigt, diese Informationen von der BaFin einfordern zu wollen. Gegenüber den Ermittlern ist die BaFin nicht zur Verschwiegenheit verpflichtet, so könnten sich Erkenntnisse für weitere Ermittlungsverfahren wegen der fragwürdigen Geschäfte ergeben, schreibt die Montags-SZ (Klaus Ott).

Geheimnisverrat oder Justizversagen?: Die Montags-taz (Kai Schlieter) befasst sich in einem ausführlichen Artikel mit dem Fall eines wegen Landesverrats zu sieben Jahren Haft verurteilten ehemaligen Mitarbeiter der Nato. Er soll für seine Bemühungen um besseren Geheimnisschutz bei der Nato verurteilt worden sein, von einer deutschen Justiz, die das "Staatsgeheimnis" nicht nur fragwürdig auslegte, sondern auch selbst mehr als fragwürdig mit Geheimnisschutz umging.

Veränderter Anwaltsberuf: Dass Algorithmen in naher Zukunft den Menschen im Anwaltsberuf ersetzen sei wohl nicht zu befürchten, schreibt die Samstags-FAZ (Joachim Jahn). Trotz der Veränderungen des Berufszweigs und steigender Anzahl von Anwälten, werde es Dank der fortschreitenden Verrechtlichung auch weiterhin genug zu tun geben.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 27. bis 29. Februar 2016: NPD-Verbot, die Zweite / Vergerung im Fischer-Senat / Nein zu Zweiklassenjustiz . In: Legal Tribune Online, 29.02.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/18623/ (abgerufen am: 25.04.2024 )

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